Jürgen HardtCDU/CSU - Unterstützung der Kommunen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst herzlich dafür bedanken, dass ich als Fachfremder hier reden darf. Aber mein Wahlkreis ist im Zusammenhang mit Kommunalpolitik ein ganz besonderer. Er umfasst drei Großstädte: Solingen mit 160 000 Einwohnern, Remscheid mit 110 000 Einwohnern und den Süden Wuppertals mit 40 000 Einwohnern. Ansonsten sind die Kollegen Hintze und Zöllmer die Wuppertaler Abgeordneten. Von daher ist für uns das Thema alltäglich.
Liebe Frau Kassner, einen Kommunal-TÜV braucht die CDU/CSU-Fraktion nicht.
(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Doch, doch!)
Bei uns ist jeder sein eigener Kommunal-TÜV, wir sind der Kommunal-TÜV. Wir haben in unseren Reihen erfahrene Kommunalpolitiker, zum Beispiel den früheren Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, der heute Geburtstag hat, Oliver Wittke.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein Wort zu Herrn Daldrup. Dass unser kommunalpolitischer Sprecher über viele Jahre Erfahrung in einer Kommune gesammelt hat, die im Norden Deutschlands liegt und vielleicht von der einen oder anderen Witterungslage begünstigt ist, bedeutet nicht, dass wir die Dinge in der Kommunalpolitik anders sehen. Ich glaube, dass Ingbert Liebing nicht nur das Zeug zu einem guten Bürgermeister hat, sondern dass er auch das Zeug zu einem guten Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte dennoch den Blick auf das Grundproblem richten und auf den Beitrag, den wir dazu leisten, das Problem zu lösen. Wir haben in den drei Großstädten, die ich vorhin genannt habe, und in vielen anderen Kommunen, die in dem angeführten Bündnis vertreten sind, über viele Jahre die Situation gehabt, dass man sich als Stadtverordneter, als Bürgermeister oder als Kämmerer in einer Art Vergeblichkeitsfalle fühlte. Man konnte trotz aller Zumutungen für die Bürger, etwa Schließungen von Kultureinrichtungen, die Nichtsanierung notwendiger Infrastruktur oder die Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer, das Problem nicht an der Wurzel packen. Man hat im Stadtrat häufig gesagt: Warum sollen wir denn jetzt das Schwimmbad schließen? Das nützt uns nichts. Ob wir 50 Millionen Euro oder 49,5 Millionen Euro kommunales Defizit im Jahr haben, ist doch egal. Wir kommen aus den Schulden nicht raus.
Es ist den Kommunen zum Glück gelungen – daran hat der Bund einen ganz maßgeblichen Anteil –, einen Ausweg aus dieser Misere, aus dieser Krise zu finden – das gilt konkret für viele nordrhein-westfälische Kommunen, auch für Solingen, Remscheid und Wuppertal –, indem wir in den Kommunen Konzepte entwickelt haben. Nach diesen Konzepten müssen die Kommunen selbst enorme Anstrengungen unternehmen, um Kosten einzusparen oder die Einnahmesituation durch höhere Steuern zu verbessern. Außerdem wird das Land in die Pflicht genommen, und wir vertrauen darauf, dass uns der Bund mit finanziellen Entlastungen massiv hilft, und zwar da, wo die Lage am schlimmsten ist, nämlich bei den steigenden Sozialausgaben.
Im Zeitraum 2010 bis 2018 werden die Länder und Kommunen vom Bund um insgesamt 125 Milliarden Euro entlastet. Das ist eine Hausnummer. Damit wird im Übrigen deutlich die Summe überstiegen, die von dem einen oder anderen Bundesland – ich möchte den Streit an dieser Stelle nicht fortführen – als Entlastung der Kommunen mit Blick auf deren Finanzsituation gewährt wird. Der Bund trägt einen ganz entscheidenden Anteil.
Die Kämmerer und die Oberbürgermeister dieser Städte haben im Grunde drei Sorgen, die sie umtreiben. Die erste Sorge ist: Was würde in Bezug auf die Altschulden passieren, wenn die Zinsen explodierten und all unsere Bemühungen, aus den Schulden herauszukommen, vergebens wären? Ich sehe das tatsächlich als drängendes Problem an. Es ist Gott sei Dank nicht akut, weil die Zinssätze derzeit auch bei Kassenkrediten niedrig sind. Aber ich möchte an dieser Stelle schon sagen: Gemäß unserer Verfassung sind die Länder für die Finanzausstattung der Kommunen zuständig. Deswegen müsste von dort aus die Initiative kommen, dahin gehend etwas zu machen.
