Tom KoenigsDIE GRÜNEN - Beziehungen zu Namibia
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns also hier im Hause einig: Das war Völkermord. Es war der erste Völkermord im 20. Jahrhundert, und es war einer, bei dem wir Schuld auf uns geladen haben. Generalleutnant von Trotha, der damals Verantwortliche, sagte:
Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh, erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen.
Das erfüllt den Tatbestand der wissentlichen und gewollten Ausrottung dieses Volkes.
Jetzt kann man sagen: Das ist lange her, wir sind uns einig, und wir haben eigentlich schon alles gemacht. – In anderen Versöhnungsprozessen zwischen Ländern, in denen schwerste Verbrechen verübt worden sind – aktuell gerade in Kolumbien –, fordern die Opfer immer Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung und die Garantie der Nichtwiederholung.
Wir müssen uns schon fragen, wie weit die Wahrheit über die koloniale Verantwortung Deutschlands in unseren Schulen bekannt ist. Wissen wir, dass zum Beispiel im Wettlauf um Afrika der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Bernhard von Bülow, sagte:
Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.
Das war unsere Sonne, nicht die Sonne in Afrika.
Wissen wir auch, dass zum Beispiel August Bebel in diesem Hause an dieser Stelle vehement gegen den Kolonialismus polemisiert hat?
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau! Liebknecht auch!)
Das ist weitgehend nicht bekannt. Das gehört aber zur Wahrheit. Das muss in die Schulen.
Der zweite Punkt ist Gerechtigkeit. Wie kann man den Nachkommen der Opfer Gerechtigkeit angedeihen lassen? Ich glaube, da ist sehr vieles nötig: das Anerkennen der Schuld, etwa in einer Resolution dieses Bundestages, die Bitte um Entschuldigung, auch durch eine Resolution dieses Bundestages, aber vor allem die Wiederherstellung der Würde der Opfer. Deshalb muss man die Nachkommen der Opfer anhören, und zwar auf Augenhöhe. Das ist sehr schwierig. Da gibt es aber ein paar Dinge, zum Beispiel die Rückgabe der Schädel, an die man übrigens auf scheußliche Weise gekommen ist und die angeblich zu wissenschaftlichen Zwecken – das waren fadenscheinige Gründe – hierhergeschickt worden sind. Aber es gibt auch andere Dinge, etwa Austausch oder Zusammenarbeit.
Dann kommt der schwierige Punkt Entschädigung. Was kann das sein? Richtig: Es geht nicht darum, jedem Nachkommen oder jedem, der behauptet, ein Nachkomme zu sein, 1 000 Euro in die Hand zu drücken. Aber eines ist ganz offensichtlich: Wer schon einmal in Namibia war, der weiß, dass es in Namibia eine fast perfekte Rassentrennung gibt. Von den wunderschönen Loggias gehört keine einzige einem Schwarzen. Sie finden in den Restaurants in Windhuk keinen einzigen weißen Kellner und keinen einzigen schwarzen Gast. Sie finden in den Slums in Namibia keinen einzigen Weißen. Das kann doch kein Zufall sein.
Ich glaube, da müssen wir ansetzen. Wir müssen sehen: Da ist noch einiges im Argen. Das ist Rassismus, wenn auch nicht so aggressiv wie damals in Südafrika, den es anzugehen gilt. In diese Richtung müssen wir unsere Initiativen lenken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das darf nicht durch entwürdigenden Paternalismus geschehen oder in der Art: Wir wissen schon, wie es geht. Vielmehr muss dies mit der Bevölkerung, auch mit der armen Bevölkerung des Landes geschehen und auch mit Kritik an der reichen, der weißen Bevölkerung, die das immer hintanstellt.
Ich glaube – das hat Professor Jüttner richtig gesagt –, wir brauchen eine ganz besondere Beziehung zu der Republik Namibia. Diese Beziehung muss so besonders und so intensiv wie mit anderen Staaten sein, deren Angehörige wir zu Opfern gemacht haben.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)
Ich würde mich freuen, wenn sich das auf allen Ebenen unseres Staates und auch in diesem Parlament ausdrücken würde.
Danke sehr.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Freitag, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5850275 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Beziehungen zu Namibia |