24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 7

Fritz FelgentreuSPD - Investitionen in Kindertagesstätten

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist für mich heute keine Debattenrede wie jede andere. Im Wahlkampf bin ich wirklich Sturm gelaufen gegen das Betreuungsgeld. Es war mein Hauptthema – es war übrigens erfolgreich.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich war Kandidat und bin Abgeordneter für Berlin-Neukölln – eines der bekanntesten Brennpunktquartiere in Deutschland. Die Vorstellung, dass wir Geld ausgeben, damit Kinder nicht in die Kita gehen, war und ist mir immer noch schlichtweg unerträglich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe offen zu: Dass wir die Abschaffung des Betreuungsgeldes damals nicht durchsetzen konnten, hat es mir schwergemacht, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen – und das trotz Mindestlohn und Mietpreisbremse, die ich für die Menschen in Neukölln unbedingt haben wollte.

Und trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehe ich die Abschaffung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht ein wenig mit gemischten Gefühlen. Kollege Rief, ich hätte mir gewünscht, dass eine kritische und konstruktive Debatte in diesem Haus eine politische Mehrheit für eine bessere Verwendung der Betreuungsgeldmittel hervorgebracht hätte. Die Abschaffung durch Verfassungsrecht ersetzt diese Debatte nicht.

(Josef Rief [CDU/CSU]: Richtig!)

Aber sie gibt uns immerhin den Anlass, diese notwendige Debatte jetzt zu führen. Es ist deswegen auch gut, dass die Fraktionen der Opposition dazu heute einen Aufschlag machen. Offensichtlich ist aber auch: Eine Einigung über die Verwendung der Betreuungsgeldmittel wird es ohne die Union nicht geben.

(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Das ist aber schade!)

Deshalb werden wir uns auch von Ihren Anträgen, Frau Kollegin Brantner, Herr Kollege Müller, als Koalition nicht treiben lassen. Der Versuch, vorzupreschen, immer der Erste zu sein, der die richtige Lösung gesehen und gefordert hat, ist der Sache nicht immer dienlich.

(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Besser als gar keiner!  – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange diskutieren wir schon? Wir waren die Einzigen, die immer dagegen waren!)

Die SPD geht mit ganz klaren Vorstellungen in diese Verhandlungen. Wir wollen, dass die Betreuungsgeldmittel weiter den Familien zugutekommen.

(Beifall bei der SPD)

Kinder und Familien fördern wir am besten und am gerechtesten durch erstklassige Kitas und Schulen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb wollen wir dieses Geld zusätzlich in unsere Kitas investieren. Darüber werden wir mit der Union reden. Und verlassen Sie sich darauf: Diese Koalition wird eine gemeinsame Lösung finden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen ja eine gute Lösung, nicht irgendeine!)

Dass die Betreuungsgeldmittel weiter für Kinder und Familie eingesetzt werden, ist der SPD-Fraktion auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Flüchtlingsbewegung sehr wichtig. Denn wir dürfen jetzt einen Fehler nicht machen: Wir dürfen nicht auf sinnvolle und notwendige Maßnahmen verzichten und dann als Begründung angeben, dass dafür wegen der Flüchtlinge kein Geld mehr da sei.

(Beifall im ganzen Hause)

Wer so argumentiert, meine Damen und Herren, der legt die Axt an die Wurzeln des guten Willens, mit dem sich die Gesellschaft zurzeit den Herausforderungen der Flüchtlingsbewegung stellt. Was die Kitas angeht, ist sowieso das Gegenteil richtig: Wer etwas für unsere Kitas tut, der tut zugleich etwas dafür, dass Flüchtlingsfamilien schnell in unserer Gesellschaft ankommen.

Nach Schätzungen des Familienministeriums werden wir für Flüchtlingskinder zusätzlich knapp 70 000 Kitaplätze brauchen. Und die, meine Damen und Herren, müssen wir auch bereitstellen. Ich will jedes einzelne dieser Flüchtlingskinder in unseren Kitas sehen. Dort lernen sie Deutsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dort lernen sie, dass Jungen und Mädchen bei uns die gleichen Rechte haben. Dort erleben sie, nach welchen Regeln das Zusammenleben in unserer Gesellschaft funktioniert. Diese sozialisierende Funktion der Kita, die über eine einfache Bildungsfunktion weit hinausgeht, ist gerade für die Kinder aus Flüchtlingsfamilien ungeheuer wichtig. Ich will die Wahlfreiheit der Familien überhaupt nicht einschränken. Aber diese Kinder gehören in unsere Kitas.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber damit die Kitas das alles auch leisten können, brauchen sie unsere Unterstützung. Das heißt, mit jedem Euro, den wir heute in die Kitas stecken, tun wir etwas für alle: Wir tun etwas für die einheimischen Familien, die natürlich diese Kitabetreuung in hoher Qualität brauchen, sie in Anspruch nehmen und das auch weiter tun sollen, und wir tun etwas für die, die jetzt neu dazukommen. Vor allem aber tun wir etwas für eine gute gemeinsame Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist unsere Pflicht – davon bin ich fest überzeugt, meine Damen und Herren –, dem Ernst der Lage, in der wir uns befinden, mit Realismus, aber auch mit gutem Willen und mit Optimismus zu begegnen. Gerade bei den Beratungen über die Betreuungsgeldmittel können wir beweisen, dass uns das gelingen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5849305
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Investitionen in Kindertagesstätten
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