09.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 120 / Einzelplan 04

Burkhard BlienertSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aktuelle Situation gebietet auch meinerseits die folgende Anmerkung, die mir persönlich wichtig ist: Deutschland ist in vielerlei Hinsicht ein reiches und starkes Land, und wir können, sollten und müssen uns die größtmögliche Humanität erlauben. Mir geht es dabei im Wesentlichen um den kulturellen Reichtum in unserem Land, ein kulturelles Erbe, geprägt von einer reichen Sprache, vielfältiger Literatur, Musik und Kunst. Es ist im Übrigen ein kulturelles Erbe, das uns in doppelter Hinsicht zur Humanität verpflichtet. Es ist ein kulturelles Erbe, das sich durch Heterogenität und Verschiedenheit überhaupt erst entwickelt hat und entwickelt. Wir wollen es erhalten, demokratisieren und vielen Menschen zugänglich machen.

Die Menschen, die nun zu uns kommen, bringen etwas Bereicherndes mit, nämlich ihre vielfältigen kulturellen Traditionen und Identitäten. Dies müssen wir als das sehen, was es ist: eine fruchtbare Bereicherung für unsere Gesellschaft und unsere Kultur.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich begrüße daher ausdrücklich die Initiativen aus dem kulturellen Bereich unterschiedlicher Art und Weise wie zum Beispiel die des deutschen Buchhandels zur Unterstützung der kulturellen Angebote insbesondere für Asylsuchende und Flüchtlinge, die unter der Schirmherrschaft von Navid Kermani steht. Es ist Navid Kermani, der uns im letzten Jahr am 23. Mai in seiner Rede zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes so eindrücklich zu einer Kultur der Anerkennung und des Respekts ermahnt hat.

Das war schon sehr beeindruckend. Er hat uns noch mal ins Stammbuch geschrieben, was unsere Aufgabe ist.

Die Kulturförderung des Bundes trägt neben der Kulturförderung der Kommunen und Länder wesentlich dazu bei, die kulturelle Vielfalt zu fördern. Ich möchte hier einige Aspekte herausstellen. Neben der Erfüllung der institutionellen und repräsentativen Kulturaufgaben des Bundes ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für kreative Arbeit zu verbessern. Es ist unsere Aufgabe, zu verhindern, dass Kulturschaffende durch das soziale Netz fallen.

Der Entwurf für den Haushalt 2016 der BKM bietet eine gute Grundlage. Für die SPD-Bundestagsfraktion will ich ausdrücklich positiv hervorheben, dass es erneut gelungen ist, den Etatansatz für Kultur im Regierungsentwurf zu steigern, nämlich um knapp 4,5 Prozent. Darin enthalten sind auch die Aufwüchse bei den Personalmitteln, für die wir uns in den Beratungen zum Haushalt 2015 erfolgreich eingesetzt haben. Dass diese zusätzlichen Mittel für alle durch den Bund geförderten Kultureinrichtungen sowie die Deutsche Welle, die lange überfällig waren, nun fortgeschrieben werden, begrüßen wir sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auf diese Weise können die Einrichtungen die Tarifsteigerungen auffangen, ohne dass Einsparungen bei Personal, Programm oder Inhalt vorgenommen werden müssen. Andererseits wurden einige der Aufwüchse aus dem parlamentarischen Verfahren zum Haushalt 2015 bedauerlicherweise nicht fortgeschrieben. Wir werden uns in den jetzt anstehenden Beratungen gemeinsam anschauen müssen, was dort zu tun ist.

(Beifall des Abg. Martin Dörmann [SPD])

Auch diejenigen Kulturschaffenden, die von den Tarifsteigerungen nicht profitieren, müssen wir im Blick haben, allen voran die freiberuflich tätigen Kulturschaffenden, deren Zahl in den letzten Jahren stetig angestiegen ist. Freiberufliche Leistungen im Kulturbereich unterliegen keinen gesetzlichen Vorgaben. Einige Berufsverbände haben Honorarempfehlungen oder Handreichungen zur Berechnung freiberuflicher Arbeit erstellt. Dieser Weg muss konsequent weitergegangen werden. Hier trägt auch die öffentliche Hand eine Verantwortung, wenn es darum geht, dass in der Kulturförderung faire Vergütungen und Honorare gezahlt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen eine Zweiklassengesellschaft von denen, die in den vom Bund geförderten Einrichtungen von Tarifsteigerungen profitieren, und denen, die auf der Basis von Projektförderung künstlerischer und kreativer Arbeit nachgehen, vermeiden.

Von existenzsichernder Wichtigkeit für viele freiberufliche Kulturschaffende ist nach wie vor die Künstlersozialversicherung. Wir haben einen weiteren Anstieg des Abgabesatzes verhindert, für eine gerechtere Lastenverteilung gesorgt und die Künstlersozialversicherung auf sichere Beine gestellt.

