24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 6

Astrid FreudensteinCDU/CSU - Förderung von Integrationsbetrieben

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unsere heutige Debatte und Beschlussfassung wird ja von einer kleinen PR-Kampagne der Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen flankiert. Sie hat die Politik angeschrieben und eingeladen, in diesen Wochen Integrationsbetriebe zu besuchen. Immerhin mehr als 100 Abgeordnete sind dieser Einladung gefolgt und haben sich in der vergangenen Woche und in dieser Woche einen Integrationsbetrieb angeschaut. Dies ist, wie ich finde, eine schöne Aktion, die gut zu unserem Antrag passt, der auch gut und richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die gut 800 Integrationsbetriebe in Deutschland gelten völlig zu Recht als Vorzeigeprojekte der Inklusion, weil sie sozialversicherungspflichtige Stellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bieten, und zwar inzwischen für mehr als 10 000 behinderte und etwa ebenso viele nichtbehinderte Menschen. Sie zahlen den Mindestlohn und holen sich Aufträge auf dem freien Markt. Sie beweisen auch, dass sich wirtschaftliches Handeln und die Beschäftigung behinderter Menschen nicht ausschließen. Integrationsbetriebe zeigen so auch, dass die Befürchtungen und Ängste, die es in vielen Unternehmen gibt, wenn es darum geht, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, nicht nötig und auch nicht begründet sind.

Wenn in diesen Tagen die großen Arbeitgeberverbände mit großer Leidenschaft und öffentlichkeitswirksam sagen, dass sie sich freuen über die vielen Flüchtlinge, die in unser Land kommen, weil sie helfen können, unseren Fachkräftemangel zu beheben, dann würde ich mir wünschen, dass die großen Arbeitgeberverbände mit gleicher Leidenschaft und ebenso öffentlichkeitswirksam sagen, dass sie sich freuen über die vielen Menschen mit Handicap in unserem Land, die hochqualifiziert sind und ein Potenzial darstellen, das bisher nicht gehoben wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich selbst war jetzt nicht unter den 100 Abgeordneten, die in diesen Tagen in die Integrationsfirmen gegangen sind. Ich kenne aber die Unternehmen in meiner Heimatstadt sehr gut. Weit weg von Hamburg, Herr Kollege Bartke, im Binnenland von Regensburg, gibt es zum Beispiel vier solcher Leuchttürme.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Am Fluss!)

– Am Fluss, ja, das ist richtig, aber da stehen keine Leuchttürme. – Ich schätze diese Unternehmen auch deswegen, weil ich ihre Dienstleistungen und Angebote schon lange und immer wieder gerne in Anspruch nehme, sei es, um vom Werkhof der Diakonie einen Baum pflanzen, Pflaster verlegen oder einen Gartenzaun hochziehen zu lassen oder bei labora, der Integrationsfirma in der Kantine des Rathauses in Regensburg, zu essen.

Ich kann Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, versichern: Das, was die Integrationsbetriebe leisten, ist allerbeste Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber allein das Loblied zu singen, wäre zu wenig. Viele Integrationsfirmen haben eine lange und auch recht wechselhafte Geschichte hinter sich. Viele haben auch nicht erst als Integrationsbetriebe begonnen, sondern waren vorher schon als Sozialunternehmen aktiv. Viele wurden von den Betreibern von Behindertenwerkstätten ausgegründet. Zwei der Integrationsunternehmen in meinem Wahlkreis, retex und der Werkhof, haben schon ihr 30-jähriges Bestehen als sozial agierendes Unternehmen gefeiert. Da lief natürlich nicht immer alles ganz glatt. Der Werkhof hat zuerst ältere arbeitslose Handwerker beschäftigt, später waren es junge Arbeitslose, und dann kamen die behinderten Menschen dazu. Jetzt wissen wir, wie gut diese Integrationsfirmen arbeiten, und wünschen uns, dass sie mehr Menschen Arbeit geben. Ich bin ganz sicher, dass diese Firmen das schaffen werden, weil sie auch bisher eine ganze Reihe von Problemen gut gemeistert haben. Viele haben ihr Angebot verändern müssen und es dem Markt angepasst. Es ist für die Integrationsbetriebe eben nicht immer ganz einfach, kostendeckend zu arbeiten und am Ende eine schwarze Null zu schreiben.

Der Mindestlohn – auch dies gehört zur Wahrheit – war zunächst eine große Herausforderung für die Integrationsunternehmen. Umso respektabler ist die Leistung derer, die diese Unternehmen teilweise seit vielen Jahren leiten.

Die Betriebe leisten einen ganz wertvollen Beitrag zu dem, was wir uns alle wünschen, nämlich zum inklusiven Arbeitsmarkt. Sie helfen, dass Menschen mit Handicap einen versicherungspflichtigen Arbeitsplatz bekommen. Wir wissen ja inzwischen aus der Erfahrung, dass viele bzw. die allermeisten der behinderten Beschäftigten viele Jahre, manche auch fast ihr ganzes Berufsleben dort verbringen.

Unser Antrag ist deshalb ein guter und richtiger. Wir werden in diesem und in den kommenden beiden Jahren jeweils 50 Millionen Euro aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung stellen. Das ist umso wichtiger, als sich in den vergangenen Jahren die Beschäftigungschancen für Menschen mit Handicap nicht so verbessert haben, wie wir es uns wünschen würden. Deswegen müssen wir noch ein paar Schritte mehr unternehmen. Dazu gehört zum Beispiel das Budget für Arbeit, das wir mit dem Bundesteilhabegesetz flächendeckend und bundesweit einführen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir müssen – das ist mir ein großes Anliegen – auch die Arbeitgeber besser informieren und unterstützen. Ein Schwerpunkt muss auf dem Bürokratieabbau liegen. Momentan muss ein Handwerksmeister eine 320-stündige Zusatzausbildung absolvieren, wenn er einen behinderten Jugendlichen zum Fachpraktiker ausbilden will. Acht volle 40-Stunden-Wochen! In diesen acht Wochen lernt der Schreiner- oder Bäckermeister auch Grundlagen der Medizin und der Rechtswissenschaft. Er beschäftigt sich mit der Geschichte der Rehabilitation und mit dem ganzen Spektrum der ICD-10-Klassifikation. Diese rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation für Ausbilder – kurz: ReZA – geht zurück auf eine Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung. Seit alle Kammern diese Zusatzqualifikation fordern, geht die Zahl neuer Ausbildungsverträge mit behinderten Jugendlichen rapide zurück. Meine Damen und Herren, so ein Wahnsinn behindert unsere behinderten Jugendlichen. Wir müssen ihn wieder abschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden also zunächst die Integrationsfirmen stärken und dann weitere Schritte unternehmen, damit jeder Mensch, auch wenn er ein Handicap hat, seinen Platz auf dem Arbeitsmarkt findet.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5849122
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Förderung von Integrationsbetrieben
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