24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 124 / Tagesordnungspunkt 4

Gabriele Hiller-OhmSPD - Befristete Arbeitsverhältnisse

Loading Interface ...
Login or Create Account






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, auch auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken! Bei Ihren vorliegenden Anträgen fühle ich mich an einen Song von Cindy & Bert erinnert,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach, wie süß!)

den Sie sicherlich alle noch kennen werden:

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, klar!)

Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Ernsthaft! Ist das Ihre Reaktion auf das Thema? – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist für die SPD anscheinend notwendig, immer wieder daran zu erinnern!)

Nun ist heute nicht Sonntag, aber Ihr Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, scheint es zu sein, mit ständig ähnlichen Anträgen zum selben Thema einen Ohrwurm zu kreieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Singen Sie doch mal! Vorsingen!)

Wir schließen heute einen Antrag zu befristeten Arbeitsverhältnissen ab, und, schwupp, Herr Ernst, liegt uns schon der nächste in erster Lesung vor.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Darauf können Sie sich verlassen! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bis ihr was lernt!)

So machen Sie es seit mehr als einem Jahr. Wir diskutieren immer wieder über dasselbe Thema – im Plenum, in den Ausschüssen. Alle Argumente sind bereits ausgetauscht

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Wir können uns das auch sparen, wenn Sie zustimmen würden!)

und die Positionen der einzelnen Fraktionen klar.

Ihr neuer Antrag trägt nun den Titel „Kettenbefristungen abschaffen“.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Idee!)

Das werden wir heute leider nicht hinbekommen, aber möglicherweise würde es eine Zustimmung geben zu der Forderung „Kettenanträge abschaffen“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tätä, tätä, tätä!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle kennen die Fakten. Sie haben sich seit der letzten Debatte wenig verändert: Knapp die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird heute nur noch befristet eingestellt. Jüngere Menschen und Frauen sind davon besonders betroffen. Sehr häufig geschieht diese Befristung sogar ohne jegliche sachliche Begründung. Die Beschäftigten wissen oft bis zum letzten Arbeitstag nicht, ob es für sie im Betrieb weitergeht oder ob sie auf der Straße landen werden. Das ist unwürdig. Das finden wir falsch.

(Beifall bei der SPD – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja, dann machen Sie etwas dagegen! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Regiert ihr, oder appelliert ihr?)

Deshalb stimmen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem grundsätzlichen Ziel der vorliegenden Anträge der Linken, die Befristungsregelungen zu verändern, inhaltlich durchaus zu.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach!)

Weil das so ist, haben wir in der letzten Legislaturperiode, bereits im Mai 2010,

(Katja Kipping [DIE LINKE]: „Letzte“! Wir sind jetzt schon weiter!)

genau zu diesem Thema einen Antrag vorgelegt mit dem Titel „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befristung“.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber jetzt seid ihr doch an der Regierung! Jetzt können Sie es doch tun!)

Das war übrigens deutlich vor den Initiativen der Linken und der Grünen. Sie sehen daran: Das Thema ist uns wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie können sich aber nicht durchsetzen gegen die Union, oder was?)

Deshalb haben wir es auch in unserem Wahlprogramm verankert. Ich zitiere:

Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wird ja immer schlimmer!)

den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gilt nach wie vor. Das ist die SPD‑Position.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das nützt aber nichts! Wenn ihr in der Regierung seid, macht ihr es nicht!)

– Das möchte ich Ihnen gerne beantworten.

In einer Koalition ist es leider nicht möglich, alle Wünsche und Forderungen eins zu eins umzusetzen. Man ist zu Kompromissen verdonnert. An dieser Stelle mussten wir in den sauren Apfel beißen. Wir haben das getan, weil es zum Glück Licht am Ende des Befristungstunnels gibt. Befristete Verträge sind wegen der guten Konjunktur rückläufig.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Klang bei Herrn Ernst anders!)

Trotzdem sind Befristungen für viele Beschäftigte nach wie vor meist Mist.

Zu welchen Extremen Befristungen führen können, haben wir hier schon mehrfach debattiert. Da haben wir die Postbotin mit sage und schreibe 88 befristeten Verträgen in 17 Jahren. Solche Kettenbefristungen sind mit Sachgründen – beispielsweise Elternzeit oder Krankheitsvertretung – also durchaus möglich. Richtig und nötig ist so etwas aber auf gar keinen Fall, schon gar nicht in großen Unternehmen wie bei der Post.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sollten Befristungsgründe enger gefasst werden, um gegen Missbrauch besser vorgehen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken und auch der Grünen, es lohnt ein differenzierter Blick auf die Zahlen. Es ist schließlich nicht so, dass wir in Deutschland nur noch befristete Arbeitsverhältnisse hätten.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat, glaube ich, auch niemand gesagt!)

Je nach Quelle und Berechnungsmethode sind dies 8 bis 10 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss: Über 90 Prozent der Beschäftigten haben ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, der Titel Ihres Antrags – „Das unbefristete Arbeitsverhältnis zur Regel machen“ – ist also Gott sei Dank zu über 90 Prozent Realität in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Glück nähern wir uns immer weiter den 100 Prozent an. Sie können das nachlesen in einer Pressemitteilung vom 21. August, die das Statistische Bundesamt herausgegeben hat. Sie lautet: „Normalarbeitsverhältnisse nehmen an Bedeutung zu.“ Dies belegt auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken vom 20. August dieses Jahres. Daraus geht hervor, dass die Zahl der Übernahmen aus befristeter Beschäftigung in unbefristete Arbeitsverhältnisse steigt. Gott sei Dank.

Trotzdem würden wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen die sachgrundlose Befristung gerne abschaffen und die Auswüchse bei befristeten Verträgen mit Sachgrund angehen. Leider sind uns hierbei jedoch zurzeit die Hände gebunden.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind freie Abgeordnete!)

Deshalb, meine Kolleginnen und Kollegen von der Linken, werden wir Ihren Initiativen auch nicht zustimmen.

Nun bedeutet eine Koalition zum Glück nicht Stillstand auf Teufel komm raus. Deshalb gibt es im Hinblick auf die Befristungen zumindest im Wissenschaftsbereich durchaus Bewegung in unserer derzeitigen politischen Lebensabschnittspartnerschaft mit der CDU/CSU. Wir konnten das Vorgehen gegen den Befristungsmissbrauch in der Wissenschaft im Koalitionsvertrag verankern. Diese Vereinbarung lösen wir jetzt ein. Kürzlich hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf den Weg gebracht. Was für ein Wort! Damit werden wir für bessere Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbereich sorgen. Hier arbeiten weit über eine halbe Million Menschen, und leider sind befristete Verträge in diesem Bereich gang und gäbe.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Sie sehen, wir reden nicht nur, nein, wir setzen Schritt für Schritt Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land um. Was für ein Kraftakt war die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns!

(Beifall bei der SPD)

Ja, wir haben es geschafft. Es gibt ihn wirklich, und das schon seit neun Monaten. 4 Millionen Menschen haben dadurch mehr Geld in der Tasche.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen endlich Frauen in den Führungsetagen und in den Aufsichtsräten sehen. Dafür haben wir die Quote durchgesetzt.

So wird es weitergehen. Dafür nur zwei Beispiele: Wir werden den Weg frei machen und gerechte Löhne für die vielen fleißigen und gut qualifizierten Frauen in unserem Land durchboxen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir machen Schluss mit Ausbeutung durch Werkverträge und Leiharbeit.

Frau Kollegin, „Schluss machen“ war ein gutes Stichwort, weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Uwe Lagosky, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

API URL

Data
Source Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Cite as Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Retrieved from http://dbtg.tv/fvid/5847883
Electoral Period 18
Session 124
Agenda Item Befristete Arbeitsverhältnisse
00:00
00:00
00:00
00:00
None
Automatically detected entities beta