24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Zusatzpunkt 1

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Syrienkrise

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde sollte uns Anlass geben, den Blick nach innen, in unser Land zu richten; denn die neue Dynamik berührt auch unsere Gesellschaft in erheblichem Maße. Ich möchte an dieser Stelle den vielen tausend freiwilligen Helferinnen und Helfern, die sich um die Aufnahme und Eingliederung von Flüchtlingen in unserem Land kümmern, ganz herzlich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben am Montag dieser Woche in beeindruckender Weise beim Parlamentarischen Abend des Arbeiter-Samariter-Bundes gehört, welche Leistungen im Ehrenamt erbracht werden. Wir haben diese Woche einen Aufruf an die Reservisten der Bundeswehr gestartet, sich ehrenamtlich zu kümmern, und zwar mit einer sehr erfreulichen Resonanz.

Zugleich erleben wir – deswegen bin ich froh, dass wir diese Aktuelle Stunde haben – eine Flut von Hassbotschafen und Hass-E-Mails aus der nationalistischen, rechtsextremen Ecke. Es ist gut, dass von diesem Parlament ein Zeichen der Hilfsbereitschaft ausgeht und dass wir unserer Bevölkerung deutlich sagen: Lasst euch von diesen Menschen nicht verunsichern! Steht für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ein!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da ich heute aus der Opposition zweimal gezielt angesprochen wurde,

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Zu Recht!)

möchte ich gerne von meinem nicht vorhandenen Manuskript abweichen und zwei Punkte ansprechen. Ein Wort zu Syrien: Wir haben allein im August 46 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen, insgesamt bisher 140 000. 15  Millionen Menschen sind innerhalb und außerhalb Syriens auf der Flucht. In der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen, die einmal für 500 Menschen vorgesehen war, befinden sich jetzt 4 500 Menschen, darunter knapp 2 000 Menschen aus Syrien, die alle nicht unmittelbar aus Syrien geflohen sind, sondern aus den Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien und in der Südosttürkei. Ich war mit etlichen Kollegen in diesen Lagern. Wir wissen, wovon wir sprechen. Der erste Vorschlag muss dahin gehen, Staaten wie Libanon und Jordanien stärker zu helfen, als wir das bisher getan haben, und zwar im Rahmen der Bildung, der Nothilfe, im Rahmen der Lehrlingsausbildung, beispielsweise mit sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und anderem.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Verabreden!)

Wir müssen alles tun, dass diese Staaten nicht zerfallen, dass diese Staaten ihre Grenzen wirksam sichern und dass die Flüchtlinge so etwas wie Geborgenheit in der internationalen Hilfe finden. Ich kann meinen Vorrednerinnen, abgesehen von der Rednerin der Linken, und Herrn Wadephul nur zustimmen: Genau das sind die richtigen Wege.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das nehme ich persönlich!)

Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass wir mehr leisten müssen. Vielleicht kann die Operation im Rahmen von UNIFIL vor der Küste Libanons, an der wir uns beteiligen, einer der möglichen Hebel sein, mehr zu tun. Möglicherweise müssen wir auch mithilfe von Polizei, Technischem Hilfswerk und anderen an den Grenzen zum Libanon und zu Jordanien mehr Hilfe für die Flüchtlinge leisten.

Der zweite Gedanke ist weniger angenehm. Nächste Woche, am 28. September, wird Wladimir Putin vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen. Putin wird sicherlich gutklingende Vorschläge unterbreiten. Wir haben heute früh in der Regierungserklärung schon einiges darüber gehört, was möglicherweise auf uns zukommen wird. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Assad nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist. Es ist aber sehr gut, wenn Russland mithilft,

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Für was?)

dass wir endlich die Blockade im Weltsicherheitsrat beseitigen, und wenn wir zu einem VN‑Mandat kommen.

Ich glaube, wir müssen für ein Mandat der Vereinten Nationen mit dem Minimalziel der Schaffung von sicheren Schutzzonen und Flüchtlingskorridoren werben. Wer soll – das klang gerade bei meiner Vorrednerin an – diese Sicherheitszonen durchsetzen? Saudi‑Arabien zeigt zurzeit, was die arabische bzw. die sunnitische Gemeinschaft zu tun in der Lage ist. Sie organisieren eine Streitmacht mit 150 000 Soldaten – von Senegal über Marokko bis Pakistan – mit 100 Kampfflugzeugen, die möglicherweise dort zum Einsatz kommen.

(Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]: Pakistan ist nicht dabei!)

Warum um alles in der Welt sind diese Staaten nicht in der Lage, sich aufgrund von Druck aus den Vereinten Nationen und diplomatischen Verhandlungen, die wir auch auf der Ebene E3+3 führen müssen, für die Schaffung einer sicheren Flüchtlingszone in Syrien und im Irak einzusetzen? Ich halte es für ganz entscheidend, dass die Hilfe aus der Region kommt. Die Unterstützung kann von uns kommen.

Auf ein Thema wurde ich gezielt angesprochen – ich habe nichts dagegen, dass wir ganz offen darüber diskutieren –: Warum sollen wir nicht mit deutschen Aufklärungstornados

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So hat es immer angefangen!)

die Stellungen von ISIS aufklären und einer wie auch immer gearteten arabischen Kraft aus der Region die Zieldaten übermitteln? Wir brauchen sichere Häfen für die Flüchtlinge und dazu ein regionales Forum unter Einbindung der Türkei, Russlands, des Iran und Saudi‑Arabiens mit starker europäischer Unterstützung. Wenn wir das schaffen, dann können wir die Flüchtlingsflut in der Region zu einem Segen für die Menschen machen und uns Europäer stärker mit unserem Fachwissen einbringen. Das ist bitter nötig. Eine isolierte militärische Lösung ist keine Lösung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Stefan Rebmann, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5848923
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Syrienkrise
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