Dagmar FreitagSPD - Beziehungen zu Namibia
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Abend schon einiges über die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika, wie es damals hieß, gehört. Ohne Zweifel gehört dieses Kapitel zu den ganz dunklen in der deutschen Geschichte.
Natürlich – ich denke, darin sind wir uns hier alle einig – ist es an der Zeit, eine politische und moralische Verantwortung für die Gräueltaten an den Herero, den Nama und Angehörigen weiterer Volksgruppen zu übernehmen. Ich glaube, wir sind uns fraktionsübergreifend dieser nicht geringen, sondern sehr großen Verantwortung bewusst. Ebenso sind wir uns – Herr Kollege Koenigs, ich stimme Ihnen darin ausdrücklich zu – der Schuld bewusst, die die kaiserlichen Kolonialtruppen auf sich geladen haben, und ich wiederhole – auch wenn es heute Abend schon mehrfach festgestellt worden ist –: Der Vernichtungskrieg vor über 100 Jahren war ein Kriegsverbrechen, ja, es war auch Völkermord.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier nahm Mitte letzten Jahres mit seiner namibischen Amtskollegin Gespräche auf mit dem Ziel, dem deutsch-namibischen Dialogprozess neue Dynamik zu geben und endlich die ungeregelten Fragen aus unserer Vergangenheit aufzuarbeiten. Ziel dieses Dialoges ist es, gemeinsam – auf diesem Wort liegt die Betonung – eine angemessene und natürlich auch würdige Form des Gedenkens und des Erinnerns an die entsetzlichen Taten der Vergangenheit zu finden. Denn natürlich haben Deutschland und Namibia eine gemeinsame Vergangenheit, und diese muss auf der Basis des gegenseitigen Vertrauens aufgearbeitet werden. Ich glaube, die Initiative unseres Außenministers ist sehr dazu angetan, genau diese Basis des Vertrauens zu schaffen.
(Beifall bei der SPD)
Die ersten Gespräche verlaufen auf beiden Seiten sehr konstruktiv, aber – und das sollten wir nicht unterschätzen – sie werden ihre Zeit brauchen. Diese Zeit sollten wir ihnen, denke ich, geben. Denn Sorgfalt geht in dieser schwierigen Phase sicherlich vor Schnelligkeit.
Wichtig ist aus unserer Sicht – auch das möchte ich erwähnen –, dass die namibische Seite mit abgestimmten Wünschen in die formellen Gespräche mit Deutschland hineingehen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Es gibt bereits einen eng abgestimmten Dialog auf Regierungsebene. Hinzu kommen – das werden auch die Kolleginnen und Kollegen aus der SADC-Parlamentariergruppe bestätigen können – ausgesprochen gute parlamentarische Beziehungen, nicht nur vonseiten der Präsidenten der beiden Parlamente, sondern auch vonseiten der Fraktionen des Hohen Hauses.
Im Juni dieses Jahres leitete ich als Vorsitzende der SADC-Parlamentariergruppe eine Delegationsreise, die uns selbstverständlich auch nach Namibia führte; das war in der Gruppe von vornherein völlig klar. Wir hatten dort einen ausgesprochen intensiven Meinungsaustausch mit Abgeordneten sowohl der Regierungspartei als auch der Opposition und mit zahlreichen Vertretern der Regierung. Dies gilt es unbedingt aufrechtzuerhalten und, wo möglicherweise noch notwendig, vielleicht auch noch zu intensivieren. Denn wir dürfen eines nicht unterschätzen: All das, was in der Vergangenheit von deutscher Seite in Namibia geschehen ist, ist bis heute tief im geschichtlichen Bewusstsein der Menschen im Lande präsent.
Das heißt, ein offener Diskurs zur deutschen Kolonialvergangenheit ist aus unserer Sicht unverzichtbar. Wir befürworten und unterstützen daher auch eine Vielzahl von Förderprogrammen im In- und Ausland, die an die Gewalttaten von damals erinnern. Ich will nur beispielhaft auf Maßnahmen des Auswärtigen Amtes wie die „Aktion Afrika“ oder das Kulturerhaltprogramm ebenso wie auf die Programme des Goethe-Instituts verweisen.
In diesem Zusammenhang ist es für Sie sicherlich auch von Interesse, dass wir einem langgehegten namibischen Wunsch nachkommen, indem wir das Goethe-Zentrum in Windhuk in ein Goethe-Institut umwandeln und damit aufwerten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Nachgang des 100. Jahrestages der Schlacht am Waterberg und der bereits zitierten Äußerungen der damaligen Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul wurde die Sonderinitiative „Namibian-German Special Initiative Programme“ ins Leben gerufen. Diese Sonderinitiative hat das Ziel, durch mit der Bevölkerung abgestimmte Projekte die Lebensbedingungen in den Siedlungsgebieten derjenigen Volksgruppen zu verbessern, die in besonderer Weise unter der deutschen Kolonialherrschaft gelitten haben. Zurzeit läuft eine gemeinsame Auswertung dieser Initiative von namibischer und deutscher Seite. Eines wurde in unseren Gesprächen in Namibia ganz deutlich – die Kollegen werden das bestätigen können –: Eine Fortsetzung dieser Sonderinitiative über das Jahr 2015 hinaus würde begrüßt. Ich denke, wenn die Evaluierung positiv ist, werden wir uns fraktionsübergreifend – so ist es jedenfalls verabredet – dafür einsetzen, diese Initiative weiter zu verfolgen.
Zum Schluss noch ein Wort zu den Anträgen der Kolleginnen und Kollegen der beiden Oppositionsfraktionen. Sie enthalten sehr viele richtige Ansätze und sinnvolle Impulse. Aber viele der von Ihnen angesprochenen Elemente sind ohnehin fester Bestandteil des laufenden Dialogprozesses. Ich sage ganz offen: Ich halte es für wenig sinnvoll, wenn in dieser sensiblen Phase der Gespräche durch Anträge möglicherweise eine Diskussion in Gang gesetzt wird, die nicht als ausgesprochen hilfreich bezeichnet werden könnte. Der Gedanke unseres Handelns sollte wie ein roter Faden die Versöhnung zwischen beiden Ländern sein. Das gilt für die Versöhnung zwischen den Ländern genauso wie für die innernamibische Versöhnung; denn nach Möglichkeit sollen – auch das ist wichtig – keine neuen innernamibischen Gräben aufgerissen werden.
Wir sind auf einem wirklich guten Weg, unserer historischen Verantwortung gegenüber Namibia – ich sage ausdrücklich: endlich – gerecht zu werden. Daher begrüße ich natürlich, dass beide Länder im Rahmen des Dialogprozesses an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten. Vergangenheit aufarbeiten bedeutet in der Konsequenz, Zukunft zu gestalten. Das ist der Weg unserer beiden Länder.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Dr. Bernd Fabritius.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5850299 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Beziehungen zu Namibia |