Joachim PfeifferCDU/CSU - Wirtschaft und Energie
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland geht es gut, und zwar trotz permanenter Krisen seit 2008, egal ob Finanzkrise, europäische Unsicherheiten, Strukturkrisen, Verschuldungskrisen, Ukraine-Krise oder jetzt auch Flüchtlingen. Den anderen Ländern geht es nicht so gut.
Warum geht es Deutschland gut? Ich glaube, das hat eine ganze Reihe von Gründen. Ich will einen nennen, der heute und gestern so nicht erwähnt wurde: Deutschland geht es auch gut, weil wir in Deutschland stabile politische Verhältnisse haben,
(Zurufe von der LINKEN: Oh!)
weil wir in den letzten zehn Jahren stabile, gute Regierungen hatten,
(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Wo?)
die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit anerkannt sind und weltweit mithelfen, die Krisen zu bewältigen. Deshalb haben wir auch sozialen Frieden in Deutschland. Deshalb kommen viele Investitionen aus dem Ausland nach Deutschland. Es wird hier investiert: in Infrastruktur – darauf komme ich nachher noch –, in Immobilien oder in Werte. Davon profitieren wir. Diese Investitionen befeuern auch unser Wachstum.
Deutschland geht es gut, weil wir heute die Ergebnisse der Saat ernten, die mit Strukturreformen am Arbeitsmarkt ausgebracht wurde. Ich nenne ausdrücklich – auch an den Koalitionspartner gerichtet – die Agenda 2010. Heute profitieren wir davon, dass die SPD damals den Mut hatte, dieses Thema anzugehen. Ich würde mir heute wünschen, Sie wären ein bisschen stolzer auf das, was Sie damals getan haben.
(Thomas Jurk [SPD]: Schön, dass Sie stolz auf uns sind!)
Manchmal hat man den Eindruck, dass die Agenda 2010 ein vaterloses oder mutterloses Kind ist. Wir haben sie damals aus der Opposition heraus und im Bundesrat unterstützt, weil wir sie für richtig hielten. Heute profitieren wir in Deutschland gemeinsam davon.
Wir haben die Negativspirale von immer weniger Beschäftigung, damit weniger Einnahmen in der Sozialversicherung und weniger Steuereinnahmen durchbrochen. Heute sind wir in einer positiven Spirale. Wir haben mit über 43 Millionen Menschen den höchsten Beschäftigungsstand in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wir haben die höchsten Einnahmen in der Sozialversicherung und können deshalb trotz verschiedener Ausgaben, über deren Sinnhaftigkeit man sich in der Tat streiten kann, beispielsweise den Beitragssatz zur Rentenversicherung senken. Wir haben die höchsten Steuereinnahmen, und wir haben, Herr Finanzminister, eine Nullverschuldung, einen ausgeglichenen Haushalt. Das ist das Beste, was wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen können, dass sie nicht unsere Schulden abzahlen müssen. Wir machen keine neuen Schulden und führen sogar Schulden zurück.
Wir haben aber auch positive Effekte, die sicher nicht von Dauer sein werden. Allein die niedrigen Energiepreise bringen in diesem Jahr einen positiven Effekt für die Volkswirtschaft in Höhe von ungefähr 50 Milliarden Euro. Ich glaube, das wird nicht von Dauer sein.
Auch bei anderen Rohstoffen ist die Versorgung heute günstiger und sicherer, als es vor Jahren zum Beispiel bei den Seltenen Erden der Fall war. Aber auch hier müssen wir, glaube ich, rechtzeitig handeln, weil auch dies nicht gottgegeben ist.
Auch die Zinsen werden auf Dauer nicht so niedrig bleiben, wenngleich wir durch kluges Umschulden jetzt erreichen können, diese niedrigen Zinsen für längere Zeit zu sichern, indem man heute lang laufende oder länger laufende Staatsanleihen auflegt, die mit ihren niedrigen Zinsen dazu beitragen, diesen Effekt, wenn es ihn nicht mehr geben sollte, für die nächsten 10, 15 oder 20 Jahre zu sichern. Das ist solides und nachhaltiges Wirtschaften unter Führung der Union in Deutschland. Deshalb steht Deutschland heute in Europa und in der Welt so gut da.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir dürfen uns aber nicht ausruhen. Denn dieser Wohlstand, den wir erarbeitet haben, braucht weiterhin Wachstum, und Wachstum braucht freien Handel. Wachstum braucht Innovation, und Wachstum braucht Freiheit und Wettbewerb. Deshalb sind das die Stellschrauben, die wir bedienen müssen.
