Ingbert LiebingCDU/CSU - Unterstützung der Kommunen
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen heute eine Debatte über die Lage der Kommunen in Deutschland, die unter anderem auf die Initiative des Aktionsbündnisses zurückgeht. Es ist gut, dass wir diese Debatte heute führen.
Diese Debatte findet vor einem besonderen Hintergrund statt. Denn in diesen Tagen erleben wir wie selten zuvor, wie wichtig leistungsstarke Kommunen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Unsere Städte und Gemeinden stehen mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise vor einer besonderen Herausforderung. Und alle leisten einen gewaltigen Kraftakt: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen der Städte und Gemeinden, die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Landrätinnen und Landräte an der Spitze. Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer organisieren die Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen Ländern, die aus Not zu uns kommen, und Hilfe für diese Flüchtlinge. Diese großartige Leistung, dieser Kraftakt, verdient unser aller Dank und Anerkennung.
(Beifall im ganzen Hause)
In dieser Zeit kommt es ganz besonders auf die Kommunen an. Nicht in Berlin, nicht hier im Deutschen Bundestag, nicht in den Landeshauptstädten, nicht in den Staatskanzleien oder in den Landtagen, sondern vor Ort, in den Städten und Gemeinden, entscheidet es sich, ob wir in der Lage sind, diese Herausforderung tatsächlich in der Praxis zu meistern. Das entscheidet sich in Städten wie Essen, Gelsenkirchen oder Wuppertal oder in kleinen Dörfern wie Seeth oder Boostedt, wo in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder inzwischen mehr Flüchtlinge leben als Einheimische im Dorf.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Auch in Passau!)
Umso wichtiger ist es, dass wir heute zu klaren Verständigungen zwischen Bund und Ländern kommen; und da geht es um drei Bereiche.
Es geht jetzt erstens darum, alle Kräfte zu mobilisieren, um Hilfe zu leisten, und diesen Kraftakt vor Ort zu organisieren, Menschen, die aus Not zu uns kommen, zu helfen.
Zweitens gehört aber auch dazu, den Zuzug zu begrenzen; denn – das wissen wir auch – die grenzenlose Fortsetzung dessen, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist, würde die Städte und Gemeinden restlos überfordern.
Drittens geht es auch um finanzielle Hilfe des Bundes. Es ist zugesagt, dass diese Hilfe strukturell und dauerhaft erfolgt. Dies wird sicherlich heute vereinbart werden; da bin ich zuversichtlich.
Dies alles, was heute Nachmittag zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten verhandelt und vereinbart wird, liegt im Interesse der Kommunen. Dazu leisten wir unseren Beitrag. Uns liegt die Leistungsfähigkeit der Kommunen sehr am Herzen, bei diesem Thema, aber – das ist in diesen Zeiten auch wichtig – auch bei allen anderen Aufgaben, die die Kommunen ja auch weiterhin leisten müssen, etwa wenn es um ein ausreichendes Kitaangebot geht, wenn es um Schulen geht, wenn es um Straßen geht, wenn es um Wohnungsbau geht oder um Sport- und Freizeitangebote. Das ist das, was die Menschen auch von ihrer Gemeinde, von ihrer Stadt erwarten.
Wir helfen, wo wir helfen können. Aber wir müssen auch feststellen, dass die Lage der Kommunen in Deutschland sehr unterschiedlich ist. Es gibt einzelne Kommunen in einzelnen Ländern, die keine Kassenkredite kennen, aber es gibt andere Länder, wo die Kassenkredite explodieren. Über die Hälfte der Kassenkredite in der Größenordnung von 48 Milliarden Euro deutschlandweit haben die Kommunen in einem einzigen Bundesland aufgenommen, nämlich in Nordrhein-Westfalen. Das gehört auch zur Wahrheit.
(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: In Rheinland-Pfalz ist es genauso!)
Es gibt einzelne Länder, die ihren Kommunen helfen und sie zu 100 Prozent von den Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz freihalten, wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern und Bayern.
(Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Und das Saarland!)
Und es gibt andere Länder, die ihre Kommunen hier herzlich im Stich lassen.
