Markus PaschkeSPD - Befristete Arbeitsverhältnisse
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier im Parlament gilt es, Rahmenbedingungen zu setzten, Rahmenbedingungen für einen Ausgleich zwischen der notwendigen Flexibilität für Unternehmen und der ebenso notwendigen Sicherheit für die Menschen. Dazu gehört immer auch eine Überprüfung, ob die bisherigen Gesetze dem politischen Willen entsprechend angewandt werden. Wir sollten uns dabei die Frage stellen: Erzielt das Gesetz die gewollte Wirkung, oder werden Lücken genutzt, die negative Folgen für unsere Gesellschaft haben? Als ich den Antrag „Kettenbefristungen abschaffen“ gelesen habe, habe ich gedacht: Na, den kennst du doch. Und richtig: Der Antrag ist inhaltlich zu 95 Prozent deckungsgleich mit dem Antrag „Das unbefristete Arbeitsverhältnis zur Regel machen“, den wir im letzten Jahr hier diskutiert haben.
(Ulli Nissen [SPD], an die LINKE gewandt: Hätten Sie einmal ein bisschen mehr in die Bearbeitung stecken sollen! Das Datum war das Einzige, was anders war! – Gegenruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE]: Der Unterschied ist, wir wollen die Verhältnisse ändern, Sie wollen den Text ändern!)
In Ihrem Antrag bezeichnen Sie die Befristung als zentrales Merkmal für Qualität oder Nichtqualität von Arbeit. Zu guter Arbeit gehört aber viel mehr. Die Frage der Beschäftigungsform ist wichtig, ja, aber sie ist nicht das zentrale Qualitätskriterium.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wie war denn die Umfrage bei der IG Metall?)
Es würde aber auch heute den Rahmen meiner Redezeit sprengen, wenn ich jetzt hier erschöpfend alle Merkmale guter Arbeit erklären wollte.
Zusammenfassend möchte ich zu dem Antrag eines feststellen: Es ist nicht alles falsch, was da drinsteht. Ich habe im letzten Jahr, als wir hier über dieses Thema gesprochen haben, von Keno berichtet, der Mitte 30 war, bevor er das erste Mal einen unbefristeten Arbeitsvertrag hatte. Ich will heute einmal einen anderen Aspekt in die Diskussion einbringen, denn ich denke, man muss auch ein bisschen Abwechslung bringen.
(Beifall bei der SPD)
Ich spreche regelmäßig mit Arbeitnehmern und Unternehmern und stelle fest, dass es zurzeit sehr viel Bewegung auf beiden Seiten gibt. Letztens habe ich zum ersten Mal einen richtig sprachlosen Arbeitgeber erlebt. Er hatte eine Bewerberin im Vorstellungsgespräch, die richtig gut qualifiziert war und ideal auf die Stelle gepasst hätte. Sie hat aber zu ihm gesagt: Ich bin nur bereit, hier erst einmal einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Dieses eine Beispiel gegen hundert andere!)
Sie hat das auch begründet. Sie begründete ihre Entscheidung nämlich damit, dass sie erst einmal sehen wollte, wie im Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie gelebt wird. Sie wollte wissen, wie das Betriebsklima ist und welche Entwicklungsperspektiven sie hat. Diese junge Frau ist eine Arbeitnehmerin, die überhaupt nicht in die Zielgruppe passt, für die dieser Antrag geschrieben wurde, die aber trotzdem betroffen gewesen wäre.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Die kann dann kündigen, wenn sie muss!)
Sie entwerfen in Ihrem Antrag nämlich das Bild, dass alle Arbeitnehmer ohne Hilfe in absoluter Wehrlosigkeit verharren. Das ist eine Verallgemeinerung, die der Sache und vor allem den Menschen nicht gerecht wird.
(Beifall bei der SPD)
Klaus Ernst hat die Lage eines Teils der Betroffenen zutreffend beschrieben. Aber das gerade von mir genannte Beispiel zeigt, dass die Lebenswirklichkeit nicht eindimensional betrachtet werden kann, dass es sehr viele unterschiedliche Entwürfe für das Leben gibt.
Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Frau Vogler. Wollen Sie die zulassen?
Nein, heute nicht.
Sie wollen weitersprechen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir der Vielfalt der Bedürfnisse der Menschen in unserem Land entsprechen müssen. Das können wir aber nicht, indem wir ein Korsett schaffen, das allen die Luft zum Atmen nimmt, sondern wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die Missbrauch und das Ausnutzen von Menschen verhindern. Es ist kein Geheimnis, dass meine Fraktion und ich die berechtigte Kritik an der exzessiven Nutzung sachgrundloser Befristung teilen.
Planungssicherheit – egal ob privat oder beruflich – ist mit befristeten Arbeitsverhältnissen nicht zu haben. Es gibt Menschen, die wollen und brauchen Sicherheit, zum Beispiel um eine Familie zu gründen. Andere wollen sich derzeit nicht langfristig binden. Aber auch denen würden wir die Chancen nehmen, wenn wir Ihren Antrag so umsetzen, wie er geschrieben ist.
Viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wir bereits in den ersten zwei Jahren unserer Regierungszeit erreicht: die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns, die Rente ab 63, die Beendigung der Generation Praktikum, Verbesserung bei der Gleichstellung von Mann und Frau, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir ruhen uns auf dem bisher Erreichten nicht aus. Noch in diesem Jahr werden wir den Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Missbrauch bei Werkverträgen und Leiharbeit vorlegen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben wir erst, wenn was vorliegt!)
Das alles und noch viel mehr haben wir mit unserem Koalitionspartner vereinbart. Große Ziele erfordern aber auch Kompromisse. Fakt ist: Mit unserer Forderung nach Abschaffung der sachgrundlosen Befristung haben wir uns bei unserem Koalitionspartner bedauerlicherweise nicht durchgesetzt. Aber da wir uns darauf verständigt haben, diesen Koalitionsvertrag vier Jahre lang zu leben und die darin vereinbarten Dinge umzusetzen, werden wir heute leider auch gegen die richtigen Teile dieses Antrags stimmen müssen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was sagt deine Gewerkschaft dazu? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt mal ein bisschen Pfeffer hier!)
Danke schön. – Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 124 |
Agenda Item | Befristete Arbeitsverhältnisse |