Ich will noch einmal zum Freihandel kommen. Es ist seit Ricardos Zeiten unbestritten, dass die Nationen, die sich am freien Handel beteiligen, Vorteile davon haben, und zwar beide Beteiligten und auch die Menschen in diesen Ländern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Alle Länder dieser Welt, die sich nicht am Freihandel beteiligen, geht es schlechter als denen, die sich beteiligen. Nordkorea geht es in der Tat nicht besser als Südkorea, um damit das Thema Freihandelsabkommen noch einmal anzusprechen. Kollege Ernst, in der Tat haben wir auch vorher Autos nach Südkorea exportiert. Nur: Vor drei Jahren lag in Südkorea der Anteil deutscher Autos im Premiumsegment – der Kollege Fuchs hat es angesprochen – unter 20 Prozent. Die Mehrheit kam aus Japan und Südkorea. Heute hat sich dies durch veränderte Rahmenbedingungen beim Zoll, beim Import und bei den Standards umgedreht. Heute beträgt der Anteil deutscher Autos im Premiumsegment in Südkorea mehr als 80 Prozent. Das ist das Ergebnis des Freihandelsabkommens, und deshalb ist Freihandel gut für Deutschland, für unsere Wirtschaft, die Arbeitsplätze und die Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb wollen wir mit CETA, dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, und dem Freihandelsabkommen mit den USA, das verhandelt wird, neue Standards in der Welt setzen, und zwar in allen Bereichen die höchsten Standards, die wir haben.
Alles, was Sie vorhergesagt haben, ist nicht eingetroffen. Was haben Sie nicht alles bemüht. Das Chlorhühnchen ist in der Versenkung verschwunden,
(Zuruf von der LINKEN: Sie holen es wieder heraus!)
weil alle gemerkt haben, dass das so nicht stimmt. Die Verbraucherschützer haben gesagt: Nein, das ist überhaupt nicht gesundheitsgefährdend.
Dann haben Sie von Geheimverhandlungen gesprochen. Auch das ist an Dummheit nicht zu überbieten. Auch dazu wurden Sie eines Besseren belehrt.
Die Schiedsgerichtsverfahren haben Sie unter anderem als Paralleljustiz bezeichnet. Dabei sind wir nicht nur diejenigen, die es erfunden haben, sondern wir wären auch die größten Profiteure.
Herr Kollege Pfeiffer, der Kollege Gambke möchte eine Zwischenfrage stellen.
Gerne. Die Redezeit geht eh so schnell um. Vielen Dank.
Bitte schön.
Herr Pfeiffer, Ihre Behauptungen in Richtung Freihandelsabkommen bedürfen einer Bemerkung von meiner Seite. Sie sagen, dass nur mit einem Freihandelsabkommen – Sie sagen aber nicht, mit welchem – der Autoexport nach Südkorea hätte gesteigert werden können. Ich frage Sie: Würden Sie, wenn Sie heute einen Kreditvertrag abschließen wollen, einen Vertrag über 10 Prozent Zinsen unterzeichnen und sagen: „Jeder Kreditvertrag ist gut“? Oder würden Sie nicht auch meiner Meinung folgen, dass 1,5 bis 2 Prozent Zinsen angemessen wären? Das Gleiche gilt für Freihandels- und Handelsabkommen. Sie können heute Autos in die USA exportieren. Es geht allein um den Zoll, der übrigens für Pick-ups 14 Prozent beträgt.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Nein, nein, nein!)
Das heißt, es geht um die Inhalte eines Abkommens und nicht um ein Abkommen als solches.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Völlig falsch!)
