Sylvia PantelCDU/CSU - Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Haushalt betrifft all jene Dinge, die der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder abschätzig als „Gedöns“ bezeichnet hat. Wenn wir über Familienpolitik reden, zeigt das Volumen des Haushalts, wie wichtig uns dieses Politikfeld ist. In diesem Zusammenhang, Frau Minister, noch einmal herzlichen Glückwunsch zum kommenden Nachwuchs.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Familienpolitik ist im eigentlichen Sinne Gesellschaftspolitik. Sie befasst sich mit der Grundlage unseres Zusammenlebens in Deutschland. 2016 werden wir dafür über 9 Milliarden Euro ausgeben, also – das hörten wir eben schon – so viel wie noch nie.
Familienpolitik betrifft jede Bürgerin und jeden Bürger mehrfach im Leben. Alles in unserem Land und in unserem Sozialstaat basiert auf der Familie als kleinster Einheit menschlichen Zusammenlebens. Familie ist, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Familie ist, wo Kinder sind, und da sind alle eingeschlossen. Familien zu fördern und zu schützen, ist nach Artikel 6 unseres Grundgesetzes eine der vordringlichsten staatlichen Aufgaben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle, weil es gerade so schön passt, einen anderen Punkt anmerken. In dieser Woche wurde in der ARD erneut über Gender-Mainstreaming und auch über die Frühsexualisierung von Kindern diskutiert. Dass das ein Thema ist, habe ich an der großen Resonanz gemerkt. Dabei ist klar, dass die Erziehung der Kinder Sache der Eltern ist. Sie tragen letztendlich die Verantwortung, in jeder Hinsicht.
Durch unsere Haushaltsausgaben wollen wir Familien ein Familienleben nach ihren Wünschen ermöglichen. Wir müssen sicherstellen, dass Menschen in Deutschland es sich leisten können, eine Familie zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen. 2014 wurden in Deutschland 715 000 Kinder geboren, das sind 33 000 Kinder mehr als noch im Vorjahr. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wollen ein gutes Familienleben, sie wollen Kinder.
Es wäre wissenschaftlich unredlich, steigende Geburtenzahlen auf einzelne Effekte zurückzuführen. Was wir aber sicher sagen können ist, dass das der guten Familienpolitik der unionsgeführten Bundesregierungen in den zurückliegenden Jahren geschuldet ist.
(Ulli Nissen [SPD]: Und einer SPD-Ministerin!)
Es ist anders, als Herr Gysi gestern behauptet hat: Wir haben in Deutschland mittlerweile ein sehr familienfreundliches Klima geschaffen.
Es gibt 40 Millionen Haushalte in Deutschland, über 8 Millionen Haushalte mit minderjährigen Kindern. Dass diese Familien ihren Alltag möglichst flexibel und nach ihren Wünschen gestalten können, ist Ziel unserer Politik.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ja!)
Das Leitbild der Union ist die selbstbestimmte Familie. Die Familien müssen aber auch Zeit für ein Familienleben haben. Daher habe ich mich immer für Maßnahmen wie das Elterngeld und das Betreuungsgeld ausgesprochen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dass jetzt auf der Oppositionsbank gemurrt wird, zeigt nur, dass Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verstanden haben.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es! – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Schlechte Verlierer, würde ich einmal sagen!)
– Nein, lesen Sie es nach. – Dass dem Bund nicht zugestanden wurde, hierfür Mittel aufzuwenden, ist den Zuständigkeiten in unserem föderalistischen System in Deutschland geschuldet. Keineswegs ist das ein Urteil über die familienpolitischen Aspekte unseres Betreuungsgeldes gewesen. Ich würde Ihnen empfehlen, das Urteil zu lesen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Das ist egal, wenn man verliert!)
Sie rufen an anderer Stelle, wann immer Sie können, „Diversity“ und „bunte Republik“. Aber wenn es um die Familie geht, dann wollen Sie die Einheitsfamilie schaffen
(Widerspruch bei der LINKEN und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Mit schwulen Eltern, genau!)
– das ist ihnen überlassen –, eine Pseudofamilie, in der der Staat die Kinder erzieht und die Eltern sich voll auf das Berufs- und Arbeitsleben konzentrieren sollen. So bitte schön nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Was ist denn eine Einheitsfamilie?)
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und orientieren uns an den Bedürfnissen der Familien. Das Elterngeld wurde in diesem Sommer um das Elterngeld Plus ergänzt. Dadurch haben wir eine zusätzliche, noch flexiblere Lösung für Eltern gefunden, die ihre Kinder betreuen und in Teilzeit am Berufsleben teilhaben wollen.
In diesem Jahr haben wir durch das Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ um 550 Millionen Euro aufgestockt. Im ersten Quartal 2015 wurden in Deutschland 700 000 Kinder unter drei Jahren betreut. Die Mehrheit dieser betreuten Kinder wird in Einrichtungen betreut. Die Kindertagespflege bei Tagesmutter oder -vater wird gerade in Ballungsgebieten wie Berlin und Düsseldorf immer beliebter und hat sich als flexible Ergänzung gut etabliert. Wir haben weitere Mittel für den Ausbau der Betreuung vorgesehen. Eine gute und verlässliche Kinderbetreuung ist uns wichtig. Wir schätzen die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher, die täglich Eltern bei ihrem Erziehungsauftrag unterstützen.
Familien leben heute nicht mehr selbstverständlich in mehreren Generationen zusammen unter einem Dach; wir haben das eben schon mehrfach gehört. Dadurch fehlt auch der Erfahrungsaustausch zwischen Jung und Alt.
(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Das ist die Kehrseite der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt!)
Die Mehrgenerationenhäuser bringen Kinder, Eltern, Großeltern und manchmal sogar Urgroßeltern zusammen. Sie sind ein Erfolgsprojekt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Reden Sie einmal mit den Leuten!)
– Ich kenne ein Mehrgenerationenhaus bei mir vor Ort. Dort funktioniert das alles hervorragend. – Wir sichern die Arbeit der rund 450 Mehrgenerationenhäuser für 2016 bundesweit mit 14 Millionen Euro. Aufgrund der guten Vernetzung und durch gute Kooperationen mit Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Wirtschaftsunternehmen gelingt es, zusätzlich ein wichtiges Angebot vorzuhalten und Lücken zu schließen. Es ist erklärtes Ziel der Union, die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser dauerhaft zu sichern.
90 Minuten wurden uns für diese Debatte zur Verfügung gestellt, 90 Minuten, in denen wir den Etat für die Familienpolitik einer Nation mit über 81 Millionen Einwohnern diskutieren sollen
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jede Menge!)
– richtig, das ist jede Menge, wie Sie gerade sagten –, aber in dieser Zeit sind natürlich nicht alle Maßnahmen, die wir hier finanzieren, aufzuführen.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ich habe die Zeit gemeint!)
Deshalb werde ich nur einige erwähnen.
Der Zuzug von Hunderttausenden Flüchtlingen, von denen viele traumatisiert sind, stellt uns vor große Herausforderungen. Das ist ein Zuzug von Menschen, die weder unser Verständnis von Freiheit noch von Grundrechten kennen, von Menschen, denen unsere Kultur, unsere Gebräuche und unser Leben bisher weitgehend fremd waren. Diese Entwicklungen fordern uns nicht nur organisatorisch und finanziell, sondern vor allem auch gesellschaftspolitisch. Selbst der bekanntlich deutlich links von mir stehende Autor Jakob Augstein
(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Geringfügig!)
forderte jüngst im Spiegel , es müsse eine deutliche Leitkultur geprägt werden, um die Integration all dieser Menschen zu sichern, eine Leitkultur, die Menschen ein Vorbild ist, eine Leitkultur, geprägt durch unseren Rechtsstaat. Wir haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung und können unsere Religion frei ausüben, und wir haben das Recht, uns selbst ein auf der eigenen Leistung begründetes Leben aufzubauen. Deshalb wollen auch so viele hierher.
Für die Flüchtlinge gilt: Wer Schutz in unserem Land sucht, wird ihn finden. Aber auch die Schutzsuchenden müssen sich an unsere Regeln halten: Männer und Frauen haben die gleichen Rechte, wir sind vor dem Gesetz gleich, jeder von uns darf seine Meinung frei sagen und an all das glauben, was er oder sie gerade glauben will. Und wir verhüllen nicht unsere Identität. Wir zeigen Gesicht, und das meine ich wörtlich. Daher spreche ich mich hier und heute erneut für ein Verbot der Gesichtsvollverschleierung im öffentlichen Raum aus. Frauen zu zwingen, sich zu verhüllen, widerspricht unserer Auffassung, dass Frauen und Männer gleiche Rechte haben und gleich viel wert sind. Dieser Gleichheitsgrundsatz ist die Basis unseres Rechtssystems und darf nicht wegen falscher Toleranz ausgehöhlt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit den Mitteln, die wir in unserem Haushalt für Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Demokratie und Toleranz vorsehen, sollen die Grundlagen unseres Rechtssystems nähergebracht werden. Demokratieerziehung in Deutschland muss bedeuten, dass unsere Grundrechte Leitbild einer Kultur des guten Zusammenlebens und des gegenseitigen Verständnisses sind. Als ich vor kurzem Grundgesetze verteilt habe, wurde mir wieder bewusst, welche Kraft und Bedeutung unser Grundgesetz für viele hat und wie wichtig gerade jungen Menschen die Einhaltung unserer Grundrechte ist, wie wichtig ihnen Toleranz und Respekt vor den Rechten der Mitmenschen sind.
Auch für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft sind Familien ausschlaggebend. Nur durch starke Familien und die Vielfalt in unseren Familien verhindern wir, dass Kinder empfänglich werden für Extremismus. Hierbei ist es völlig egal, ob wir von Links- oder Rechtsextremismus reden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir heute die Reden der Koalition und der Opposition zum Haushalt des Familienministeriums hören, werden wir Unionspolitiker nicht müde, auf die Investitionen und Errungenschaften unserer Familienpolitik hinzuweisen. Die Damen und Herren der Opposition werden wieder und wieder nach mehr Mitteln und größeren Investitionen in diesem oder jenem Projekt rufen.
Wir wissen, dass jeder Euro mehr, den wir in die Zukunft eines Kindes stecken, eine gute Investition ist. Jeder Euro, der eine Familie entlastet und für ein glücklicheres, selbstbestimmteres Familienleben sorgt, rechnet sich. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir unseren Kindern und Enkeln einen Haushalt ohne Schuldenberge hinterlassen wollen.
Schauen wir in diesen Tagen nach Griechenland: Der 19-jährige Hafenarbeiter in Piräus kann genauso wenig etwas für die Misere, in der sich sein Land befindet, wie die junge Mutter in Thessaloniki, die kaum über die Runden kommt.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum bestrafen Sie sie dann mit Ihrer Politik?)
Als Familienpolitiker muss uns die Griechenland-Krise eine permanente Ermahnung sein, solide zu wirtschaften. Wir schulden unseren Kindern nicht nur gut ausgestattete Systeme, Kitas, Schulen, Familienbetreuung und anderes; wir schulden unseren Kindern und Enkeln eine Zukunft, in der sie nicht die Zinsen für unsere Schulden bezahlen müssen,
(Beifall bei der CDU/CSU)
sondern ihr Leben und die Zukunft ihrer Kinder selbst gestalten können. Deswegen legen wir einen ausgeglichenen Haushalt vor, der die richtigen politischen Schwerpunkte setzt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Sönke Rix für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5765276 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Senioren, Frauen und Jugend |