Die zweite Sorge der Kommunen ist, dass von dem Geld, das der Bund, verfassungsrechtlich bedingt, den Kommunen häufig auf dem Umweg über die Länder zukommen lässt, etwas an den Fingern des einen oder anderen Finanzministers hängen bleibt. Auch das ist sicherlich ein Problem, das in allen Bundesländern nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Ich könnte an dieser Stelle wieder konkrete Beispiele aus meinem Bundesland nennen, was ich aber nicht mache.
Wir müssen sicherstellen – das ist eine ganz wichtige Aufgabe in der Abstimmung zwischen dem Bund und den Ministerpräsidenten –, dass die Entlastungen durch den Bund, zum Beispiel die geplante Entlastung bei der Eingliederungshilfe, bei den Kommunen tatsächlich ankommen. Wenn man die Diskussion über die Eingliederungshilfe verfolgt, merkt man sofort, dass die Länder ihren Anteil haben wollen und dass Leistungsverbesserungen in großem Umfang zu den Ideen gehören, die auf den Tisch kommen. Das alles könnte möglicherweise ein Stück weit das Geld aufzehren, das wir zur Verfügung stellen. Nein, wir müssen darauf bestehen, dass dieses Geld auch tatsächlich bei den Kommunen ankommt.
Die dritte große Sorge, die bei Kämmerern zu schlaflosen Nächten führt, ist, dass durch die gegenwärtige Flüchtlingspolitik und die massive Zuwanderung von Menschen nach Deutschland die Kommunen finanziell überfordert werden und sie deswegen ihre Einsparziele und damit einen ausgeglichenen Haushalt in den vorgegebenen Rahmenbedingungen nicht erreichen können.
Das ist, glaube ich, die zentrale Forderung auch an die Runde, die heute noch tagt, nämlich dass wir einen Weg finden – ich glaube, der Vorschlag, den die Regierungskoalition dazu unterbreitet, ist gut –, dass die Kommunen trotz der vielen Arbeit, die sie damit haben, und dem enormen Einsatz, den sie zeigen, sicher sein können, dass die Kosten nicht an ihnen hängen bleiben. In meinem Bundesland zum Beispiel leisten die Kommunen ganz viel in Amtshilfe für die Landesregierung. Es wird zwar gesagt: Irgendwann machen wir einen dicken Strich darunter und rechnen ab. Ich sage aber ganz konkret: Wir werden in den Wahlkreisen die Landesregierung daran messen, ob es tatsächlich so ist, dass die Kommunen für das, was sie im Rahmen der Amtshilfe für das Land on top zu dem leisten, was sie sowieso tun müssen, glattgestellt werden und dass sie insgesamt bei der enormen Aufgabe, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und gut aufzunehmen, nicht auch noch finanziell darunter leiden müssen.
Ich möchte zum Schluss noch etwas mit Blick auf Deutschland und die Nachbarstaaten sagen. Es glaube doch keiner, dass wir ohne kommunale Selbstverwaltung – ohne das, was die eigenverantwortlichen Bürgermeister und Stadträte in diesen Wochen zusammen mit den Sozialverbänden und den Ehrenamtlichen leisten –, sondern allein mit irgendeiner Zentralverwaltung auf Bundes- oder Landesebene bei der enormen Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, auch nur annähernd so relativ gut mit dem Thema klarkämen. Nein, auch da beweist sich: Es ist ein enormer Trumpf, ein enormer Vorteil und eine enorme Stärke unserer Demokratie, dass wir diese starken selbstverwalteten Kommunen haben, und dabei muss es bleiben. Dafür setzen wir uns ein. In diesem Sinne ist der gemeinsame Antrag zu verstehen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wie wir gerade erfahren haben, feiert der Kollege Oliver Wittke seinen Geburtstag durch Teilnahme an der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages. Dazu herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche Ihnen für das kommende Lebensjahr Glück, Gesundheit und Gottes Segen.
(Beifall)
Jetzt spricht unsere Kollegin Bärbel Bas für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5848693 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Unterstützung der Kommunen |