24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 10

Fritz FelgentreuSPD - Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Jürgen Hardt, ich denke, es ist auch in Ihrem Sinne, wenn ich an dieser Stelle auch im Namen des Verteidigungsausschusses ganz allgemein den Männern und Frauen vom Tender „Werra“ und von der Fregatte „Schleswig-Holstein“ für ihren großartigen Einsatz im Mittelmeer und vor allen Dingen auch für die humanitäre Wirkung dieses Einsatzes danke, die heute bereits mehrfach angesprochen worden ist. Das möchte ich hiermit gerne tun.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke hat kritisiert, dass wir mit der Erweiterung und dem Eintritt in die Phase 2 des Einsatzes auch ein politisches Bekenntnis dazu ablegen, die Schleuserkriminalität zu bekämpfen. Ich möchte dieses politische Bekenntnis gerne noch einmal ausdrücklich unterstreichen. Die Tatsache, dass es sich bei der Bekämpfung von Schleuserkriminalität in der Tat um Symptombekämpfung handelt, heißt doch nicht, dass es nicht sinnvoll ist, diese Symptome zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Die Schleuser im Mittelmeer nutzen mit krimineller Intention die Notlage der Menschen aus und setzen deren Not manipulativ ein, um selber viel Geld zu verdienen und die Europäer zu einem humanitären Einsatz zu zwingen. Diese Art der Herangehensweise verdient es, bekämpft zu werden. Wenn dafür der EUNAVFOR-MED-Einsatz ein effektives Mittel ist, dann müssen wir unbedingt zu diesem Mittel greifen.

Das heißt nicht – ich glaube, das ist der Punkt, über den wir eigentlich reden müssen –, dass wir die Bekämpfung der Fluchtursachen deswegen aufgeben. Das eine ist die Ebene der Symptombekämpfung, um die wir uns auch im Sinne einer europäischen Solidarität kümmern müssen. Das andere ist die Frage, wie wir damit umgehen können, damit in Zukunft weniger Menschen den Wunsch entwickeln, den gefährlichen Weg der Flucht über das Mittelmeer zu gehen.

Kollege Felgentreu, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Liebich?

Selbstverständlich, gerne.

Herr Kollege Felgentreu, selbstverständlich hat die Linke gar nichts dagegen, dass Kriminalität bekämpft wird. Unser Argument war, dass die Bekämpfung, wie Sie sie vorschlagen, aussichtslos sein wird. Denn solange die Grenzen geschlossen sind, wird es immer Leute geben, die versuchen, illegal über die Grenzen zu kommen. Mich würde interessieren, was Sie zu diesem Argument sagen.

Dann habe ich noch eine Frage:

Finden Sie nicht auch, dass die Bekämpfung von Kriminalität Aufgabe der Polizei und nicht der Armee ist?

Sie kommen auf einen Punkt zu sprechen, auf den ich in meiner Rede gerade eingehen wollte. Eines ist doch vollkommen klar: Wenn wir erreichen wollen, dass die Menschen nicht mehr den Wunsch haben, über eine gefährliche Flucht nach Europa zu gehen, dann müssen wir die Fluchtursachen bekämpfen. Die Bekämpfung der Fluchtursachen erreichen wir nicht, indem wir die Kriminellen bekämpfen, die die Not der Flüchtlinge ausnutzen. Das ist aus meiner Sicht ein völlig klarer Zusammenhang. Insofern brauchen wir eine Strategie, die an allen Punkten ansetzt.

Die Grenzsicherung in Europa ist ebenfalls eine militärische Aufgabe. Dass diese im Rahmen des EUNAVFOR-MED-Einsatzes auch von der Bundeswehr wahrgenommen wird, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Bei der Bekämpfung der Fluchtursachen müssen wir allerdings wesentlich tiefer ansetzen. Dazu gehört natürlich auch der Vorschlag der Grünen, legale Wege der Einwanderung zu schaffen. Ich würde an diesem Punkt gerne weitermachen, erspare Ihnen aber, das im Rahmen meiner Antwort zu tun.

