Julia VerlindenDIE GRÜNEN - Wirtschaft und Energie
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ziele des Energiekonzepts aus dem Jahre 2010 hätten für die Bundesregierung weiterhin Bestand – das sagen Sie zumindest immer. Wir Grüne haben diese, also Ihre Ziele für das Jahr 2020, mit den aktuellen Zahlen aus diesem Sommer verglichen. Das Ergebnis ist erschütternd: Deutschland ist bei fast allen Indikatoren noch weit von seinen Zielen entfernt. Ob beim Energiesparen im Verkehr, beim Heizen oder beim Stromverbrauch: Das Erreichen Ihrer eigenen Ziele liegt in weiter Ferne, obwohl uns nur noch fünf Jahre bleiben. Auch bei der Nutzung der erneuerbaren Wärme oder der Elektromobilität geht es absolut gar nicht voran. In der Schule gäbe es für dieses Ergebnis eine glatte Sechs.
(Ulli Nissen [SPD]: Na, na!)
Jetzt könnte man erwarten, Sie machen das wie jede professionelle Organisation oder wie ein Wirtschaftsunternehmen: Sie analysieren die Zahlen, merken, dass Sie nicht auf dem richtigen Pfad sind, und steuern um. Dazu böten jetzt die Haushaltsberatungen eine wunderbare Gelegenheit, etwa Programme aufzulegen, damit Sie das, was Sie sich selbst vorgenommen haben, bis zum Jahr 2020 auch schaffen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt ein gelangweiltes Schulterzucken, und Sie machen einfach weiter wie bisher. So kann man Sie als Regierung echt nicht ernst nehmen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Energiewendeziele sind ja kein Selbstzweck, sondern sie sind angesichts der Klimakatastrophe überlebensnotwendig. In diesem Haushalt sehe ich: Sie haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Im Haushalt sind viel zu wenig Mittel für Effizienz und Erneuerbare, und Sie fördern weiter fossile Energieträger, anstatt endlich den Ausstieg einzuleiten.
Beispiel Energieeffizienz. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist bekanntlich an Ihrem Rumpelstilzchen aus Bayern, an Herrn Seehofer, gescheitert. Die Ersatzmaßnahmen, die Sie nun planen, werden wohl kaum dieselbe Wirkung wie die steuerliche Förderung erzielen.
Oder die erneuerbaren Energien im Wärmebereich. Seit Jahren dümpelt der Anteil bei 10 Prozent vor sich hin. Sie erzählten uns noch im Frühjahr, Sie hätten die Förderungsbedingungen für das Marktanreizprogramm verbessert, stellen jetzt dafür aber nur 1 Prozent mehr Mittel ein. Warum trauen Sie Ihren eigenen Verbesserungen nicht mehr zu?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für Kanzlerin Merkel und Minister Gabriel gehen Lobbyinteressen der fossilen Energiewirtschaft vor Klimaschutz und Energiewende. Mit dieser Politik werden Sie beim Klimagipfel in Paris wahrlich niemanden beeindrucken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Frage, die man sich stellen müsste, ist doch: Wen und was wollen wir mit staatlichen Mitteln und Maßnahmen eigentlich unterstützen? Diejenigen, die die Energiewende blockieren, die gegen unsere oder Ihre Ziele arbeiten, weil sie ihre dahinschmelzenden Besitztümer auf Kosten der Allgemeinheit retten wollen? Oder besser diejenigen, die mithelfen wollen, unsere Klima- und Energiewendeziele umzusetzen?
RWE, Vattenfall und E.ON haben sich bisher nicht als Verbündete der Energiewende hervorgetan. Im Gegenteil: RWE versucht verzweifelt, das Auslaufmodell Braunkohle weiter am Laufen zu halten. Wie verzweifelt muss ein Konzern sein, der auf friedliche Protestaktionen mit Gewalt antwortet, den Konflikt auf dem Rücken der Polizei austrägt und Journalisten bei ihrer Arbeit hindert? Und dennoch richten Sie, Herr Gabriel, Ihre Energiepolitik ausgerechnet an den großen Unternehmen aus, an denen, die die Energiewende bisher weitgehend verpennt haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Arbeiten Sie statt mit den quengelnden Konzernen doch lieber mit den vielen Verbündeten zusammen, mit denen, bei denen die Energiewende immer viel weiter im Vordergrund stand als bei der Politik. Arbeiten Sie doch mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen, die seit Jahren in Erneuerbare und Effizienzprojekte investieren, mit Handwerksbetrieben, die sich auf die Montage von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen spezialisiert haben, mit den innovativen Betrieben aus dem Mittelstand, die Energiespartechniken entwickeln, an Speichertechnologien arbeiten oder dezentrale Energieversorgungskonzepte voranbringen. Das sind die wirtschaftlichen Akteure, die mithelfen wollen, die Klimaziele zu erreichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auf die Unterstützung von E.ON, Exxon, Shell oder RWE können Sie lange waren.
Nun gut, Herr Gabriel, die Kohleabgabe war ein Versuch; aber die Lobby hat nun einmal beste Drähte ins Kanzleramt. Deswegen hat Merkel dieses Ansinnen kassiert, bevor es ernst werden konnte – und das nur wenige Tage nach Ihren eigenen Klimabeschlüssen beim G-7-Gipfel. Worte und Taten klaffen bei dieser Bundesregierung leider nach wie vor meilenweit auseinander. Geben Sie doch einfach zu, dass es Ihnen egal ist, ob Sie Ihre eigenen Energiewendeziele erreichen oder nicht. Das wäre wenigstens ehrlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
B evor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich den früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, auf der Gästetribüne des Bundestages herzlich begrüßen.
(Anhaltender Beifall)
Lieber Herr Annan, uns ist nicht nur Ihre verdienstvolle Arbeit als Generalsekretär in respektvoller Erinnerung, viele von uns erinnern sich auch gerne an die Rede, die Sie hier im Deutschen Bundestag im Februar 2002 gehalten haben. Wir verfolgen mit nicht geringerem Respekt die Arbeit, die Sie mit Ihrer Stiftung nach dem Ausscheiden aus Ihrem hohen Amt bei den Vereinten Nationen weiter für Frieden und nachhaltige Entwicklung auf sich genommen haben.
Wir wünschen Ihnen einen guten und interessanten Aufenthalt in Berlin und viele aufschlussreiche und informative Gespräche. Seien Sie uns herzlich willkommen.
(Beifall)
Thomas Jurk ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5763320 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |