Georg NüßleinCDU/CSU - Stärkung der pflegerischen Versorgung
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Frau Kollegin Scharfenberg, ich war wirklich auf Ihre Rede gespannt. Ich war gespannt, weil ich noch im Ohr hatte, was Sie uns die ganze Legislatur über alles erzählt haben: Es komme alles zu spät – das haben Sie heute wiederholt –, und es gehe alles nicht schnell genug. „ Ankündigungspolitik“ war eines Ihrer Worte.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es scheint angekommen zu sein!)
Wir würden Menschen ruhigstellen und ständig an kleinsten Schräubchen drehen.
Und heute reden Sie von einem Husarenritt. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie denn an der Stelle wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich will eine verantwortungsvolle Politik!)
Ich hätte erwartet, dass Sie sagen:
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Danke, Koalition!)
Wir haben es nicht geglaubt. Wir waren skeptisch. Aber Sie haben es gut gemacht. Wir haben es Ihnen einfach nicht zugetraut. – Es hätte Ihrer Rolle als Opposition angestanden, zu sagen: Wir haben es Ihnen nicht zugetraut; aber Sie haben jetzt diesen zusätzlichen Schritt, diesen großartigen, großen Schritt gemacht, und wir haben in unserer Kleinkrämerei einfach nicht geglaubt, dass das so kommen wird.
Stattdessen kritisieren Sie an Kleinigkeiten herum. Beim letzten Mal haben Sie uns noch dafür gescholten, dass wir die Dinge wohlüberlegt angehen. Darum ist es doch gegangen. Es geht doch an der Stelle um ein hochsensibles Thema, meine Damen und Herren. Es geht um Menschen in einer schwierigen, wenn nicht sogar in ihrer schwierigsten Lebensphase. Es geht um Angehörige, die mit einer Situation, die für sie neu und auch problematisch ist, konfrontiert sind. Und es geht in der Tat – da haben Sie recht – auch um das Personal und um diejenigen, die Großartiges – auch professionell – leisten. Das muss ich auch sagen.
Wenn Sie eine anständige Rede gehalten hätten, dann hätten Sie gesagt: Jawohl, diese Reform – Stufe I wie Stufe II – tut für alle etwas. Sie hat die zu Pflegenden im Blick, um die es geht. Sie hat die Angehörigen im Blick, die viel leisten, und sie tut auch im Personalbereich etwas. – Stattdessen kritisieren Sie daran herum. Schauen Sie sich doch Ihren Antrag an! Sie sagen doch, das sei alles zu wenig. 25 Prozent mehr an Rentenbeiträgen und 6 Milliarden Euro: Was soll man denn sonst noch tun?
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die demonstrierenden Pflegekräfte, was Sie sonst noch tun können!)
Das war aus meiner Sicht der Gipfel.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal in den Pflegeheimen!)
Wenn Sie dann auch noch kritisieren, dass wir nur eine Beitragsperspektive bis zum Jahr 2022 – das sind sieben Jahre, und das in heutiger Zeit – vorsehen, und sagen, das sei noch zu wenig, dann glaubt Ihnen das doch niemand.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Beitragsperspektive von sieben Jahren gibt uns Zeit, etwas zu tun; das ist richtig. Man darf nicht vergessen, dass wir an einem Gesetz operieren, das 20 Jahre Bestand hatte. Wenn dies der Maßstab für alles wäre, was wir hier machen, dann wäre schon etwas gewonnen. Ich möchte an dieser Stelle einen Gruß an Norbert Blüm senden. Ich weiß nicht, ob er zuhört, aber es war eine großartige Leistung, damals eine solche Reform auf die Beine zu stellen,
(Beifall bei der CDU/CSU)
die 20 Jahre Bestand gehabt hat und damals einen Paradigmenwechsel darstellte. Wir haben Menschen, die pflegebedürftig wurden – das ist eine ganz schwierige Situation –, vor der Schmach bewahrt, in die Sozialhilfe zu fallen. Das ist das Großartige dieses Ansatzes gewesen. Wir entwickeln dieses großartige Gesetz nun in einem riesigen Schritt fort.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen Sie doch im Ernst nicht den Pflegekräften erzählen!)
Kollege Lauterbach hat fachlich präzise beschrieben, worum es geht, nämlich um die Demenzkranken, aber nicht nur um die. Auch die psychisch Kranken werden einbezogen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sagen: Überfällig. – Ja, das stimmt. Aber warum kritisieren Sie dann das als Husarenritt? Entweder ist dieser Schritt überfällig, oder es handelt sich um einen Husarenritt. Wir machen das auf jeden Fall wohlüberlegt und zielgerichtet. Die Weiterentwicklung erfolgt in zwei Stufen. Die Pflegestufe I hat pflegebedürftigen Personen, auch Demenzkranken und Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz sowie deren Angehörigen deutliche Verbesserungen, mehr Flexibilität und mehr Leistungen gebracht. Wenigstens das hätten Sie anerkennen können. Das ist nämlich Fakt; das haben wir schon in der ersten Stufe geleistet. Wir geben Geld für mehr Betreuung und damit für mehr Personal aus. Das müssen Sie anerkennen.
Das, was wir hier tun, kostet Geld und ist mit Beitragserhöhungen in erheblichem Ausmaß verbunden. Aber es sind die unumstrittensten Beitragserhöhungen im Sozialversicherungsbereich, die wir jemals hatten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der allergrößte Teil der Bevölkerung sagt: Das, was ihr macht, hat Sinn und ist zielführend und gut. Wir sind bereit, dafür Geld auszugeben. – Das sagen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam. Ich bin überzeugt, dass Ähnliches auch für die Stufe II gilt.
Normalerweise wissen Parlamentarier sofort – egal ob ein Gesetzentwurf aus einem CDU/CSU-geführten oder aus einem SPD-geführten Haus kommt –, was man grundsätzlich ganz anders machen müsste. Die Minister kennen das Struck’sche Gesetz – Herr Gröhe kann ein Lied davon singen –: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist. – Ich habe ein Problem mit diesem Gesetz; denn mir fällt auf Anhieb nichts ein, was man an dem vorliegenden Gesetzentwurf groß ändern müsste.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten Sie mal die Erhöhung ab!)
Es handelt sich um eine ganz, ganz gute Vorlage. Ich möchte mich herzlich bedanken beim Minister, beim Pflegebeauftragten, Herrn Laumann, und bei Frau Kraushaar. Eine ganz, ganz tolle Vorlage! Vielen herzlichen Dank!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
In der Tat verhält es sich so, wie die Vorredner gesagt haben: Das Herzstück ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff. Das Hauptanliegen muss natürlich sein, gerade die Demenzkranken von Anfang an richtig und sinnvoll zu versorgen. Das erwartet man von uns, und das muss auch in die Zukunft gerichtet so sein; denn das Risiko, an Demenz zu erkranken, steigt mit zunehmender Lebenserwartung, die Gott sei Dank ebenfalls steigt. Das ist sicherlich ein Wohlstandsthema. Mittelfristig werden jedenfalls zusätzlich 500 000 Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. Das kann man unter Kostengesichtspunkten sehen. Aber ich sehe das hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der medizinisch-pflegerischen Versorgung. Auch deshalb müsste man dieses Gesetz loben. Dass die Opposition das nicht kann,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das schadet aber nichts!)
mag an der Rolle liegen, die ihr der Wähler zugewiesen hat. Das kann man bedauern. Wenn Sie aber in Ihrer Kritik ein bisschen differenzierter gewesen wären, Frau Scharfenberg, dann wäre das glaubhafter gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hilde Mattheis [SPD]: Das kann man wohl sagen!)
Da wir das mit einer Übergangsphase machen, muss niemand Sorge haben, dass er heruntergestuft wird und dass die Angehörigen stärker belastet werden. Das zeigt, wie wohlüberlegt wir das Ganze gemacht haben. Ich möchte auch unterstreichen, dass wir durchaus sehen, dass viele pflegende Angehörige an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehen. Diesen Punkt, die Hilfe für die Pflege zu Hause, haben wir schon Anfang dieses Jahres mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro verstärkt.
Ich möchte das wiederholen, was Herr Lauterbach hier gesagt hat: Wir haben das Ganze so austariert, dass die Chance, gar nicht in eine Pflegeeinrichtung zu müssen, gewachsen ist. Wir haben es so gemacht, dass mehr Menschen die Option haben, viel länger zu Hause zu bleiben. Es ist doch ein Anliegen derjenigen, die langsam in die Pflegebedürftigkeit rutschen, möglichst lang zu Hause zu bleiben und eben nicht in eine Einrichtung zu kommen.
Aber natürlich gibt es dann irgendwann einmal den Punkt, an dem das unvermeidlich ist. Daher haben wir die Beratung der Angehörigen gestärkt. Wir werden das Thema Pflege-TÜV aufgreifen. In diesem Zusammenhang werden wir auch das Thema Bürokratieabbau im Blick haben. Ich darf Ihnen sagen: Den Pflege-TÜV werden wir neu aufstellen. Der heutige Pflege-TÜV ist in spätestens zweieinhalb Jahren Geschichte. Das ist keine Ankündigung, sondern etwas, worauf sie sich verlassen können.
Meine Damen und Herren, wir werden die Bedingungen für das Pflegepersonal weiter verbessern; auch das ist wichtig. Da geht es um die Arbeitsbedingungen auf der einen Seite und um die materiellen Bedingungen auf der anderen Seite. Niemand arbeitet für lau. Letztendlich arbeitet jeder, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Das muss man im Blick haben, wenn man über die Frage redet: Wie bekommt man mehr Pflegekräfte? Natürlich werden wir uns in diesem Zusammenhang in der nächsten Zeit auch über die Frage der Pflegeausbildung unterhalten. Dabei muss abgewogen werden, was die generalistische Pflegeausbildung am Schluss bringt und was sie verändern wird.
Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich erteile dem Kollegen Harald Weinberg das Wort für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5852137 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 125 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der pflegerischen Versorgung |