Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Wirtschaft und Energie
Herr Präsident, ich hoffe, ich muss das nicht persönlich nehmen. Aber der Kollege Heil redet, glaube ich, auch gerne nach mir.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gabriel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier klare Worte zum Thema Flüchtlinge, zum Thema Integration und zum Thema Einwanderung gefunden haben. Ich kann mich erinnern, dass sich der Privatmann Sigmar Gabriel vor nicht allzu langer Zeit in Debatten noch ganz anders geäußert hat. Ich begrüße es, dass Sie offensichtlich einen Erkenntnisgewinn haben. Ich hoffe, dass sie angesichts der Herausforderungen, vor denen wir hinsichtlich der Integration der Flüchtlinge stehen, Führung zeigen – gerade Sie als Wirtschaftsminister haben hier eine herausragende Aufgabe –,
(Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Eine ganz billige Nummer!)
indem Sie dafür sorgen, dass die Menschen, die in unser Land kommen, eine Perspektive haben, indem Sie klarmachen, dass Flüchtlinge aufgrund des demografischen Wandels eine Chance für unser Land sind. Ich hoffe, dass der Wirtschaftsminister hier, anders als manche Populisten – dafür ist Herr Seehofer zuständig –, klare Kante zeigt und eine vernünftige Politik macht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wozu Sie überhaupt nichts gesagt haben, Herr Minister Gabriel, ist das Thema Investitionen. Das wundert mich ehrlich gesagt; denn wir alle wissen, dass es in unserem Land sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor ein riesiges Defizit bei den Investitionen gibt. Sie haben mit großem Tamtam die Fratzscher-Kommission ins Leben gerufen, die vor ein paar Monaten ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Ich würde nun erwarten, dass der Wirtschaftsminister unseres Landes im Zuge der Haushaltsberatungen sagt, was jetzt passiert. Aber darüber haben Sie kein einziges Wort verloren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Mal ein bisschen zuhören!)
Wir haben nachgefragt: Was wird denn nun aus den Ergebnissen der Fratzscher-Kommission? Die Antwort ist: Die Bundesregierung prüft. – Ja, meine Damen und Herren, es wundert schon, dass Sie angesichts der Investitionsschwäche, die wir haben, einen Haushalt vorlegen, in dem die Investitionen weiter zurückgehen,
(Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Was? Unfug!)
und dass die ohnehin schon verfehlte OECD-Quote in der mittelfristigen Finanzplanung noch weiter abgesenkt wird.
(Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Unsinn!)
Das ist nicht nachhaltig, das ist nicht zukunftsfähig. Das macht den Erfolg, den wir im Moment haben, in Zukunft kaputt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben viele Punkte angesprochen; ich möchte einen herausgreifen. Sie haben über die Digitalisierung der Wirtschaft gesprochen. Was genau Sie vorhaben, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Aber eines ist doch klar: Wir bekommen in Deutschland nicht einmal die Basics der Digitalisierung hin. Vom unzureichenden Breitbandausbau will ich gar nicht reden. In ländlichen Regionen beklagen sich die Unternehmen ständig, dass sie deswegen ihre Geschäfte nicht richtig betreiben können. Aber was ist mit dem kostenlosen Zugang zu WLAN? Das haben uns einige Länder voraus. Sie verhindern mit Ihrer Politik und dieser absurden Regelung zur Störerhaftung, dass es in unserem Land endlich überall und flächendeckend kostenloses WLAN gibt. In anderen Ländern gibt es das längst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, dass eine Graswurzelbewegung namens Freifunk nun ein Problem löst, wozu Sie als Regierung nicht in der Lage sind. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Danke Freifunk!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zum Thema „Energiewende und Klimaschutz“. Den Klimaschutz haben Sie einmal erwähnt, nur am Rande, und das trotz über 20 Minuten Redezeit. Vor zwei Jahren habe ich gelesen, das Management der Energiewende sei für Sigmar Gabriel der Weg zur Kanzlerschaft. Von einer erfolgreichen Energiewende sind wir genauso weit entfernt wie von der Kanzlerschaft von Sigmar Gabriel. Der Zusammenhang trifft zu, aber im Negativen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich frage mich: Wo im Haushalt spiegelt sich die Energiewende wider? Wo spiegelt sich all das wider, was wir in Sachen Klimaschutz im Vorfeld der Konferenz in Paris tun müssen? Das ist alles viel zu wenig. Das ist dieser globalen Herausforderung nicht angemessen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ganz offen gesagt: Was haben wir in der Zeit der Großen Koalition in Sachen Energiewende eigentlich gemacht?
(Bernd Westphal [SPD]: Eine Menge!)
Sigmar Gabriel hat einen einzigen relevanten Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, den Entwurf einer EEG-Novelle, der vor einem Jahr verabschiedet worden ist. Das Ergebnis dieser EEG-Novelle ist: Die Biogasbranche ist tot. Beim Solarausbau liegen wir weit unterhalb der Korridore. Im Bereich Windenergie gibt es einen Schlussverkaufseffekt, und kein Mensch weiß, wie es nach 2017 in dieser Branche weitergeht; das wird Ihnen jeder bestätigen. Sie machen Ausschreibungen, die eines beweisen: Es wird teurer und bürokratischer. Die Bürgerenergiewende wird ausgebremst. Dazu sage ich: Die Abrissbirne der Energiewende funktioniert ganz offensichtlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei allen anderen Themen kommt überhaupt nichts im Bundestag an. Wir diskutieren über Strommarktdesign. Es gibt Grünbücher, Weißbücher, Gelbbücher, was weiß ich alles. Es gibt ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission bezüglich der Energieeffizienz. Es gibt etliche Projekte, zum Beispiel das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Herr Post, es wurde vor einem Jahr angekündigt, hundertmal versprochen, aber es liegt nichts vor. Sie simulieren, Politik zu machen. Das Ministerium kündigt an und formuliert Überschriften. Vielleicht erstellen Sie das eine oder andere bunte Konzept; aber hier, wo die Musik spielt, im Bundestag, kommt am Ende nichts an.
(Thomas Jurk [SPD]: Das stimmt doch nicht! So ein Quatsch!)
Das ist genau das Problem. Sie simulieren an dieser Stelle Politik, aber die notwendigen Entscheidungen werden nicht getroffen. Sie erwecken den Eindruck, dass Sie etwas tun, aber in der Praxis passiert nichts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
An einer Stelle wäre es mir lieber, wenn nichts passieren würde. Aus dem sinnvollen Instrument der Kohleabgabe haben Sie das exakte Gegenteil gemacht – man hätte auch etwas anderes vorschlagen können –: Wir steigen jetzt, just zu dem Zeitpunkt, zu dem wir es geschafft haben, endlich die Subventionierung des Steinkohlebergbaus zu beenden, in die Subventionierung der Braunkohle ein. Es ist doch ein Treppenwitz, dass Deutschland vor der Konferenz in Paris anfängt, die Braunkohle zu subventionieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das hat nichts mit Energiewende zu tun. Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Das ist die Zementierung der Vergangenheit.
Lieber Herr Krischer.
Wir sollten eigentlich aus den Defiziten der Subventionierung des Steinkohlebergbaus gelernt haben. Das wäre eine richtige Botschaft, die der Wirtschaftsminister vermitteln müsste. Das tut er aber nicht.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und nun erhält der bereits angekündigte Kollege Heil das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5761369 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |