Franziska BrantnerDIE GRÜNEN - Investitionen in Kindertagesstätten
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 21. Juli 2015 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld für verfassungswidrig. Seither gibt es den Streit darüber, was mit dem Geld passiert. Für 2016 sind es 500 Millionen Euro und für 2017 1 Milliarde Euro. Für uns müssen dabei drei Dinge im Vordergrund stehen: Erstens. Das Geld muss im Familienhaushalt bleiben. Zweitens. Es darf nicht für den Mehrbedarf beim Elterngeld genutzt werden. Drittens. Es muss dorthin gehen, wo es gebraucht wird, nämlich in die Kitas.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Schäuble möchte den Zuwachs beim Elterngeld gerne mit den Mitteln für das Betreuungsgeld decken. Der zusätzliche Bedarf ist aber nicht über Nacht gekommen, sondern deshalb, weil wir hier gemeinsam neue gesetzliche Ansprüche geschaffen haben. Die Partnerschaftsmonate gibt es eben nicht für umsonst, und wenn mehr Väter das Elterngeld nutzen, was wir uns alle wünschen, dann wird es teurer. Das hängt mit dem Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen zusammen. Das Geld hätte also ohnehin im Haushalt gefunden werden müssen, egal ob das Betreuungsgeld abgeschafft wird oder nicht. Wenn wir jetzt das wegfallende Betreuungsgeld dafür nehmen würden, dann würden wir den Familienhaushalt dafür bestrafen, dass das Elterngeld erfolgreich ist. Das kann ja wohl nicht die Logik sein, die wir hier vertreten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eigentlich sind wir uns doch sicher, dass das Geld in den Kitas gut angelegt ist und dass das auch das ist, was die Eltern brauchen und sich wünschen.
Ihr Haus, Frau Marks, hat nicht nur festgestellt, dass wir in Deutschland ohnehin noch 185 000 Kitaplätze brauchen, sondern auch, dass wir für die Kinder, die jetzt zu uns kommen, 68 000 Plätze zusätzlich brauchen werden. Diese Lücke besteht, und sie ist groß. Ich würde sagen: Ihre Zahlen sind ziemlich gut geschätzt, aber sie könnten auch gut noch ein bisschen höher liegen. Es ist doch in unserem Interesse, dass diese Kinder früh in die Kitas gehen und dort Deutsch lernen, ankommen und teilhaben können. Es ist doch wirklich unser originäres Interesse, dass das möglich ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie uns deswegen jetzt doch vorausschauen – dieser Bedarf wird entstehen – und nicht erst wieder dann handeln, wenn die Schlangen vor den Kitas in sechs Monaten existieren und sich die Frage stellt, wer den Kitaplatz bekommt, nämlich das Flüchtlingskind oder das Kind, das schon hier geboren wurde. Ich möchte nicht, dass sich diese Frage stellen wird. Deswegen möchte ich, dass wir jetzt vorausschauen und die Gelder jetzt, da wir sie haben, in die Kitas investieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir alle wissen, dass das nicht einfach wird.
Wir brauchen auch mehr Sprachförderung. Wir haben in Ihrem Haus angefragt, ob Sie vorhaben, im nächsten Jahr mehr Geld für die Sprachförderung auszugeben. Ich finde, auch hier kann man schon ziemlich sicher davon ausgehen, dass das notwendig sein wird. Die Antwort von Ihnen war bis jetzt, dass es bei den 100 Millionen Euro bleiben wird. Auch hier ist klar: Wir brauchen mehr Geld für weitere Sprachförderung im Jahr 2016 und in den Jahren danach.
Wir können die Kommunen und die Länder damit nicht alleinlassen. Manche werden es vielleicht schaffen, andere haben aber einfach nicht die Kapazitäten und Gelder dafür.
Vor allem dürfen wir auch die Erzieherinnen und Erzieher damit nicht alleinlassen.
Die leisten ja heute schon Enormes, machen auch heute schon unglaublich viel. Sie machen viel mehr als das, was ursprünglich ihr Auftrag war, und sie werden immer noch viel zu gering bezahlt.
Eine Erzieherin für sieben Kinder unter drei Jahren ist doch schon heute kaum vorstellbar. Schon heute brauchen wir kleinere Gruppen. Die brauchen wir in Zukunft, wenn es um diese Integrationsaufgabe geht, doch erst recht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir wollen, dass das klappt, müssen wir jetzt hier rechtzeitig ansetzen. Unsere Aufgabe ist es, dass Kinder – egal ob sie neu zu uns kommen oder hier geboren sind – gute Förderung, Bildung und Betreuung bekommen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen. Denn für alle Kinder gilt: Was sie in jenen jungen Jahren lernen, das entscheidet über ihre Chancen später. Diese Chancen müssen wir allen – denen, die hier geboren sind, und denen, die jetzt zu uns kommen – geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen lassen Sie uns heute für morgen investieren. Liebe SPD, kämpfen Sie! Damit Sie heute zustimmen können, haben wir für Sie den Antrag auch wirklich ganz einfach gemacht.
(Lachen bei der SPD – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ein vergiftetes Lob, Frau Brantner!)
– Nein. – Damit Sie – man kennt das ja – nicht sagen können, dass Ihnen ein Halbsatz nicht gefallen hat, haben wir es so formuliert:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die frei werdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld in Kindertageseinrichtungen zu investieren.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns unterstützen und mit uns kämpfen, liebe SPD, und wir hier gemeinsam investieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich freue mich darauf, das hinzubekommen.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als Nächstes hat der Kollege Josef Rief, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5849181 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Investitionen in Kindertagesstätten |