11.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 122 / Tagesordnungspunkt 1

Roland ClausDIE LINKE - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2016

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst auf die Denkwürdigkeit der Situation eingehen, in der wir diese Beratungen durchführen. Aufmerksame Beobachter dieses Parlaments, also Medienvertreterinnen und -vertreter, die uns schon ein bisschen länger kennen, haben bei der Einschätzung dieser Haushaltswoche den Schluss gezogen, wir hätten sie irgendwie in einem anderen, in einem besseren Klima zustande gebracht. Es ist nicht so, dass die Differenzen nicht wahrgenommen worden wären, aber man hat festgestellt, es habe mehr Achtung vor dem Argument der anderen gegeben. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages auch der Kollege Johannes Kahrs an dieser Verbesserung des Klimas mitwirken wird.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir hatten noch nie eine so große Differenz zwischen der Kabinettsentscheidung zum Bundeshaushalt – das war im Juli – und der Einbringung im Parlament. Das ist natürlich kein Vorwurf, weil hier auf die veränderte Dynamik der gesellschaftlichen Bedingungen reagiert werden musste. Es ist auch an uns gemeinsam, an das Parlament, die Aufgabe gestellt, diese veränderten Bedingungen, diese enorm gestiegene Dynamik als Herausforderung wahrzunehmen und anzunehmen. Wenn wir das gut machen, können wir dieser Verantwortung auch entsprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe mir noch einmal genau durchgelesen, was Bundesminister Schäuble am Dienstag gesagt hat. Er hat es freundlicherweise hier noch einmal zitiert. Er hat gesagt:

Deshalb hat die Bewältigung dieser anspruchsvollen Aufgabe

– also der Flüchtlingssituation –

absolute Priorität.

Dann kam der Satz:

Dem haben sich dann andere Ausgabenwünsche unterzuordnen.

Ich habe mir gesagt: Was soll denn ein Finanzminister anderes sagen, als einen solchen Satz? Auf der anderen Seite halte ich das für das Parlament für ziemlich bedenklich, weil wir natürlich von unserem Königsrecht Gebrauch machen wollen, hier Veränderungen einzubringen und gesellschaftliche Veränderungen widerzuspiegeln. Auch hier kann es nicht darum gehen, dass nur der eine oder der andere recht hat. Auch hier ist es eine Frage der Balance, eine Frage von Maß und Mitte.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir natürlich trotz dieser mahnenden Hinweise, die wir eben wieder gehört haben, wahrscheinlich als Einzige einbringen, ist die Thematisierung der Einnahmenseite. Es ist in dieser Woche vielfach von der gewachsenen sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft geredet worden. Die Tatsache, dass die Gruppe der Menschen mit dem größten Reichtums- und Vermögenszugang – also die oberste Schicht – zwar immer kleiner, aber immer reicher wird, hat doch unter anderem auch etwas mit der Verfasstheit unserer Erbschaftsteuer zu tun.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

Insofern können Sie sich auch nicht mit noch mehr Ungerechtigkeiten in anderen Ländern herausreden, Herr Bundesfinanzminister. Wir sagen deshalb: Markenzeichen linker Haushaltspolitik sind nicht neue Schulden, sondern ist eine gerechte Steuerpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich werden wir noch einige Veränderungen am Bundeshaushalt vorschlagen. Nur wenige Beispiele – über den sozialen Wohnungsbau haben die Kolleginnen und Kollegen von der SPD schon gesprochen –: Ich habe heute Morgen kritisiert, dass von den 4,5 Milliarden Euro aus der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen nur ein relativ kleiner Teil in den Breitbandausbau gehen soll. Das können wir nicht akzeptieren. Wir werden uns hier für Veränderungen einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

In wenigen Tagen werden wir über 25 Jahre deutsche Einheit sprechen. Wir werden anschauen, was gelungen ist, aber auch darauf aufmerksam machen, dass wir es nach wie vor mit großen Unterschieden zu tun haben, dass im Osten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt doppelt so viele Menschen im Niedriglohnsektor, in der Zeitarbeitsbranche oder befristet beschäftigt sind und dass das Kaufkraftvermögen noch weit auseinanderklafft.

In dieser Situation verstehe ich die Bundesregierung an einer Stelle überhaupt nicht. Welche Reaktion soll denn jetzt dieser komische und unverständliche Vorschlag auslösen, die Hartz-IV-Bezüge um 5 Euro zu erhöhen? Da geht es Ihnen doch nicht anders als mir: Ich halte sehr viele meiner Sprechstunden im öffentlichen Raum ab. Ich werde am Montag auf dem Marktplatz von Naumburg ein Argument hören, das mir nicht passt, das aber natürlich kommen wird. Man wird mir sagen: Ihr habt die ganze Woche über Flüchtlinge geredet. Da habt ihr das Geld, aber für uns, die Ärmsten im eigenen Land, habt ihr es nicht. – So eine unsensible Politik ist doch regelrecht Wasser auf die Mühlen der ganzen „-gidas“ und dieser schrägen Truppen. Das müssen Sie wirklich unbedingt korrigieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will zum Schluss noch sagen, was mich in dieser Woche persönlich sehr bedrückt hat. Wir schreiben heute den 11. September, 9/11. Wir haben vor 14 Jahren hier im Saal zuerst den Atem angehalten und dann die Plenardebatte. Ich werde auch nie vergessen, wie schwierig es für mich war, vor 14 Jahren genau an diesem Rednerpult als Fraktionsvorsitzender der PDS deren Position vorzutragen. Es ging zum einen darum, unsere Glaubwürdigkeit der Trauer um die Opfer niemals in Zweifel zu ziehen, auf der anderen Seite aber darum, darzustellen, warum wir uns der Aufforderung des Kanzlers Schröder zur uneingeschränkten Solidarität eben nicht anschließen wollten. Wir haben damals gesagt, dass Krieg die falsche Antwort auf den Terror wäre. Wir haben auch gesagt: Jetzt wird sich zeigen, wie zivilisiert die zivilisierte Welt wirklich ist.

Gregor Gysi hat hier am Mittwoch auf die PDS-Position zum Afghanistan-Krieg hingewiesen. Es wurde mit ziemlich viel Häme quittiert. Nun hat das unser Fraktionsvorsitzender, wie er es gerne so macht, etwas forsch getan. Aber ich will hier ausdrücklich sagen: Wenn wir diese historische Differenz hervorheben, dann geht es uns, meine Damen und Herren, nicht um Rechthaberei. Es geht uns aber sehr wohl darum, historische Lehren aus historischen Taten, aus parlamentarischen Entscheidungen zu ziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sage ich Ihnen: Es ist nun an der Zeit, Kriegsbeteiligungen und Waffenexporte einzustellen. Das wäre die Lehre aus der begonnenen großen Flüchtlingsbewegung. Das wäre auch die Lehre aus 9/11.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Petra Hinz von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5770455
Wahlperiode 18
Sitzung 122
Tagesordnungspunkt Schlussrunde Haushaltsgesetz 2016
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