Das ist doch unstrittig. Da haben Sie völlig recht. Genau deshalb verhandeln wir doch über dieses Freihandelsabkommen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir verhandeln gar nicht! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben gar keinen Zugang dazu!)
Wir als Bundesrepublik Deutschland und die anderen 27 Länder der Europäischen Union haben der Europäischen Union, die federführend über das Abkommen verhandelt, ein Mandat erteilt. Darin wurden klare Rahmenbedingungen gesetzt, zum Beispiel, dass die Kommunen hinsichtlich der Daseinsvorsorge keiner Privatisierungspflicht oder Sonstigem, was Sie erwähnen, unterliegen. Die Kommunen können weiterhin entscheiden, ob sie Dienstleistungen der Daseinsvorsorge selber erbringen oder beispielsweise von Dritten erbringen lassen. Wenn sie sie von Dritten erbringen lassen, dann sind diese Dritten – egal ob sie aus Deutschland, aus Westeuropa, aus den USA oder aus Kanada kommen – aber selbstverständlich gleichzubehandeln wie Inländer. Das Gleiche wollen wir in den USA, wo wir heute vom öffentlichen Beschaffungsprozess weitestgehend ausgeschlossen sind. Dort gibt es diese Gleichbehandlung also noch nicht. Deshalb verhandeln wir das. Da haben Sie recht.
Die allermeisten der Grünen – von den Linken sowieso – und andere Empörungsaktivisten, die davon leben, dass sie solche Dinge hochziehen, wissen aber anscheinend schon vorher, was dabei herauskommt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Teile der CDU sind gegen TTIP!)
Wir wissen noch nicht, was dabei herauskommt,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
sondern wir verhandeln ernsthaft mit den USA, mit Kanada und auch mit anderen Ländern, zum Beispiel, wie Sie wissen, mit den ASEAN-Staaten und mit China, über ein Freihandelsabkommen. Im Ergebnis wird dies hoffentlich dazu führen, dass der Freihandel weiter zunimmt und damit alle Beteiligten einen positiven Effekt erzielen. Deshalb lohnt es sich, dafür zu kämpfen.
Der Bundeswirtschaftsminister hat an dieser Stelle ja auch mehrfach eigene Vorschläge gemacht, zum Beispiel für Schiedsgerichtsverfahren, und gesagt, dass man hier neue internationale Handelsgerichtsbarkeiten etablieren könnte. Daran wird hart gearbeitet.
(Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)
Ich bin eigentlich immer noch bei der Beantwortung der Frage des Herrn Gambke.
Ja, ja.
Ich sehe gerade aber, die Uhr läuft weiter. – Nach dem Thema „freier Handel“ möchte ich nun auch auf die Innovationen und den Bereich „Forschung und Entwicklung“ eingehen.
Der Kollege Heil hat es angesprochen: Allein für den Forschungsetat stellen wir 16,4 Milliarden Euro zur Verfügung, und 3 Milliarden Euro zusätzlich fließen aus dem Etat des Wirtschaftsministers in die anwendungsorientierte Forschung. Dieses Jahr werden also über 19 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Seit 2005, seitdem die Union in die Regierung gekommen ist und sie seither führt, hat sich dieser Betrag mehr als verdoppelt. Damals waren es 7,5 Milliarden Euro, heute geben wir über 19 Milliarden Euro und damit mehr als 3 Prozent des Bruttosozialprodukts dafür aus.
Insbesondere Sie von den Linken sagen zum wiederholten Male, die Ausgaben für Luft- und Raumfahrt wären vergebliche Liebesmühe. Entweder Sie wollen es nicht verstehen, oder Sie können es nicht verstehen. Wahrscheinlich beides. Sie fordern auch den digitalen Wandel. Als Stichworte seien nur einmal genannt: Internet der Dinge, Industrie 4.0, Connected Cars. Wie soll das denn ohne Satelliten und ohne eine genaue Navigation funktionieren?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)
Dafür brauchen wir Galileo, das europäische Satellitennavigationssystem. Ohne dieses System würde keine Anwendung funktionieren. Flutbewältigung, Registrierung des Waldwachstums und der CO 2 -Emissionen, Klimaschutz: Für all dies ist heute eine Erdbeobachtung mithilfe von Satelliten zwingend notwendig. Anders funktioniert es nicht. Hierin sind wir weltweit führend.
Wie bringen wir die Satelliten ins All? Mit Raketen, und hoffentlich nicht nur mit russischen, amerikanischen oder chinesischen, sondern mit europäischen Trägersystemen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Ariane 6 entwickeln und wir in diesem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel für die internationale und die europäische Luft- und Raumfahrt einstellen. Genau das Gleiche gilt auch in Bezug auf Airbus. Wir müssen hier die Forschung und Entwicklung vorantreiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD])
Das hilft dem Mittelstand und schafft Arbeitsplätze.
Für den digitalen Wandel ist in der Tat eine digitale Infrastruktur notwendig. Deshalb fördern wir den Breitbandausbau mit zusätzlich über 1,4 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Dies geschieht aber technologieoffen. Wir brauchen hier mehrere Technologien.
Durch den digitalen Wandel ergeben sich auch ganz neue Herausforderungen für den Mittelstand. Ich nenne nur einmal das Stichwort „Cybersicherheit“. Es ist auch für mittelständische Unternehmen eine der größten Herausforderungen, dass ihr Know-how gesichert bleibt und nicht auf irgendwelchen Servern in anderen Ländern dieser Welt auftaucht und die getätigten Investitionen und erzielten Innovationen verloren gehen. Auch dafür müssen wir sorgen. Dabei ist das IT-Sicherheitsgesetz ein erster Punkt.
Herr Kollege Krischer, Störerhaftung ist in der Tat ein Problem. Das haben wir erkannt und diskutiert. Am 16. September ist dies im Kabinett, und das Problem wird abgestellt. Sie aber haben sich in der Sache, etwa durch Vorschläge, nicht beteiligt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben einen Antrag gestellt! Sie haben unseren Antrag abgelehnt! Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht!)
Das ist ein schwieriges Thema, bei dem man zwischen Datenschutz und Sicherheit abwägen muss. Wir aber werden dieses Problem am 16. September, also nächste Woche, im Kabinett lösen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen es schlimmer!)
Der WLAN-Zugang ist dann künftig über ein Passwort möglich. Ich glaube, dieser Vorschlag ist eine gute Lösung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen es schlimmer!)
Public-private-Partnership ist angesprochen worden. Das, was Sie gesagt haben, Herr Ernst, ist an Dummheit wirklich nicht zu überbieten. Was kann denn daran schlecht sein, wenn man privates Geld mobilisiert? – Ich sehe, der Kollege Ernst meldet sich zu einer Zwischenfrage.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nein, mit Blick auf die Gesamtredezeit, die wir vereinbart haben,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)
muss ich darauf achten, dass wir im Rahmen bleiben.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weiter!)
Ich weiß, dass Sie gerne eine beliebige Zahl von Zwischenfragen zulassen würden. – Bitte schön. Sie haben jetzt noch zehn Sekunden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er muss aufhören!)
Was kann schlecht daran sein, wenn deutsche Versicherer ihr Geld, privates Geld, in die deutsche Infrastruktur investieren? Warum sollen sie es im Ausland investieren?
(Widerspruch bei der LINKEN)
Was kann schlecht daran sein, dass ausländische Pensionsfonds in deutsche Infrastruktur investieren? Gar nichts, im Gegenteil.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Wenn es in der Zukunft teurer wird!)
Insofern sind Ihre Vorbehalte wirklich nicht nachvollziehbar.
Es gäbe noch viel zum Thema Energie, zum Thema Wettbewerb und auch zum Thema Arbeitsintegration zu sagen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, lassen Sie das! Das geht schief!)
Aber das müssen wir offensichtlich in der zweiten Runde nachholen. – Sie sehen: Deutschland ist gut regiert und auf gutem Kurs. Wir wollen, dass das weiterhin so bleibt. Die Union wird zusammen mit der SPD in den nächsten Jahren dafür sorgen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Julia Verlinden ist die nächste Rednerin für die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5761457 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |