10.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 121 / Einzelplan 09

Andreas MattfeldtCDU/CSU - Wirtschaft und Energie

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Hubertus Heil, ein bisschen ernsthaft wollen wir schon sein, da wir ja gerade auch bei der Beratung des Haushalts des Wirtschaftsministeriums feststellen konnten, dass die Flüchtlingssituation natürlich auch diese Debatte bestimmt hat. Ich glaube, wir sind uns einig, wenn ich sage, dass dieses Thema vor allem ein Wirtschaftsthema ist; denn bei all den zu bewältigenden Problemen kann Zuwanderung für viele Unternehmen eine große Chance bedeuten, eine Chance, dass wir unseren Wohlstand, der auf einer großartigen Wirtschaftsleistung der vergangenen Jahrzehnte aufbaut, auch zukünftig erhalten.

Aber zunächst einmal stellen 800 000 Flüchtlinge eine große Herausforderung dar, vor der wir alle stehen. Zur Wahrheit gehört, dass wir eine solche Anzahl nicht dauerhaft werden bewältigen können. Dass viele Mitbürger in unserem Land angesichts einer solchen Anzahl von Flüchtlingen Ängste haben und sich fragen, wie Bund, Länder und Kommunen die Unterbringung und auch die Integration bewältigen wollen, ist, wie ich glaube, nur allzu verständlich. Nicht alle Mitbürger, die uns kritische Fragen stellen, sind extrem. Mitnichten, viele Mitbürger sind ernsthaft besorgt, sie haben Angst, und wir sollten uns davor hüten – was ich ab und an latent höre –, die Mitbürger, die kritische Fragen aufwerfen, sofort in eine extreme Ecke zu stellen.

Wir als Politik müssen Antworten geben, wir müssen Entscheidungen treffen, gerade auch um Ängsten zu begegnen. Deswegen ist es richtig, dass der Koalitionsausschuss Regelungen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation getroffen hat. Diese müssen wir jetzt sehr zügig umsetzen. Ob die Maßnahmen ausreichend sind, das werden wir heute sicherlich noch nicht bewerten können; das müssen wir später analysieren.

Auch wenn die Wirtschaftspolitik bei diesem Thema nicht federführend ist, so kommt der Wirtschaft in dieser Frage eine besondere Bedeutung zu. Denn nur wenn es gelingt, gemeinsam mit der Wirtschaft das Potenzial und die Motivation der Menschen, die zu uns kommen, zu nutzen, nur dann wird Integration gelingen. Deshalb sage ich ganz deutlich: Für die deutsche Wirtschaft können die Flüchtlinge, von denen nicht alle, aber einige mit guter Ausbildung hierherkommen und die willig sind, sich hier ausbilden zu lassen und zu arbeiten, eine Chance bedeuten.

Wir müssen aber – auch das gehört zur Wahrheit, wenn wir keine dauerhaften sozialen Probleme erleben wollen – erfolgreicher sein als bei den Flüchtlingen, die vor drei Jahren zu uns gekommen sind. Von denen konnten lediglich 12 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ich glaube, wir sind uns einig: Das ist beileibe zu wenig. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass gerade das neue Ausbildungsjahr begonnen hat und auch in diesem Jahr wieder 40 000 Lehrstellen unbesetzt bleiben. Der Fachkräftemangel führt in einigen Betrieben bereits so weit, dass Aufträge abgelehnt werden, dass bestehende Produktionskapazitäten nicht ausgenutzt werden.

Wir sollten aber auch so realistisch sein, zuzugeben, dass wir das Problem des Fachkräftemangels für große Bereiche unserer Wirtschaft nicht ausschließlich durch Flüchtlinge werden lösen können. Deshalb haben wir zur Bekämpfung des Fachkräftemangels zahlreiche Programme, über viele Bundesministerien verteilt, auf den Weg gebracht, die dazu dienen sollen, Fachkräfte im Ausland anzuwerben bzw. die Menschen im Ausland für eine Tätigkeit in Deutschland zu interessieren. Einiges davon ist in dem Einzelplan 09, über den wir heute sprechen, etatisiert. Allein der Titel „Fachkräftesicherung für kleine und mittlere Unternehmen“ ist mit 17 Millionen Euro ausgestattet. In anderen Ressorts sieht es bei solchen Titeln nicht anders aus. Auch dort sind reihenweise Gelder zur Gewinnung von Fachkräften veranschlagt; von den Initiativen der Länder und der Kommunen möchte ich gar nicht sprechen.

Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass wir dem Fachkräftemangel nur zielführend begegnen können, indem wir alle koordiniert vorgehen. Im Moment habe ich den Eindruck, dass zahlreiche Programme nebeneinander laufen, und ich befürchte, dass das Geld größtenteils versickert, weil die eine Hand häufig nicht weiß, was die andere tut. Ich halte es für wünschenswert, diesen Missstand zu beheben. Vielleicht wäre es zielführend, eine zentrale Abteilung einzurichten, in der alle Bestrebungen, die in diese Richtung zielen, national koordiniert werden. Ich bin mir sicher, dass wir dann, vielleicht sogar mit weniger Geld, bessere Ergebnisse erzielen können als bisher, wenn die Zuständigkeit in einem Ministerium gebündelt wird, wenn ein Minister für dieses Thema zuständig ist. Dabei ist mir ganz egal, ob das das Wirtschaftsministerium, das Sozialministerium oder ein anderes Ministerium ist. Wichtig ist, dass wir einen Ort haben, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Ich halte das für zwingend erforderlich, um gerade dem Mittelstand die notwendige Unterstützung bei der Suche nach Fachkräften zukommen zu lassen.

Es mag auch sinnvoll sein, die Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Kreis der Flüchtlinge so zu koordinieren; das nur einmal so als Gedankenspiel, bevor jedes Ministerium im Bereich der Flüchtlinge selbst aktiv wird und nichts koordiniert stattfindet.

Meine Damen und Herren, zu einem anderen Thema, das der deutschen Wirtschaft Bauchschmerzen bereitet. Das ist die wirtschaftliche Situation in China. Die unruhige Börsensituation dort ist natürlich auch an den deutschen Börsen nicht spurlos vorbeigegangen. Noch vermag hier niemand abzusehen, welche Auswirkungen die Vorgänge in China auf die Weltwirtschaft und somit auch auf die deutsche Wirtschaft haben werden. Einige befürchten jetzt schon – das sind die Pessimisten –, dass die nächste Wirtschafts- und Finanzkrise ausbrechen könnte. Ich persönlich sehe das nicht so pessimistisch. Ich bin mir vielmehr sicher, dass gerade Deutschland, aber auch große Teile Europas wirtschaftlich stark genug sind, um ein Abkühlen des Wirtschaftsklimas in China, welches vielleicht sogar wirtschaftspolitisch nachvollziehbar ist, zu verkraften. Wir sollten nicht vergessen, dass China auch bei einer Abkühlung des Wirtschaftsklimas immer noch ein sehr hohes Nachfragepotenzial für unsere deutschen und unsere europäischen Unternehmen hat.

Meine Damen und Herren, es sieht gut aus für die deutsche Wirtschaft. Damit dies auch so bleibt, unterstützen wir mit diesem Haushalt den Mittelstand massiv. So sieht der Entwurf die Bereitstellung von Fördergeldern in Höhe von 781 Millionen Euro vor, die im Zuge von Förderprogrammen wie dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand – übrigens, Herr Gambke, das machen wir schon selber, das setzen wir wieder auf den alten Stand; da können Sie sicher sein –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD –  Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Gott sei Dank!)

und ähnlichen Programmen ausgezahlt werden. Das ist eine enorme Summe. Dabei belassen wir es aber nicht, sondern es gibt auch noch eine Reihe von Dienstleistungen, die der Bund mittelständischen Betrieben anbietet.