Dies können wir auf der Bundesebene nicht ausgleichen. Ich möchte das auch nicht als ein Schwarzer-Peter-Spiel verstanden wissen,
(Petra Hinz (Essen) [SPD]: Nein, natürlich nicht! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, überhaupt nicht! Das wiederholen Sie doch jedes Mal! Bei jeder Debatte! – Gegenruf der Abg. Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Mit der Wahrheit wird nicht gespielt! So einfach ist das!)
sondern es geht um die Verfassungsordnung in unserem Land. Es ist schlichtweg eine Tatsache, dass laut unserer Verfassungsordnung die jeweiligen Bundesländer für die aufgabengerechte Finanzausstattung ihrer Kommunen die Verantwortung tragen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen ist es für uns doch auch so bitter, zu erleben, dass Gelder, die wir auf der Bundesebene mobilisieren und die den Kommunen helfen sollen, teilweise vor Ort gar nicht erst ankommen, sondern in den Landeskassen landen. Das ist ein gefährliches Spiel, das einzelne Länder hier treiben.
(Petra Hinz (Essen) [SPD]: Pfui!)
Die Finanzprobleme vieler Kommunen haben im Wesentlichen etwas mit der Ausgabenseite zu tun, weniger mit der Einnahmenseite, und hier insbesondere mit den gestiegenen Sozialkosten. Wir wissen – das zeigen die Zahlen –, dass die Sozialkosten schneller und stärker steigen als die Einnahmen. Genau deswegen war es ja auch richtig, dass wir als Bund entschieden haben, die teure und dynamisch wachsende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu übernehmen. Damit sorgen wir für eine dauerhafte strukturelle Entlastung auf der kommunalen Ebene, in diesem Jahr in einer Größenordnung von immerhin 5,4 Milliarden Euro.
(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Eingliederungshilfe? Da wurde doch auch was besprochen!)
Es gilt die Zusage, dass wir auch im Bereich der Eingliederungshilfe etwas tun. Wir erneuern mit dem Antrag, den wir heute vorlegen, unsere Zusage aus dem Koalitionsvertrag, dass die Kommunen in diesem Feld ab 2018 in einer Größenordnung von 5 Milliarden Euro entlastet werden sollen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In dieser Legislaturperiode!)
Ich kenne die Sorgen, dass diese Reform mit zusätzlichen neuen Ausgaben verbunden sein könnte. Deswegen gebe ich hier ausdrücklich die Zusage der CDU/CSU-Fraktion, dass wir dafür sorgen, dass das weder zu einer neuen Kostendynamik noch zu einer neuen Kostenbelastung der Kommunen führt. Wir wollen an dieser Stelle die Kommunen strukturell und dauerhaft entlasten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bis 2018 leisten wir auch etwas. In diesem und im nächsten Jahr helfen wir mit je 1 Milliarde Euro. Im Jahr 2017 wächst das auf 2,5 Milliarden Euro auf.
Ich nenne auch das Investitionsprogramm, das wir auf den Weg gebracht haben. 3,5 Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen, um die Investitionskraft zu stärken. Das tun wir ganz bewusst zugunsten Ihrer Städte und Gemeinden, von denen Sie hier als Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte zu uns gekommen sind, weil wir die Gießkanne einmal im Schrank lassen wollen und denjenigen zielgerichtet helfen wollen, die unter besonderer Finanznot leiden. Ich glaube, dass das gerade Ihren Städten und Gemeinden besonders hilft.
Wir tun dies alles, um die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu stärken. Wir erleben in diesen Tagen immer wieder, wie wichtig die Leistungsfähigkeit der Kommunen vor Ort ist. Aber es wird uns nicht gelingen, dies dauerhaft zu tun, wenn es nicht gleichzeitig auch gelingt, die mit der Flüchtlingskrise zusammenhängenden Herausforderungen zu lösen. Deswegen hoffe ich auf gute Ergebnisse heute Nachmittag, die dann in den Ländern im Interesse der Leistungsfähigkeit unserer Kommunen umzusetzen sind.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Kerstin Kassner, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5848366 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Unterstützung der Kommunen |