24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 4

Uwe LagoskyCDU/CSU - Befristete Arbeitsverhältnisse

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt: In den vergangenen 20 Jahren nahm die Zahl befristeter Arbeitsverträge, absolut betrachtet, zu. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes – wir haben es schon gehört – ist diese Zahl in den letzten vier Jahren allerdings gesunken. Von den Arbeitnehmern ab 25 Jahren – das ist die Datenbasis – waren 2011 8,9 Prozent befristet beschäftigt. Diese Zahl sank auf 8,1 Prozent im Jahr 2014.

Bereits in der Anhörung zur sachgrundlosen Befristung am 17. März 2014 stellte der Sachverständige des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit fest:

Insgesamt kann man feststellen, dass befristete Arbeitsverträge durchaus in ihrer Bedeutung zugenommen haben. Wenn man den Zeitraum zwischen 2001 und 2011 betrachtet – von 1,7 auf 2,7 Millionen. Befristungen sind also eine relevante Größe auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Wenn man sich die Neueinstellungen ansieht, dann sieht man, dass mittlerweile etwa 42 Prozent aller Neueinstellungen auf Basis eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen. Befristungen sind somit ein wichtiges Instrument, wenn es um die Beschäftigungsanpassung der Betriebe geht.

In der Folge sagte er:

Die Entwicklung der befristeten Arbeitsverträge ist sozusagen kein naturwüchsiger Prozess – wir werden immer flexibler –, sondern es kann durchaus sein, dass auch ohne weitere Eingriffe in die Gesetzgebung die Anzahl der befristeten Arbeitsverträge eher zurückgeht.

Das war 2014, und recht hatte er, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen.

Die Linke möchte nun, dass der Deutsche Bundestag feststellt, dass dies ein „hochproblematischer Zustand“ sei, der „dringend gesetzgeberisches Handeln erfordert“. Das steht in Ihrem Antrag. Hochproblematisch ist, wie ich finde, nur eines: der stete Reflex der Linken, in gleicher Sache immer wieder gesetzgeberisch tätig werden zu wollen. – Nutzen Sie daher gerne die heutige Debatte ganz im Sinne von Konrad Adenauer, der sagte:

Man braucht nicht immer denselben Standpunkt zu vertreten, denn niemand kann einen daran hindern, klüger zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hieß bei ihm aber: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“!)

Mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz sind gute Lösungen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber vorhanden.

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,

2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,

3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird ...

Es gibt noch andere Gründe; das sind auszugsweise nur drei.

Ebenfalls im Teilzeit- und Befristungsgesetz ist die sachgrundlose Befristung geregelt. Danach dürfen Arbeitsverträge, die bis zu einer Dauer von zwei Jahren abgeschlossen werden, in dieser Zeit dreimal verlängert werden. Sachgrundlose Befristung ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Regelungen für die sachgrundlose Befristung sind im Jahr 2000 angepasst worden, um zu verhindern, dass es zu weiteren Kettenbefristungen kommt.

Für die 2,7 Millionen Arbeitslosen – im Übrigen 122 000 weniger als im Vorjahr – sowie für Berufseinsteiger sehe ich in befristeten Arbeitsverhältnissen daher auch die Chance, in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu kommen. Stichwort „Beschäftigungsverhältnisse“: Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass unbefristete Arbeitsverhältnisse wieder die Regel werden müssen; die Kollegin hat das gerade auch gesagt. Das hat mich stutzig gemacht. Denn mit einem Anteil von 92,6 Prozent sind unbefristete Arbeitsverträge die Regel.

Nehmen Sie in diesem Zusammenhang bitte noch folgende gute Nachricht auf: Wir haben auf dem deutschen Arbeitsmarkt 42,8 Millionen Beschäftigte. Das ist die höchste Zahl in der Nachkriegsgeschichte. Auch die Zahl von aktuell 30,5 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist die höchste Zahl in der Nachkriegsgeschichte.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Vollzeit?)

Während meiner Zeit als Betriebsrat habe ich unterschiedliche Gründe für Befristungen erlebt. Zwischen 2001 und 2007 in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und einer unklaren Wirtschaftslage hatten wir im Betrieb befristete Arbeitsverhältnisse. Dies wurde damit begründet, dass vor dem Hintergrund noch anstehender notwendiger Prozessvereinfachungen und Automatisierungen – diese standen tatsächlich an – keine Festeinstellungen im Betrieb erfolgen sollten. Das war keineswegs schön. Doch wenn bei allen Beteiligten Klarheit darüber herrscht, ist dies schon ein probates Mittel für ein Unternehmen, um nicht in wirtschaftliche Schieflage zu geraten oder auch die Stammbelegschaft zu entlasten. Klarheit in diesem Zusammenhang bedeutet, dass wir den befristeten Beschäftigten zu dieser Zeit gemeinsam mit dem Arbeitgeber gesagt haben: Eine Anschlussbeschäftigung kann es für euch nicht geben, insofern bewerbt euch in diesen zwei Jahren auch auf eine Dauerbeschäftigung bei anderen Arbeitgebern. – Es ist allerdings am Ende so gewesen, dass diese befristet Beschäftigten bei uns geblieben sind. Das zeigt mir auch, dass die Alternative die Arbeitslosigkeit gewesen wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland hätte man ja davon ausgehen können, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse in ihrer Zahl zurückgehen. Allerdings haben wir mit dem aktuellen Zustrom an Flüchtlingen nach Deutschland – die Regierung rechnet im Jahr 2015 mit 800 000 – eine neue Variable auf dem Arbeitsmarkt, von der wir wissen, dass sie uns vor erhebliche Herausforderungen stellt. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns flexible Arbeitsmarktinstrumente erhalten. Ich denke, in diesem Zusammenhang sollten die Möglichkeiten, die sich aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ergeben, von Arbeitgebern zukünftig mehr genutzt werden.

Aber noch einmal: Befristungen stellen für mich eine Brückenfunktion dar. Es stimmt, dass der Befristungsanteil in den sozialen und öffentlichen Dienstleistungen 35 Prozent beträgt. Es gibt auch Extremfälle wie den vorhin genannten von 2012; dabei ging es um 13 aufeinanderfolgende Befristungen in elf Jahren bei einer Arbeitnehmerin. Damals antwortete der Europäische Gerichtshof auf eine entsprechende Anfrage des Bundesarbeitsgerichtes, dass Arbeitgeber bei ständigem Vertretungsbedarf selbst bestimmen dürfen, ob sie ihn durch befristete oder unbefristete Stellen abdecken. Weil die Klägerin in einer großen Behörde tätig war, machte das BAG in seinem Urteil deutlich, dass bei jahrelangem kontinuierlichem Vertretungsbedarf durchaus Bedarf für eine unbefristete Vertretungskraft besteht. Deshalb müssen staatliche Stellen alle Umstände, die mit einer Verlängerung von befristeten Verträgen zu tun haben, intensiv prüfen. So kann dafür gesorgt werden, dass sich Befristungen im Einzelfall als missbräuchlich herausstellen. Insofern sind die einzelnen Bereiche gefordert. Extremfälle zur Regel zu adeln, ist vielleicht die öffentlichkeitswirksamere Lösung, jedoch der falsche Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um die Regel, sondern darum, solche Fälle zu verhindern!)

Gewohnt abenteuerlich finde ich das von den Linken in ihrem Antrag gezeigte Finanzverständnis. Sie führen als Grund für Befristungen im öffentlichen Dienst eine strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Hand an und begründen dies mit einer sozial ungerechtfertigten Steuerpolitik, Spardiktaten und der Schuldenbremse.

Sie haben es einfach nicht verstanden, dass wir mit einer weitsichtigen Haushaltspolitik dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaft floriert

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und zu welchem Preis?)

und wir mit den zusätzlichen Steuereinnahmen auch zusätzliche Leistungen an die Kommunen geben können. Das Hohe Haus wird heute, gleich im Anschluss, einen Antrag zu den Kommunen verabschieden und in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.

Nie zuvor wurden Kommunen durch den Bund so stark unterstützt wie in den vergangenen Jahren. Unter den unionsgeführten Koalitionen von 2010 bis 2018 werden die Länder und Kommunen um insgesamt 125 Milliarden Euro entlastet. Das setzt freilich voraus, dass die Länder ihrer Verantwortung nachkommen, dieses Geld auch an die Kommunen weiterzureichen und es nicht im eigenen Haushalt zu behalten.

Papiersparend, auf nur zwei Seiten, unternehmen Sie einen kühnen Streifzug durch die Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik. Am Ende Ihres Antrags verweisen Sie auch noch auf Zeitarbeit und missbräuchliche Werkverträge.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau!)

Dieses Themas nehmen wir uns an; es steht im Koalitionsvertrag und wird von uns bearbeitet. Allerdings wollen wir das für die Wirtschaft und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in gleichem Maße machen. Wir haben ein Interesse an Wachstum und Beschäftigung. Dies wollen wir in unserem Land fördern. Das unterscheidet uns von Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zusammengefasst entspricht Ihr Antrag nicht den Kriterien eines ausgewogenen Verhältnisses zur Realität. Schließlich verfügen wir mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz über einen vernünftigen Rechtsrahmen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern gleichermaßen gerecht wird. Missbräuchliches Verhalten wird durch die Rechtsprechung bekämpft. Den vereinzelten Unternehmen, die überproportional viele befristete Arbeitsverträge schließen, sei aber auch gesagt, dass sie damit Forderungen nach einer Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes Vorschub leisten, möglicherweise zulasten der vielen Betriebe, die im Sinne des Gesetzes handeln.

Ausschlaggebend und von überwiegender Bedeutung ist für mich jedoch, dass Befristungen eine wichtige Brückenfunktion für die Übernahme in unbefristete Beschäftigung haben. Dass Sie diese Brücken einreißen, werden wir nicht mitmachen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Jutta Krellmann, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5847889
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Befristete Arbeitsverhältnisse
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