Ich möchte hier exemplarisch die Arbeit der Außenhandelskammern nennen, für die auch in diesem Haushaltsentwurf 40 Millionen Euro vorgesehen sind. Die Außenhandelskammern bieten uns Mittelständlern – ich darf das in meinem Betrieb häufig erleben – große Hilfe, wenn wir unsere Produkte im Ausland vermarkten wollen. Gerade Mittelständler sind auf das Know-how unserer Außenhandelskammern angewiesen, wenn ein neuer Markt im Ausland erschlossen werden soll. Die Außenhandelskammern unterstützen häufig eben nicht nur in rechtlichen Fragen, sondern sie können auch die Marktsituation in den jeweiligen Ländern häufig besser abschätzen, als wir in Berlin das können.

Mit Stolz kann auch die Luft- und Raumfahrtindustrie auf die vergangenen Jahre zurückblicken, Herr Kollege Claus. Sie hat sich zu einem festen Beschäftigungs- und Innovationsfaktor entwickelt. Sie erhält – Sie haben recht, das ist eine große Summe – 1,6 Milliarden Euro, also einen erheblichen Anteil an Mitteln aus dem Einzelplan 09. Diese Investition zahlt sich besonders in der Luftfahrt aus. Erst kürzlich hat Airbus erneut erfolgreiche Abschlüsse vermelden können. Das Unternehmen hat den Konkurrenten Boeing weiter hinter sich gelassen. Die Bestellung von 250 Maschinen des A320neo durch die indische Airline IndiGo zeigt den Erfolg des Unternehmens. Mit ein wenig Stolz dürfen wir sagen, dass auch die Politik mit geschickten Förderinstrumentarien zu diesem Erfolg beigetragen hat. Das führen wir auf einem sehr, sehr hohen Niveau fort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Doch, meine Damen und Herren, wir dürfen auch andere wichtige Industriezweige nicht vernachlässigen. Der Tourismus ist eben angesprochen worden. Ich spreche jetzt über den Bereich der maritimen Wirtschaft, die erhebliche Chancen birgt. Von der maritimen Wirtschaft profitieren nicht nur – das ist häufig ein Trugschluss – küstennahe Standorte. Vielmehr gibt es über die ganze Bundesrepublik verteilt eine ganze Reihe von Produktionsstandorten, die Produkte für die maritime Wirtschaft zuliefern.

Die maritime Wirtschaft stellt heute inklusive der Zulieferindustrie über 400 000 Arbeitsplätze in Deutschland. Das ist schon eine Hausnummer, meine sehr verehrten Damen und Herren! Allerdings spiegelt sich diese Hausnummer im Haushaltsansatz kaum wider. Gemessen an 1,6 Milliarden Euro für Luft- und Raumfahrt sind 50 Millionen Euro für die maritime Wirtschaft sicherlich sehr bescheiden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Deutschland im Bereich der maritimen Technologien noch erhebliches Potenzial und Luft nach oben hat. Wir sollten in den anstehenden Beratungen überlegen, ob wir mit klugen Entscheidungen zugunsten der maritimen Wirtschaft noch in diesem Haushalt dafür Sorge tragen, noch erfolgreicher zu agieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als letzter Redner möchte ich damit schließen: Ich freue mich auf interessante und konstruktive Haushaltsberatungen in diesem Jahr. Auch in diesem Jahr lade ich die Opposition wieder dazu ein, konstruktiv daran mitzuwirken. Ich bin sicher, wir werden dann, wie schon in den vergangenen Jahren, auch in diesem Jahr einen erfolgreichen Haushalt verabschieden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Der Kollege Mattfeldt ist allerdings heute nicht der letzte Redner; da muss ich Sie jetzt enttäuschen.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Aber der letzte Redner in dieser Debatte!)

Zu diesem Einzelplan jedenfalls liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Einzelplan 30.

(Unruhe)

– Ich darf dann die Herren bitten, ihre Plätze einzunehmen. Wer noch dringenden Gesprächsbedarf hat, der kann vielleicht außerhalb des Plenarsaals weitersprechen.

Für die Bundesregierung erhält jetzt das Wort Bundesministerin Dr. Johanna Wanka.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5763626
Wahlperiode 18
Sitzung 121
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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