24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 9

Dagmar SchmidtSPD - Erziehungsleistungen und Mutterschutz in der Rente

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Birkwald, ja, es ist ungerecht, dass manchen Adoptivmüttern, die zum Zeitpunkt der Einführung der Mütterrente bereits in Rente waren, die Erziehungszeit nicht angerechnet wird. Es war bei einer so großen Reform nicht möglich, jeden Einzelfall zu berücksichtigen. Diese Pauschalregelung – Stichtag: 12. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes – kann auch an anderen Stellen zu Ungerechtigkeiten führen. Das liegt in der Natur der Sache bei pauschalen Lösungen und bei Stichtagsregelungen. Das war für uns aber kein Grund, deswegen die Mütterrente gar nicht einzuführen. Dazu wird mein Kollege Martin Rosemann noch etwas sagen.

Ja, es ist auch ungerecht, dass Zeiten des Mutterschutzes, also die sechs Wochen vor dem Geburtstermin und die acht Wochen nach der Entbindung, bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht anerkannt werden. Das hat damit zu tun, dass anders als im Krankheitsfall für die Mutterschutzzeiten keine Rentenbeiträge gezahlt werden. Wenn Sie mich fragen, können wir darüber gerne mit dem Bundesgesundheitsminister reden.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen Sie das bitte!)

Wie groß ist das Problem wirklich? Jeder Monat, in dem die Frau nur einen Tag arbeitet und Beiträge bezahlt, wird voll angerechnet. Die Monate nach dem Zeitpunkt der Geburt werden dann als Kinderberücksichtigungszeiten angerechnet. Das heißt – Sie haben es gesagt –, im Endeffekt geht es um vier Wochen, die Frauen länger arbeiten müssten als Männer. Davon können nur Frauen betroffen sein. Deswegen ist es ungerecht.

Wenn Sie aber von dem großen Gerechtigkeitsempfinden reden, dann muss ich, ehrlich gesagt, sagen: Wir wurden gebeten, uns um ganz andere Probleme zu kümmern. Wir haben uns auch erfolgreich darangemacht, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, und große soziale Fortschritte erzielt. Die Aufzählung erspare ich Ihnen nicht. Ich hoffe, dass auch die Familien auf der Tribüne das eine oder andere darin finden, was ihre persönliche Lebenssituation verbessert bzw. erleichtert hat.

Uns haben viele Menschen geschrieben, die lange in die Rentenversicherung eingezahlt haben, die oftmals mit 14 oder 15 Jahren zu arbeiten begonnen haben und ihren solidarischen Beitrag geleistet haben. Wir haben entschieden, dass, wer 45 Jahre gearbeitet und eingezahlt hat, zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen kann. Davon haben bisher 240 000 Menschen profitiert. Das ist auch verdient und gerecht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben mit der Mütterrente 9,5 Millionen Menschen, zum überwiegenden Teil Frauen, zu mehr Gerechtigkeit verholfen. Die höhere Mütterrente hat die Auszahlbeträge für Frauen insgesamt um 10 Prozent erhöht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist schon eine Hausnummer. Auch wenn wir es lieber aus Steuermitteln bezahlt hätten: Das ist gerecht, und sie haben es verdient.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir kennen wie Sie viele Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können. Deswegen haben wir die Erwerbsminderungsrente und die Reha gestärkt und im Präventionsgesetz mehr Mittel für die betriebliche Gesundheitsprävention zur Verfügung gestellt. Aber das reicht uns noch nicht. Wir wollen verhindern, dass Menschen ihre Gesundheit durch Arbeit gefährden, und ihnen zusätzliche Unterstützung beim Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zukommen lassen. Wir haben das hier schon unter dem Stichwort „Ü45‑Check‑up“ diskutiert. Durch flexible Übergänge in die Rente wollen wir eine individuelle Anpassung des Renteneinstiegs bezogen auf die Gesundheit und die Erwerbsbiografie ermöglichen, ohne dass die Menschen Angst vor Altersarmut haben müssen.

Jede Rente – das wissen Sie – ist nur so gut wie die Erwerbsbiografie. Hier gibt es viele Baustellen, die wir angehen und abarbeiten, und zwar vor allem zugunsten der Frauen.

Erstens: die Bekämpfung des Niedriglohnsektors. Wir haben einen Mindestlohn eingeführt. 4 Millionen Menschen, davon 60 Prozent Frauen, haben jetzt mehr Geld in der Tasche. Das ist verdient und gerecht, und das war überfällig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens: die sogenannte gläserne Decke. Karriere hängt nicht nur vom Können ab. Uns sind Frauen bekannt, denen, obwohl sie klüger und gebildeter waren, der Mann vorgezogen wurde. Frauen machen seltener Karriere als Männer, nicht weil sie dümmer und fauler sind, sondern weil man gerne diejenigen unterstützt, die genauso sind wie man selbst. Männer helfen Männern bei der Karriere. Um dieses System zu durchbrechen, haben wir jetzt eine Frauenquote.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Drittens: ungleicher Lohn trotz gleicher Arbeit. Trotz gleicher Arbeit verdienen Frauen weniger als Männer. Deswegen wollen wir ein Gesetz für Lohngerechtigkeit. Wir wollen mehr Transparenz bei der Bezahlung und eine Diskussion darüber, wie systematische Ungerechtigkeiten überwunden werden können. Bei uns heißt das Entgeltgleichheitsgesetz.

Viertens: ungleiche Bezahlung bei gleichwertiger Arbeit. Hier geht es um die bessere Bezahlung in typischen Frauenberufen. Wir wollen eine angemessene Bezahlung von Erzieherinnen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wollen wir auch! Und was hat das mit dem Thema zu tun?)

Deswegen wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, das Betreuungsgeld in die Kitas zu stecken.

Herr Birkwald, es geht hier um die Frage – Herr Kurth hat das ebenfalls angesprochen –, wie wir dafür sorgen, dass Frauen am Ende ihres Erwerbslebens eine ordentliche Rente bekommen.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dafür sind wir auch!)

Das ist ein Thema, das eigentlich auch Sie beschäftigen sollte. Die Gerechtigkeitsfrage wird in Briefen und Gesprächen an uns herangetragen. Deswegen rede ich an dieser Stelle darüber, auch wenn Sie uns unsere Erfolge vielleicht neiden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Wir haben uns beim Rentenpaket enthalten!)

Fünftens: Frauen arbeiten oftmals unfreiwillig in Teilzeit. Deswegen wollen wir das Recht auf Rückkehr in Vollzeit. Ich hoffe, dass wir das noch in diesem Jahr hinbekommen. Wir fördern den Ausbau der Kitas mit mehreren Milliarden Euro; das ist kein Geld aus der Portokasse, sondern viel Geld für Verbesserungen. Wir wollen auch mehr Partnerschaftlichkeit bei Familienarbeit und Kindererziehung. Das fördern wir mit dem Elterngeld Plus.

Wenn ich alles zusammenfasse, dann erzielen 4 Millionen Menschen durch den Mindestlohn ein besseres Einkommen, erfahren jetzt schon 240 000 Menschen durch die Rente nach 45 Versicherungsjahren eine Erleichterung und erhalten 9,5 Millionen Frauen durch die Mütterrente eine gerechtere Rente. Es sind Millionen Frauen, denen durch die Frauenquote, durch Entgeltgleichheit, durch Recht auf Vollzeit, durch bessere Kinderbetreuung und mehr Partnerschaftlichkeit mehr Gerechtigkeit widerfährt und widerfahren wird. Darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir sehr stolz.

Glück auf!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Matthäus Strebl.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5849590
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Erziehungsleistungen und Mutterschutz in der Rente
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