Mark HelfrichCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte über den Einzelplan 11 des Haushaltes des Ressorts „Arbeit und Soziales“ zeigt eines ganz deutlich: Die unionsgeführten Bundesregierungen der vergangenen Jahre unter Angela Merkel haben nachweislich eine gute Arbeit geleistet.
Wir haben mit einer gezielten Wachstumspolitik die Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt. Wir haben den Bundeshaushalt konsolidiert und legen das zweite Mal in Folge einen ausgeglichenen Haushaltsplan vor. Wir haben bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Schaffung von Beschäftigung beeindruckende Erfolge vorzuweisen.
Fast 43 Millionen Männer und Frauen sind heute erwerbstätig. Das ist Rekord seit der deutschen Wiedervereinigung. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat gegenüber dem Vorjahr noch einmal um eine halbe Million zugenommen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist EU-weit auf dem niedrigsten Level überhaupt.
Unsere Arbeitnehmer haben mehr Geld in der Tasche. Die Reallöhne sind seit Beginn der statistischen Aufzeichnung im Jahre 2008 im letzten Jahr am stärksten gestiegen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt spiegelt sich auch in den öffentlichen Kassen wider.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Sozialversicherungssysteme haben gesunde Polster. Allein im ersten Halbjahr 2015 ergab sich noch einmal ein Plus von 3,7 Milliarden Euro.
Ich will an dieser Stelle auch nicht verhehlen, dass unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 grundlegende Weichenstellungen dafür vorgenommen worden sind. Das will ich hier auch ausdrücklich anerkennen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Unsere gute Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage darf uns aber nicht den Blick auf die vor uns liegenden politischen Herausforderungen verstellen. Diesen trägt der Einzelplan 11 mit Ausgaben in Höhe von voraussichtlich 130 Milliarden Euro Rechnung.
Lassen Sie uns zurückschauen: Auf den Tag genau heute vor 51 Jahren, am 10. September 1964, wurde der Portugiese Amando Rodrigues de Sá bei seiner Ankunft in Köln-Deutz als millionster Gastarbeiter begrüßt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Er hat ein schönes Moped dafür gekriegt!)
– Ja, in der Tat. – Er kam, weil er sich im „Land des Geldes“, wie er es ausdrückte, als Tischler bessere Verdienstmöglichkeiten erhoffte.
Die meisten der sogenannten Gastarbeiter aus den südeuropäischen Ländern kamen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns, und sie blieben mit ihren Familien. Sie haben gearbeitet, Steuern gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt und sogar Unternehmen gegründet. Auf diese Weise haben sie zum deutschen Wirtschaftswunder beigetragen, und sie sind Teil unserer Gesellschaft geworden.
Heute leben wir wieder in Zeiten, in denen Menschen ihre Heimat verlassen und zu uns kommen. Die Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise wird für die nächsten Jahre die wichtigste politische Herausforderung unseres Landes sein. Die Erfahrungen aus unserer Vergangenheit sollten wir uns bei der Integration der jetzt zu uns kommenden Menschen zunutze machen.
Wir beraten heute diesen Bundeshaushalt im Zeichen einer Völkerwanderung. Ich glaube, dieses Wort ist in Anbetracht dessen, was wir erleben, nicht zu hoch gegriffen. Dabei wird der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wie kein anderer von der steigenden Zahl von Asylsuchenden betroffen sein.
Die bisher veranschlagten Mittel für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nach derzeitigem Stand – wir haben hier eine große Dynamik; deswegen kann man nur sagen: nach derzeitigem Stand – im Jahr 2016 um mehr als 2 Milliarden Euro ansteigen. Das umfasst Hartz-IV-Leistungen auf der einen Seite und den Bereich der Arbeitsförderung und der beruflichen Integration von Zuwanderern auf der anderen Seite.
Nach Feststellung des IAB, des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, kommt von den derzeit erwarteten 800 000 Flüchtlingen nur ein kleinerer Teil direkt im Arbeitsmarkt an. Es ist eben nicht so, dass nur gut ausgebildete Ärzte und Ingenieure zu uns kommen, sondern es kommen auch Analphabeten und Menschen ohne Schulabschluss. Auch das gehört zum Gesamtbild dazu. Deshalb werden Flüchtlinge den bevorstehenden Fachkräftemangel vorerst nur bedingt beheben können – um es so zu sagen.
Gleichwohl gilt: Jeder asylberechtigte Flüchtling, der nicht erwerbstätig ist, wird am Ende zu höheren Kosten in unserem Haushalt führen. Das können wir alle miteinander, auch im Sinne der Menschen, nicht wollen. Es geht darum, einer Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Je länger Menschen im Leistungsbezug sind – das wissen wir aus Erfahrung –, umso schwieriger wird es, sie anschließend in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
In Sachen Integration haben wir mit der Verkürzung der Wartefrist für die Arbeitserlaubnis einen ersten Schritt gemacht. Nach drei Monaten kann mittlerweile eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Es geht jetzt darum, die Menschen schnell in Arbeit und Ausbildung zu bringen. Es gibt dafür ein bundesweites Modellprojekt: „Early Intervention“.