Herr Nouripour, Sie haben vollkommen recht – die SPD-Fraktion hat sich bereits mehrfach in diesem Sinne geäußert –, dass die legalen Wege der Einwanderung ausgeweitet werden müssen. Das wollen wir auch tun. Deswegen wollen wir gerne ein Einwanderungsgesetz schaffen. In einem Punkt glaube ich allerdings nicht, dass dies weit genug trägt. Die bloße Möglichkeit einer legalen Einwanderung wird niemals so ausgestaltet werden können, dass sie den gesamten Druck nimmt. Wenn wir legale Wege der Einwanderung schaffen, die für die einzelnen Menschen mit unerträglich langen Wartezeiten verbunden ist, dann wird es trotzdem viele Menschen geben, die den gefährlichen Weg der Flucht weitergehen wollen. Deswegen kann das nur ein Baustein einer Strategie sein und niemals die gesamte Strategie ersetzen.

Der heute bereits mehrfach gegebene Hinweis auf den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Libyen ist wichtig. Hier nähern wir uns einem Punkt an, über den wir bei der Bekämpfung der Fluchtursachen zu wenig diskutiert haben. Wir haben über die unerträglichen Verhältnisse in den Lagern und die Tatsache gesprochen, dass das Leben in Libyen unsicher geworden ist. Wenn wir aber den Blick über Libyen hinaus richten, dann sehen wir, dass überall dort, wo Menschen in dem tödlichen Dreieck aus organisierter Kriminalität, Terror und Korruption versuchen müssen, ein Leben aufzubauen, eine echte Perspektive nicht entstehen kann. Es ist gerade diese Perspektivlosigkeit, die anständige Menschen in die Flucht treibt. Deswegen meine ich, dass wir als Europäer auf ganz andere Weise als bisher – konsequenter und stringenter – und mit größerer Bereitschaft die Machtmittel, über die wir verfügen, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption einsetzen müssen. Da haben Sie vollkommen recht, Herr Kollege Liebich: Das wird eher die Aufgabe der Polizei, von Interpol und Europol, sein als die der Bundeswehr. Aber wir müssen es tun.

Wir dürfen nicht nur die Schleuser verhaften, die Boote über das Mittelmeer steuern. Vielmehr müssen wir auch die Geldströme offenlegen, die durch die Schleuserkriminalität generiert werden. Wir müssen das Geld, das damit verdient wird, beschlagnahmen. Wir müssen internationale Haftbefehle gegen die für solche Schleuseraktivitäten verantwortlichen Hintermänner ausstellen können, die an vielen Stellen als scheinbare Ehrenmänner ihrer Arbeit nachgehen und die wir als Ansprechpartner nicht gebrauchen können. Das ist der eigentliche Punkt. Die Bekämpfung von Fluchtursachen setzt an vielen Stellen an. Armutsbekämpfung ist eine davon.

Letzter Hinweis. Kollege Nouripour, Sie haben bemängelt, dass der Operationsplan bislang nicht vorliegt. Damit haben Sie natürlich recht. Aber er soll im Laufe dieser Woche eingehen. Es ist sicherlich eine Selbstverständlichkeit, dass man in den Ausschüssen nicht vernünftig über EUNAVFOR MED diskutieren kann, wenn man keinen Zugang zum Operationsplan hat. Sie haben auch gesagt, Sie könnten so nicht darüber abstimmen. Sie müssen aber auch noch nicht darüber abstimmen. Heute ist die erste Beratung. Seien Sie versichert: Bis zur Abstimmung wird die Bundesregierung auch in diesem Punkt ihre Hausaufgaben gemacht haben, sodass wir dann eine vernünftige Beratungsgrundlage haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Der Kollege Florian Hahn hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5849798
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta