Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nouripour, in der gegenwärtigen Situation gilt das humanitäre Gebot: Wir müssen verhindern, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Das können wir zum einen dadurch tun, dass wir diese Menschen aus den seeuntüchtigen Booten retten, mit denen sie von den Schleppern fahrlässigerweise aufs Meer hinausgeschickt werden. Das können wir zum anderen dadurch tun, dass wir verhindern, dass Schlepper diese Menschen mit falschen Versprechungen und unter Verharmlosung des Risikos in diese Boote locken und damit in Lebensgefahr bringen.
Ich glaube, dass in diesem Einsatz, sowohl so, wie er bisher in Stufe 1 abgelaufen ist, als auch so, wie er jetzt geplant ist, genau diese Kombination vorgesehen ist. Es geht darum, Menschen zu retten. Nach heutigem Stand konnten durch Schiffe der deutschen Marine 8 030 Menschen gerettet werden. Es geht auch darum, zu verhindern, dass dieser äußerst gefährliche, für viele leider tödliche Weg beschritten wird.
Frau Brugger hat – darüber haben wir im Bundestag nicht debattiert – zu diesem Thema mit Spiegel Online gesprochen, was wir natürlich alle lesen werden. Ich glaube nicht, dass der Einsatz der Stufe 2 i), wie er jetzt von der Bundesregierung in diesem Antrag beschlossen werden soll, dazu führen wird, dass weniger Flüchtlinge gerettet werden.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er aber schon! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zahlen liegen vor!)
Erstens. Die Zahl der Schiffe, die unter EU-Mandat fahren, wird sich von vier auf acht erhöhen. Zweitens. Die Zahl der Schiffe, die auf andere Weise zur Rettung beitragen, hat in der letzten Zeit zugenommen, sodass möglicherweise die Notwendigkeit, dass Marineschiffe Flüchtlinge aufnehmen müssen, nicht mehr in dem Maße gegeben ist, wie das in der Anfangsphase der Fall war. Es ist allerdings auch so, dass das Wetter im Herbst strenger wird und dass es dann offensichtlich wird, wie gefährlich eine Flucht auf dem Meer ist, und vielleicht auch deswegen der eine oder andere davor zurückschreckt.
Ich möchte den Blick auf das wenden, was wir in der EU auch noch vereinbart haben. Wir haben gesagt: Wenn es eine libysche Regierung gibt – es liegt jetzt ein Friedensvertrag vor, der von den Parlamenten in Tobruk und Tripolis abgesegnet werden muss, was vielleicht bald geschehen wird –, mit der wir zusammenarbeiten können, dann werden wir sicherlich auch darüber nachdenken, ob wir weitergehen und die Stufe 2 ii), so ist es offiziell formuliert, und dann gegebenenfalls die Stufe 3, also ein konkreter Einsatz vor der libyschen Küste, umsetzen.
Das ist im Grunde das, was wir anstreben, nämlich den Flüchtlingen ein sicheres Zuhause jenseits des Mittelmeers zu geben. Wir möchten ihnen zusichern können, dass ihrem Antrag auf Schutz vor politischer Verfolgung im Einvernehmen mit der libyschen Regierung entsprochen wird. So können wir vermeiden, dass diese Menschen nach Europa kommen müssen, um hier ihren Antrag zu stellen.
Ich glaube, Ihre Ablehnung und Ihre Skepsis gegenüber dem Antrag der Bundesregierung fußen ganz wesentlich darauf, dass Sie wissen: Wenn Sie heute zustimmen, wird es bei einem späteren Antrag, der vielleicht in wenigen Wochen oder Monaten vorliegen wird, noch schwieriger, Nein zu sagen. Ich glaube, dass wir diesen Weg konsequent weitergehen sollten, um zu vermeiden, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Ich möchte an dieser Stelle noch ergänzen, dass wir die Bemühungen der Bundesregierung, die Mittel der UN-Ernährungsprogramme zur Versorgung von Flüchtlingen deutlich aufzustocken, damit es nicht zu finanziellen Engpässen kommt, welche zu einer erneuten Flucht und zu einer Verunsicherung der Menschen führen, massiv unterstützen. Wir stellen uns aber schon die Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Wie können wir die Strukturen der UN und ihrer Tochterorganisationen optimieren und verbessern?
Kollege Hardt, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Keul?
Ja, gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie haben eben gesagt: Wir werden in wenigen Wochen mit der Stufe 3, also mit der Erteilung eines Mandats, vor der libyschen Küste tätig zu werden, zu rechnen haben. Die Lage in Libyen sieht nicht gerade rosig aus.
Sie wissen, dass Sie dafür eine völkerrechtliche Grundlage brauchen. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass Russland sich in diesem Zusammenhang irgendwie bewegen wird und es im UNSicherheitsrat hierzu eine Einigung geben wird?
Zunächst einmal habe ich meine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass wir in dem Fall, dass es eine legitime libysche Regierung gibt, gemeinsam über weitere Schritte nachdenken können und dass wir dann auch konsequenterweise, weil wir in der EU einen Mehrstufenplan vereinbart haben, die weiteren Schritte gehen.
Man könnte sich in diesem Fall zuallererst vorstellen, dass die libysche Regierung uns einlädt, dies zu tun. Wir werden jetzt im Rahmen der Stufe 2 i) zwar die Schlepper, die wir identifizieren, erkennungsdienstlich behandeln, aber wir werden sie nicht an eine libysche Regierung zu einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung übergeben. Ich glaube, dass es zunächst dazu kommen wird, dass wir auf Einladung einer libyschen Regierung gegebenenfalls mit ihr zusammenarbeiten und mit ihr gemeinsam das Schlepperwesen bekämpfen und vor allem – das ist meines Erachtens noch viel wichtiger – gemeinsam zu einem Weg kommen, wie mit den Flüchtlingen auf libyschem Boden in humanitärer Hinsicht vernünftig umgegangen werden kann.
Ich war bei den Programmen der Vereinten Nationen stehen geblieben. Wir erleben jetzt, dass die Bundesregierung dabei konsequent vorangeht. Sie hat auch schon vor einigen Monaten in Berlin eine Konferenz einberufen. Trotzdem finde ich es unbefriedigend, dass wir bei den Vereinten Nationen nicht zu Strukturen kommen, die dafür sorgen, dass wir erst gar nicht in eine solche Situation geraten. Ich finde, es muss klare Vereinbarungen und Frühwarn- und Vorwarnmechanismen geben, die das verhindern. Im 70. Jahr der Vereinten Nationen sollten die Vereinten Nationen so weit entwickelt sein, dass die großen Hilfsprogramme nicht von der Hand in den Mund leben müssen. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Dr. Fritz Felgentreu hat für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5849738 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED |