Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Regierungserklärung zum Informellen Treffen der EU-Regierungschefs und zum VN-Nachhaltigkeitsgipfel
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben in diesen Tagen immer wieder aufs Neue eine überwältigende Hilfsbereitschaft, eine überwältigende Solidarität von vielen Menschen im Land: in den Hilfsorganisationen, von Mitarbeitern von Behörden, in den Kirchen, von Privatmenschen, von den Sicherheitskräften, bei der Polizei, bei der Bundeswehr und vielen anderen Einrichtungen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die ich in meiner Heimat unmittelbar gemacht habe, darf ich sagen: Diese Hilfsbereitschaft und der Einsatz der Beamten sowie der Mitarbeiter der Organisationen ist in Bayern ganz besonders gefragt und ganz besonders ausgeprägt gewesen; Sie haben das alles mitbekommen. Bayern war in den letzten Wochen verstärkt gefordert. Die bayerische Bevölkerung hat hervorragend gearbeitet und hervorragend reagiert. Ich danke dafür sehr herzlich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bevölkerung schon! Im Gegensatz zur Staatsregierung! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Die Staatsregierung war spitze! Die Staatsregierung war die ganze Zeit am besten!)
– Lieber Herr Hofreiter, die Staatsregierung hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass das alles hervorragend organisiert, durchgeführt und rechtsstaatlich ausgerichtet wurde. Auch das gehört in diesem Kreis einmal gesagt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Staatsregierung ganz sicher nicht! Stadt München zum Beispiel!)
Zur Wahrheit über die Situation im Land gehört aber auch, dass sich die Menschen – zu Recht – fragen: Wie viel können wir noch schultern? Ist unsere Integrationskraft an der Grenze? Zur Wahrheit gehört, dass wir organisatorisch, personell und in manchen Bereichen auch finanziell an der Grenze angelangt sind.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: 21 Milliarden Mehreinnahmen!)
Deshalb muss klar sein: Diese große Aufgabe der Bewältigung der Flüchtlingsströme kann nicht nur mit nationalen Anstrengungen bewältigt werden, sondern das ist eine globale Aufgabe, der sich alle Europäer in globaler Verantwortung widmen müssen und für die globale Antworten gefunden werden müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist gut – das ist der richtige Zeitpunkt –, dass an diesem Wochenende der Gipfel der Vereinten Nationen stattfindet, auch wenn dort nicht nur diese Frage im Mittelpunkt stehen wird. Wenn wir Fluchtursachen bekämpfen wollen und eben nicht nur Symptome kurieren wollen, dann müssen wir uns alle miteinander weltweit um eine nachhaltige Entwicklung in allen Teilen der Welt kümmern. Deshalb ist dieser Gipfel von ganz besonderer Bedeutung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dass sich gestern die Staats- und Regierungschefs und am Tag zuvor die Innenminister auf europäischer Ebene intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt und intensiv um Lösungen gerungen haben, wenigstens um Teillösungen, und dabei auch einiges erreicht haben, macht deutlich: Das geht nicht nur mit nationalen Anstrengungen. Europa ist hier in besonderer Weise gefordert. Ich unterstreiche ausdrücklich das, was Volker Kauder vorhin gesagt hat: Europa darf sich nicht nur mit allem möglichen Kleinkram beschäftigen. Wenn wir uns so manche EU-Richtlinie und so manches Vertragsverletzungsverfahren anschauen, müssen wir sagen, dass vieles davon angesichts der Probleme, die wir heute zu bewältigen haben, Kleinkram ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Europa muss sich um die Sicherheit Europas, um die Bewältigung der Flüchtlingsströme, um die Sicherheit der Menschen in den Krisengebieten und außenpolitisch um die Bekämpfung der Fluchtursachen und nach Möglichkeit auch um die Beseitigung der Krisen kümmern.
Dazu ist es notwendig, mit allen zu reden, offiziell, in den Gremien, aber auch unter uns, auf Parteiveranstaltungen und in Fraktionsgremien. Deshalb war und ist es auch richtig, dass die bayerische Landtagsfraktion der CSU mit Viktor Orban gesprochen hat.
(Zuruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD])
Er ist ein Hauptbetroffener an der Außengrenze zu Europa. Wenn wir mit den Leuten nicht reden, wie sollen wir dann die Probleme gemeinsam lösen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Er ist das Problem! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Vielleicht sprechen Sie einmal mit der griechischen Regierung! Da kommen noch viel mehr Menschen an!)
Das Gleiche gilt natürlich für andere Situationen. Wir haben vorhin viel über die Situation in Syrien gehört. Insgesamt sind 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, 12 Millionen allein in und um Syrien. Fünf Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges dort ist es an der Zeit, den außenpolitischen Stillstand zu überwinden. Alle müssen an einen Tisch. Ich bin sehr dankbar dafür, dass dies auch von einer ganzen Reihe von Europäern erkannt wird, dass Initiativen ergriffen werden, dass miteinander gesprochen wird, dass miteinander gerungen wird, um nicht nur in dem Land, sondern in der gesamten Region Frieden zu erreichen. Ich weiß auch, und wir alle wissen, dass das nicht von heute auf morgen geht, dass das nicht schnell geht, dass wir einen langen Atem dazu brauchen, aber ein Stillstand der Gespräche wird mit Sicherheit nicht zur Lösung der Probleme führen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
95 Prozent der syrischen Flüchtlinge leben noch irgendwo dort in der Region; sie sind in Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien untergebracht, und zwar zum Teil unter katastrophalen Zuständen. Es ist vorhin angesprochen worden: Die Mittel beim Welternährungsprogramm sind reduziert worden. Es ist dringend notwendig, es ist ein Gebot der Moral, hier aufzustocken und mit zusätzlichen Mitteln im Welternährungsprogramm, aber auch mit einer Winterhilfe angesichts des jetzt nahenden Herbstes und Winters zu helfen. Auch hier hat die Europäische Union gestern meines Erachtens die richtigen Zeichen gesetzt.
Es geht aber auch darum, dass wir nicht nur in den Flüchtlingslagern, sondern auch in den Krisengebieten insgesamt Zeichen dafür setzen, dass die Menschen dort bleiben können. Es ist ein Gebot der Moral, diesen Menschen dort in den Flüchtlingslagern zu helfen, und es ist meines Erachtens ein Gebot der Klugheit, alles zu tun, dass die Menschen in ihrer Heimat oder zumindest in der Nähe ihrer Heimat, in ihrem Kulturkreis bleiben können und nicht den weiten Weg woandershin gehen, wo sie dann in fremden Kulturen und fremden Gebieten völlig neu beginnen müssen, wenn sie überhaupt dort ankommen und beginnen können. Das ist ein Gebot der Klugheit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb möchte ich dem Bundesentwicklungsminister herzlich dafür danken, dass er mit einem neuen Infrastrukturprogramm in den Flüchtlingsgebieten dafür ein Zeichen gesetzt hat und setzt. Dadurch gibt es dort neue Programme, die es ermöglichen, dass Zigtausende Kinder in die Schulen kommen, die es ermöglichen, dass die Stromversorgung und die Wasserversorgung für Hunderttausende von Menschen in diesen Gebieten wieder gesichert sind, die es ermöglichen, dass Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das können Sie nicht alles mit 1 Milliarde Euro machen!)
Das alles trägt dazu bei, dass die Menschen in ihrer Heimat oder in der Umgebung ihrer Heimat bleiben können und dort auch mithelfen können, ihre Heimat wieder aufzubauen. Auch das ist weltpolitische Verantwortung, ist humanitäre Verantwortung, ist Verantwortung für die Menschen dort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben in den letzten zwei Wochen intensiv daran gearbeitet, auch bei uns unsere Hausaufgaben im Zusammenhang mit diesem Problem zu machen. Ich finde, dass Gutes auf den Weg gebracht wurde, immer mit dem Grundgedanken bzw. mit der doppelten Aufgabe, zum einen im Zeichen von Humanität und Solidarität für eine menschenwürdige Versorgung der Menschen, die zu uns kommen, zu sorgen, und zum anderen aber auch deutlich zu machen, dass wir nicht alle Probleme dieser Welt auf deutschem Boden lösen können und dass diejenigen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, nach einem rechtsstaatlich sauberen Verfahren wieder in ihre Heimat zurückkehren sollten und dies auch von den Ländern so praktiziert werden muss. Der Bund hat jetzt die Weichen für schnellere Verfahren und alles, was dafür notwendig ist, gestellt. Er wird auch die Weichen dafür stellen, dass die Kommunen und die Länder bei der Bewältigung dieser Aufgabe nicht alleine gelassen werden, meine Damen und Herren. Das haben wir in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, und das werden wir auch künftig tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das, was wir heute leisten, was unsere Gesellschaft leistet, können wir deshalb leisten, weil wir stark sind: stark durch eine solide Haushaltspolitik, stark durch eine solide Investitionspolitik, stark durch Mitmenschlichkeit, stark durch eine hohe Stabilität unserer Gesellschaft und unseres Landes insgesamt. Damit wir in der Zukunft stark bleiben, ist es aber notwendig, auch die Grenzen der Integrationskraft zu sehen und klar zu erkennen, dass wir nicht die Probleme der ganzen Welt bei uns lösen können, sondern auch alles tun müssen, um Gerechtigkeit, sowohl bei uns als auch in Europa, walten zu lassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort erhält die Kollegin Claudia Roth für die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5847684 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Informellen Treffen der EU-Regierungschefs und zum VN-Nachhaltigkeitsgipfel |