23.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 123 / Zusatzpunkt 2

Claudia Roth - Aktuelle Stunde zur Antwort der Bundesregierung auf Frage 15

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Ströbele, Sie können sicher sein, dass uns die Ereignisse in Mexiko nicht kalt lassen.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon haben wir aber nichts gesehen!)

– Sorry! Langsam, langsam! – Dass die Verquickung mit Mafia bzw. Kriminellen einer Demokratie unwürdig ist, wird, glaube ich, in diesem Hause hier niemand bestreiten.

Trotzdem muss man festhalten: Mexiko ist normalerweise ein demokratisch verfasstes System. Es finden Wahlen statt, es gibt eine Armee, die einer demokratischen Kontrolle untersteht, und es gibt Polizeieinheiten, die einer demokratischen Kontrolle unterstehen. Dass es in Mexiko eine Verquickung zwischen all diesen mit den Kriminellen gibt, ist natürlich ein Riesenproblem. Das ist leider nicht nur in Mexiko so, sondern es gibt in der ganzen Welt viele Länder, wo wir das Gleiche finden. Dass bei diesen Massakern, Entführungen und Morden möglicherweise deutsche Waffen eine Rolle gespielt haben, ist wirklich sehr bedauerlich. Das ist überhaupt keine Frage. Aber Sie können das doch nicht in Zusammenhang mit uns bringen und so tun, als ob Deutschland ein Ausrüster für Gangster in der Welt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

So stellen Sie das hier dar.

(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie haben es auf den Punkt gebracht!)

Der Herr van Aken nutzt solche Vorfälle, um daraus einen Skandal zu machen. Herr van Aken, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Ihre Parteivorgänger – das ist noch nicht lange her; wir feiern dieses Jahr 25 Jahre deutsche Einheit –, Ihre Vorgänger in der SED, waren die größten Waffenhändler in der Welt. Diese haben zwischen gerechten und ungerechten Kriegen unterschieden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie aber auch!)

Wer einen gerechten Krieg führte, wurde mit Waffen ausgerüstet, so war die Definition. Wer einen ungerechten Krieg führte, wurde bekämpft. Diese damaligen Machenschaften verliefen ohne jegliche demokratische Kontrolle.

Man kann schon sagen: Wir sind jetzt viel weiter. Die Rüstungsexportkontrolle in Deutschland geschieht auf der Grundlage einer klaren Gesetzlichkeit. Die Grundsätze dafür haben Sie mitentwickelt, Herr Ströbele.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden aber nicht eingehalten!)

Das sind die Grundsätze aus der rot-grünen Regierungszeit.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sie uns doch als Gesetz verabschieden!)

Insofern kann das, was wir in Deutschland machen, nicht so schlecht sein.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden nicht eingehalten!)

– Sie werden eingehalten. Ich meine, die Staatsanwaltschaft wird in diesem Falle sehen, ob möglicherweise Gesetzesverletzungen zu verzeichnen sind oder nicht.

Ich möchte die andere Seite Deutschlands hervorkehren, die überhaupt nie eine Rolle spielt. Deutschland ist einer der größten Abrüster in der Welt. Das wird immer völlig vergessen und nirgendwo diskutiert. Aktuelles Beispiel ist die Streumunition. Diejenigen, die sich mit dem Thema befassen, kennen das genau: Deutschland hatte die größten Mengen an Streumunition in seinen Lagern liegen und hat – vorfristig – gemäß der UNO-Konvention die gesamte Streumunition vernichtet. Russland, China, Brasilien und andere Länder haben die Konvention noch nicht einmal unterschrieben.

Ich erinnere auch an die Vernichtung der Giftgasbestände aus Syrien. Das war ein großer Beitrag für die Region, der dazu diente, dem syrischen Regime die Giftgaswaffen aus der Hand zu nehmen. Deutschland war sofort und an vorderster Stelle mit dabei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich denke an die Abrüstung der russischen Atom-U-Boot-Flotte. Mehrere 100 Millionen Euro haben wir in das Projekt gesteckt, damit russische U-Boote die Welt nicht mehr unsicher machen können. Ich denke auch an den zivilen Aufbau in Afghanistan, der uns sehr viel Geld gekostet hat und der Friedenssicherung unter militärischem Schutz gedient hat.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 50 Prozent sind in die Korruption gegangen!)

Wissen Sie, man muss all das im Zusammenhang sehen. Ich komme auf das Beispiel zurück, das Kollege Pfeiffer angeführt hat und bei dem Sie gesagt haben: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Flüchtlingsströmen und der Rolle Deutschlands in der Welt. – Natürlich ist das so.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!)

Wenn wir in Somalia versuchen, einen zusammengebrochenen Staat wieder aufzubauen, ihm wieder zu staatlicher Macht zu verhelfen – das Gleiche gilt auch für Mali und andere Länder in der Welt –, dann heißt das natürlich: Wenn man Streitkräfte oder eine Polizei aufbauen will, dann muss man diesen Menschen eine Waffe geben. Sie können natürlich mit Holzstöcken losgehen; das ist klar. Dann haben sie aber keine Chance gegen die Kriminellen. Sie brauchen einfach Waffen. Leider – das ist nun einmal so – muss jemand die Ausrüstung bereitstellen. Deutschland liefert Waffen in die Welt; gar keine Frage. Aber die Grundsätze, nach denen diese Waffenexporte genehmigt werden, sind die schärfsten und härtesten in der Welt; das wissen Sie ganz genau.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Deswegen wird auch so viel exportiert!)

Ich sage zusammenfassend: Die Sache mit den Waffenlieferungen nach Mexiko ist für alle erschütternd. Aber, Herr van Aken, sie kann nicht dazu dienen, die Rolle Deutschlands zu skandalisieren; das möchte ich Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Lämmel. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist Frank Schwabe für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5842814
Wahlperiode 18
Sitzung 123
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Antwort der Bundesregierung auf Frage 15
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