Manfred ZöllmerSPD - Anpassung des Bankenabwicklungsrechts an EU-Recht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum beschließen wir heute eigentlich ein Gesetz, das Abwicklungsmechanismusgesetz heißt? Wenn wir das besser verstehen wollen, müssen wir uns gedanklich noch einmal in die Krisenjahre 2007 und 2008 zurückversetzen. Auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise mussten auch in Deutschland Banken gerettet werden. Dies war notwendig, weil es sonst zu einem Zusammenbruch der Finanzmärkte mit unabsehbaren Folgen für Wirtschaft und Ersparnisse gekommen wäre. Gerettet wurden damals die Banken mit unserem Geld, dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das war damals unausweichlich. Aber wir haben uns in die Hand versprochen: Das darf nicht noch einmal geschehen. Wir wollen nicht noch einmal für die Zockereien der Banken bluten.
Banken werden auch in Zukunft pleitegehen können wie jedes andere Unternehmen auch. Ein „too big to fail“ wird der Vergangenheit angehören; denn zukünftig werden Eigentümer und Gläubiger vorrangig haften, nicht mehr die Steuerzahler. Risiko und Haftung gehören in Zukunft auch bei systemrelevanten Banken wieder zusammen. Dazu waren viele gesetzliche Änderungen notwendig. Deshalb hat es lange gedauert, bis wir an diesem Punkt angekommen sind. Wir haben eine europäische Bankenunion geschaffen und umgesetzt. Wir haben einen europäischen Bankenfonds eingerichtet, finanziert von den Beiträgen der Banken. Wir haben sehr viele Gesetze gemacht, um dieses Ziel zu erreichen.
Jetzt sind wir dabei, das, was wir bisher in Deutschland gemacht haben, an die europäischen Vorgaben anzupassen. Wir haben die FMSA, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, die als nationale Behörde tätig ist. Auf europäischer Ebene haben wir eine Abwicklungsbehörde, die von der ehemaligen BaFin-Chefin, Frau König, geleitet wird.
Was haben wir umgesetzt? Mit einer sogenannten Haftungskaskade ist nun gesetzlich festgeschrieben, wer mit welchen Wertpapieren in welcher Reihenfolge haftungsmäßig im Fall der Insolvenz einer Bank herangezogen wird. Neusprachlich heißt das Bail-in. Diese Neuregelung hat nicht alle Verfahrensbeteiligten begeistert, weil nun bestimmte Papiere an Wert verloren haben, weil sie zukünftig im Insolvenzfall herangezogen werden können. Dies war aber notwendig, um das Ziel der sogenannten Bail-in-Fähigkeit zu erreichen. Wir haben aber die Übergangsfrist verlängert, damit sich die betroffenen Finanzinstitute auf diese veränderten Bedingungen einstellen können.
Es wäre sehr gut, wenn diese Haftungskaskade, die wir hier beschlossen haben, in Zukunft zur Blaupause für ähnliche Beschlüsse in anderen europäischen Ländern wird. Der Kollege Radwan hat eben deutlich gemacht, dass in vielen Ländern in Europa das Ganze noch nicht umgesetzt worden ist. Das ist etwas, was so nicht sein kann.
Über die Verordnungsermächtigung zur Umsetzung der sogenannten Mindestanforderungen an das Risikomanagement, über die sogenannten MaRisk, haben wir längere Zeit diskutiert. Es hat ein bisschen öffentliche Kritik der EZB gegeben. Diese fürchtete, damit sei die einheitliche europäische Bankenaufsicht bedroht. Man muss aber wissen, eine Reihe anderer Länder in Europa haben bereits ähnliche Verordnungen beschlossen.
Für die beiden regierungstragenden Fraktionen gilt, dass niemand eine einheitliche europäische Aufsicht behindern will.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben dafür gesorgt, dass sie eingeführt wird.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Interessant, was Sie da so sagen!)
Es muss aber darum gehen, lieber Kollege Schick, die Besonderheiten des deutschen Bankensystems – wir sind uns doch sicher einig, dass das deutsche System eine ganze Reihe von schützenswerten Besonderheiten hat –
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sehr wahr!)
angemessen zu berücksichtigen. Zudem müssen wir sicherstellen, dass die BaFin in Zukunft auf Augenhöhe agieren kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Augenhöhe mit wem?)
– Auf Augenhöhe mit der EZB. – Deshalb haben wir einen vernünftigen Kompromiss gefunden: Nicht die BaFin, sondern das Finanzministerium erlässt diese Verordnung; dies geschieht auf der Basis europäischer Regelungen, und der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags ist entsprechend einzubinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Gesetzentwurf stellen wir sicher, dass auch in der Übergangsphase genügend Geld zur Verfügung steht, um in einem Insolvenzfall leistungsfähig zu bleiben. Die Mittel der deutschen Bankenabgabe stehen zur Verfügung. Durch eine Kreditermächtigung haben wir die Leistungsfähigkeit der deutschen Kammer des europäischen Abwicklungsfonds erheblich erhöht, bis dieser Fonds im Jahr 2024 mit 55 Milliarden Euro, lieber Axel Troost, gefüllt sein wird.
Schaut man sich die europäische Ebene genauer an, so muss es jetzt darum gehen, dass die einheitliche Umsetzung der europäischen Regelungen Vorrang hat. Es sollte Aufgabe der Europäischen Kommission sein, darauf hinzuwirken, dass diese Richtlinien zügig in nationales Recht umgesetzt werden. Man sollte nicht öffentlich über irgendwelche zu vergemeinschaftende Einlagensicherungssysteme nachdenken. Das schafft nur Verwirrung. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich unseren Finanzminister, der deutlich gemacht hat, dass so etwas zum jetzigen Zeitpunkt mit Deutschland nicht zu machen ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz markiert einen guten Tag für den Steuerzahler, einen guten Tag für die soziale Marktwirtschaft.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feststehender Textbaustein bei euch!)
Risiko und Haftung fallen zukünftig wieder zusammen. Wer schlecht wirtschaftet, geht in Insolvenz. Das gilt zukünftig auch für Banken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Zöllmer. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Gerhard Schick für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5849380 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung des Bankenabwicklungsrechts an EU-Recht |