Die Arbeitsverhältnisse von Kulturschaffenden sind besonderen Umständen unterworfen. Das gilt insbesondere für den Erwerb des Anspruches auf ALG I. Da die aktuell gültige Regelung für kurz befristet Beschäftigte Ende 2015 ausläuft, müssen wir noch in diesem Jahr eine Entscheidung treffen. Davon sind viele Kulturschaffende betroffen. Wir brauchen eine Anschlussregelung, die die Besonderheiten in der Kultur- und Kreativwirtschaft berücksichtigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Grundlage kreativer Erwerbsarbeit sind geistige Schöpfungen. Deshalb müssen wir eine angemessene Vergütung für die Nutzung kreativer Leistungen sicherstellen und geistiges Eigentum vor Rechtsverletzungen im digitalen Raum schützen. Dazu brauchen wir ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht, das die Interessen von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Konsumenten ausgleicht.

Im Mittelpunkt müssen jedoch weiterhin der Urheber und sein kreatives Schaffen stehen; denn sie schaffen den Inhalt, den Content. Mit der bevorstehenden Reform des Urhebervertragsrechts wollen wir die strukturell schwächere Position des Urhebers im Verhältnis zum Verwerter verbessern. Die Erfahrungen seit der letzten Anpassung des Urheberrechtsgesetzes 2002 haben gezeigt, dass dies auch wirklich nötig ist.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der Filmpolitik hatten wir uns für die laufende Wahlperiode einiges vorgenommen. Wir haben die Digitalisierung unserer Kinolandschaft mit dem erfolgreichen Digitalisierungsprogramm abgeschlossen.

Wir haben die zeitliche Befristung des Deutschen Filmförderfonds aufgehoben und damit die Förderung der Filmwirtschaft auf Dauer gestellt. Sicherlich: Als Kulturpolitiker hätte ich mir gewünscht, dass wir das auf dem alten Niveau hätten fortsetzen können. Umso mehr freue ich mich über die Initiative von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die Förderung der Filmwirtschaft mit Mitteln aus seinem Etat zu ergänzen. Ich begrüße das; denn nur so können wir unsere kulturpolitische Zielsetzung in der Filmpolitik erreichen.

Unser Ziel ist die Sicherung einer breiten Vielfalt beim Filmschaffen in Deutschland. Dafür ist neben Wirtschaftsförderung weit mehr erforderlich. Wir müssen auch verstärkt etwas dafür tun, dass in Deutschland mehr Filme entstehen können, bei denen die künstlerische Qualität nicht zu kurz kommt. Deshalb sollten wir unser gesamtes Fördersystem von Bund und Ländern in den Blick nehmen, um hier nach Möglichkeiten zu suchen, mit denen wir den künstlerischen Output im deutschen Filmschaffen nachhaltig stärken können. Die anstehende Novelle zum Filmförderungsgesetz (FFG) bietet hierzu genügend Ansatzpunkte und Möglichkeiten, das auch umzusetzen.

Wenn wir die Vielfalt des deutschen Films sichern wollen, dann müssen wir uns auch um unser großes und großartiges Filmerbe kümmern; denn vieles droht in der Versenkung zu verschwinden oder gar unwiederbringlich verloren zu gehen. Mit der Digitalisierung der alten Filme können wir altes, vom Verfall bedrohtes Filmmaterial retten, wir können beschädigte Kopien restaurieren, und vor allem können wir unser Filmerbe auf völlig neuen Distributionswegen verfügbar machen.

Obgleich wir im parlamentarischen Verfahren für 2015 1 Million Euro für das Filmerbe bereitgestellt haben, enthält der vorliegende Haushaltsentwurf für 2016 für das Filmerbe keine entsprechenden Mittel. Aber das ist angesichts der aktuellen Situation auch schnell erklärt. Bevor sich nun der Bund verpflichtet, müssen wir die anderen mit an Bord nehmen, die auch Verantwortung tragen. Das sind vor allem die Länder und die Filmbranche. Die dazu notwendigen Gespräche werden bereits geführt. Ich bin zuversichtlich, dass wir im kommenden Jahr ein entsprechendes Programm auf den Weg bringen werden, um auch hier dafür zu sorgen, dass unser reiches kulturelles Filmerbe erhalten und zugänglich bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe meine Rede mit einem Appell. Wenn wir die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft als Chance nutzen wollen, müssen wir die kulturelle Bildung fördern. Kulturelle Bildung bietet ein großes Potenzial, um mit den Menschen, die in unser Land kommen, ins Gespräch zu kommen, um uns für ihre und sie für unsere Kultur zu öffnen. Viele Kultureinrichtungen widmen sich bereits jetzt mit großem Engagement der kulturellen Bildungsarbeit mit Flüchtlingen, allen voran mit Kindern und Jugendlichen. Dies ist der richtige Weg, den wir in Zukunft noch viel konsequenter und energischer gehen müssen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. Das war wirklich eine Punktlandung. – Das Wort hat jetzt Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.

(Wolfgang Hellmich [SPD]: Gute Hamburgerin!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5756003
Wahlperiode 18
Sitzung 120
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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