(Kerstin Griese [SPD]: Ein gutes Projekt!)
Das Projekt, mit dem qualifizierte und motivierte Flüchtlinge mittels Coaching in Arbeit und Ausbildung gebracht werden sollen, zeigt aber auch eines: Von den gut 800 Teilnehmern sind knapp 8 Prozent tatsächlich in Arbeit und Ausbildung gelangt.
Ein Haupthindernis auf dem Weg – auch das ist kein Geheimnis – sind in der Tat mangelnde Deutschkenntnisse. Insofern müssen wir dort mit Sprach- und Integrationskursen ansetzen, mit Einstiegsprogrammen für Flüchtlinge in Unternehmen, aber auch in Behörden; das sage ich ganz deutlich. Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich, dass ich die Wirtschaft hier ganz klar mit in der Verantwortung und mit in der Pflicht sehe, sich nachhaltig für die Integration von Flüchtlingen zu engagieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, Deutschland erwartet in diesem Jahr circa 800 000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Sie alle vertrauen zu Recht darauf, dass sie nach deutschem Recht und Gesetz eine Chance bekommen. Jeder, der Krieg, Verfolgung und Vertreibung in seiner Heimat entkommen ist und Schutz sucht, kann auf Deutschland zählen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Klar muss aber auch sein, dass niemandem Asyl gewährt wird, der aus rein wirtschaftlichen Gründen hierherkommt, so sehr das in jedem Einzelfall verständlich und nachvollziehbar ist. Die Akzeptanz unseres Asylrechts hängt davon ab, dass wir das Asylrecht ordnungsgemäß anwenden, auch wenn das Asylverfahren nicht das erhoffte Ergebnis bringt.
Nur wenn Recht und Gesetz konsequent angewendet werden, werden die Solidarität der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes anhalten und auch die eine oder andere Angst, das eine oder andere Unbehagen beim Thema Zuwanderung verschwinden. Auch das ist ganz wichtig für das, was wir gemeinsam vor uns haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist auch wichtig, weil Deutschland auf gezielte und qualifizierte Einwanderer angewiesen ist. Deshalb haben wir gemeinsam ein großes Interesse, ein Bild von uns als attraktives Ziel in die Welt zu senden.
Der demografische Wandel ist die zweite große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Es ist heute bereits gesagt worden, dass der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung auf Sicht die 100-Milliarden-Euro-Grenze erreichen wird. Dieser Bundeszuschuss würde dann ungefähr ein Drittel des Bundeshaushaltes ausmachen.
Ein Grund hierfür sind die geburtenstarken Jahrgänge, die demnächst in den Ruhestand gehen. Ein anderer Grund hierfür ist die Rente mit 63, die zur Folge hat, dass die Fachkräfte, die wir so dringend brauchen, schneller in den Ruhestand gehen. Wer jetzt die von der Union geforderte Flexirente infrage stellt, der hat, glaube ich, die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen die Flexirente, um Anreize für längeres Arbeiten zu setzen. Eine weitere Verkleinerung unserer Arbeitskräftebasis kann keine ernsthafte Antwort auf die Situation einer alternden Gesellschaft und eines zunehmenden Fachkräftemangels sein.
Eine letzte Anmerkung: Lange Zeit war der Konflikt um prekäre und atypische Arbeitsverhältnisse ein beherrschendes Thema der Arbeitsmarktpolitik. Ich bin sehr froh darüber, dass das Statistische Bundesamt kürzlich festgestellt hat, dass wir seit 2005 gerade bei diesen Beschäftigungsformen den niedrigsten Wert haben. Nach Angaben der Forscher hängt das mit dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel zusammen. Das verbessert die Position von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das Normalarbeitsverhältnis wird gestärkt, und das ist ein gutes Zeichen.
Vor diesem Hintergrund sage ich auch, dass uns die Herausforderungen, die wir jetzt haben, zeigen, dass wir im Moment im Arbeitsmarkt mehr und nicht weniger Flexibilität benötigen. Auch das sollte uns im Sinne von verantwortungsvollem Handeln die eine oder andere Fragestellung noch einmal neu bewerten lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben zwei gigantische Aufgaben vor der Brust. Mit der zügigen Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt kann es uns mit Glück gelingen, gleichzeitig die Flüchtlingskrise und den demografischen Wandel zu meistern. Die Folgen eines Scheiterns sind nicht auszumalen. Deshalb haben wir jetzt alle gemeinsam die Pflicht, konsequentes Handeln an den Tag zu legen, deutsche Flexibilität neu zu erfinden und vor allem Realitätssinn zu beweisen. Lasst es uns gemeinsam anpacken.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Kerstin Griese von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5764196 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |