24.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 17

Niema MovassatDIE LINKE - Beziehungen zu Namibia

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwischen 1904 und 1908 beging das Deutsche Kaiserreich in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, einen brutalen Völkermord. Bis zu 100 000 Menschen wurden damals ermordet. Es war Generalleutnant Lothar von Trotha, der damals den Vernichtungsbefehl gegen die Herero erteilte. Ich zitiere ihn:

Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut …

Die deutschen Truppen trieben daraufhin die Herero, darunter Alte, Frauen und Kinder, in die Wüste und ließen sie dort verhungern und verdursten. Die deutschen Kolonialherren steckten Herero und Nama in Konzentrationslager, deportierten sie und missbrauchten sie für rassistische, pseudowissenschaftliche Experimente. Die deutsche Wirtschaft zog Herero und Nama zur Zwangsarbeit heran. Doch nicht nur ihre Freiheit, sondern auch ihr Land und ihr Vieh wurden ihnen geraubt.

Dies alles ist über 100 Jahre her. In diesen über 100 Jahren hatte kein einziges deutsches Staatsoberhaupt den Mumm und den Anstand, das Wort „Völkermord“ in den Mund zu nehmen und offiziell um Vergebung zu bitten. Ich finde das beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Erst in den letzten Jahren bewegte sich endlich etwas: 2004 entschuldigte sich die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im eigenen Namen erstmals für die Verbrechen. Seit dem letzten Jahr führt das Auswärtige Amt einen Dialog mit der namibischen Regierung, in dem es die Definition „Völkermord“ endlich anerkannt hat. In diesem Jahr schließlich, zum 100. Jahrestag des Endes der deutschen Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika, hat Bundestagspräsident Lammert unmissverständlich von Völkermord gesprochen. Das alles ist sehr zu begrüßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zwei wesentliche Schritte zu einer echten Versöhnung mit Namibia stehen aber noch aus:

Erstens eine offizielle Entschuldigung durch den Bundespräsidenten und die Bundeskanzlerin, am besten im Rahmen eines Besuchs in Namibia, bei dem vor den Nachfahren der Opfer um Vergebung gebeten wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Einige denken vielleicht: Das ist so lange her. Warum müssen wir uns jetzt noch entschuldigen? Es hat etwas mit Anstand zu tun, die Verbrechen der eigenen Vorfahren beim Namen zu nennen und um Vergebung dafür zu bitten. Das gehört zu einem anständigen Verhalten dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens – und das ist sehr bedeutsam – leiden die Nachfahren der Opfer bis heute an den Folgen des damaligen Völkermordes und insbesondere des Land- und Viehraubs. Noch heute sind fast 80 Prozent ihres ursprünglichen Farmlandes in der Hand von Weißen. Die Nachfahren der Opfer sind bitterarm und haben keine wirtschaftliche Grundlage für ein menschenwürdiges Leben. Deshalb ist es notwendig, dass wir auch über eine Wiedergutmachung diskutieren.

(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Dabei geht es nicht um individuelle Entschädigungen, sondern darum, strukturelle Nachteile auszugleichen. Es geht darum, diejenigen, deren Vorfahren Land und Vieh genommen wurden und die deshalb bis heute in bitterer Armut leben, zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung sollte diese Fragen in einem transparenten und ergebnisoffenen Dialog mit der namibischen Regierung und den Nachfahren der betroffenen Volksgruppen diskutieren. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik schaden würde, wenn diese Dinge erst vor internationalen Gerichten landen müssten – egal wie die Entscheidung dann ausgeht.

Lassen Sie uns endlich die richtigen Schritte gehen. Der Völkermord wird jetzt von der Bundesregierung auch als solcher bezeichnet. Nun muss die Entschuldigung folgen, und der Dialog über Wiedergutmachung muss beginnen.

Ich finde es übrigens bedauerlich, dass die Regierungskoalition bisher keinen eigenen Antrag zu diesem Thema hier vorgelegt hat. Insbesondere von der SPD bin ich enttäuscht; denn in der letzten Legislatur haben Sie noch einen recht vernünftigen Antrag mit der Unterschrift des heutigen Außenministers Steinmeier vorgelegt.

Wir müssen endlich gemeinsam eine Lösung finden und dafür sorgen, dass Deutschland seiner kolonialen Vergangenheit offen ins Auge blickt. Das sind wir den Nachfahren der Opfer schuldig.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Professor Dr. Egon Jüttner, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5850221
Wahlperiode 18
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Beziehungen zu Namibia
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine