Erwin RüddelCDU/CSU - Stärkung der pflegerischen Versorgung
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Scharfenberg, ich weiß, es ist Ihre Rolle, unsere gute Arbeit zu kritisieren. Und da diese Arbeit immer besser wird, fällt es Ihnen natürlich auch immer schwerer, diese Arbeit zu kritisieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber es war auch einmal Ihre Rolle, Pflegepolitik zu betreiben. Als die Grünen hier im Hause regiert haben, hat es nicht einen einzigen Ansatz gegeben, die entsprechenden Strukturen zu verändern.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für ein kalter Kaffee, Herr Rüddel!)
Da waren die Grünen ein Totalausfall. Ich denke, Sie sollten sich in Ihrer Kritik etwas mäßigen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie in hundert Jahren immer noch!)
Was die Bürgerversicherung angeht, kann ich nur sagen: Wir haben das beste Gesundheitssystem weltweit. Überall dort, wo es eine Bürgerversicherung gibt, ist das Gesundheitssystem schlechter.
(Beifall bei der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Das ist nicht wahr!)
Warum sollen wir auf ein schlechtes System hinarbeiten? Wir wollen unser gutes System noch besser machen.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie am Mittwoch am Brandenburger Tor?)
Das Zweite Pflegestärkungsgesetz, über das wir heute diskutieren, ist ein weiterer Baustein bei der Runderneuerung der Pflegeversicherung. Ich bin froh, dass in dieser Legislaturperiode so viel Aufmerksamkeit auf die Pflege gerichtet ist wie noch nie. Wir lösen mit diesem Gesetz ein zentrales Versprechen aus unserem Koalitionsvertrag ein: Wir verwirklichen den Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wir stellen Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Menschen mit somatischen Einschränkungen erstmals gleich und schließen eine große Gerechtigkeitslücke. Wir mobilisieren insgesamt zusätzlich 5 Milliarden Euro jährlich für eine bessere Versorgung pflegebedürftiger Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Alle Menschen mit demenziellen Erkrankungen werden davon profitieren und wesentlich besser gestellt als bisher. Eine halbe Million Menschen erhalten zusätzlich Leistungen aus der Pflegeversicherung. In Zukunft wird es passgenaue Einstufungen geben. Die Minutenpflege wird entfallen. Es wird einen Bestandsschutz geben. Niemand, der heute schon pflegebedürftig ist, muss sich Sorgen machen, künftig schlechter eingestuft zu werden.
(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! Unglaublich!)
Ausdrücklich begrüße ich in diesem Gesetzentwurf auch die neu hinzukommenden, verbesserten Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung für pflegende Angehörige. Damit wird die Pflege eines Angehörigen nun auch in den sozialen Sicherungssystemen endlich angemessen anerkannt.
Herr Rüddel, darf die Kollegin Scharfenberg Ihnen eine Zwischenfrage stellen?
Sie darf.
Bitte.
Sehr geehrter Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage erlauben. – Ich habe eine ganz konkrete Frage. Sie haben gesagt: Zukünftig wird die Minutenpflege entfallen. – Erklären Sie mir und den vielen Tausend Pflegekräften hier im Land einmal, was das bedeutet. Wie schaffen Sie die Minutenpflege ab, und was meinen Sie genau damit?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Sie wissen, dass heute bei der Begutachtung sehr genau auf die Anzahl der Minuten geachtet wird und dies darüber entscheidet, in welche Pflegestufe man kommt. Hier kommt es durch die Einführung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes zu einem Paradigmenwechsel. Es wird nämlich danach gefragt, wie viel Hilfe man braucht, um ein eigenständiges Leben führen zu können. Dabei spielen dann die Minuten keine Rolle mehr, sondern es wird insgesamt betrachtet, wie viel Hilfe jemand braucht. Man sieht nicht mehr auf die Minuten. Das bedeutet die Abschaffung der Minutenpflege, so wie sie von uns angedacht ist. Ich denke, das ist wertvoll für alle Menschen, die vor einem Begutachtungsverfahren stehen und anschließend betreut werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Dann machen wir direkt mit der nächsten Frage weiter.
Nein. Ich weiß ja, dass die Großzügigkeit von Rednern beinahe unerschöpflich ist, beliebig viele Zwischenfragen zuzulassen. Ich lasse diese Frage jetzt nicht zu; denn wir haben uns auf eine Gesamtdebattenzeit geeinigt, auf die ich ebenfalls achten muss. – Bitte schön, Herr Rüddel.
Wir klären das nachher.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ist ja auch keine Vorlesung heute Morgen!)
Zusammen mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz gibt es die größte Leistungsverbesserung in der Pflegeversicherung seit 20 Jahren. Schon seit dem 1. Januar sind Leistungsverbesserungen im Wert von 2,4 Milliarden Euro wirksam. Die Mittel kommen dort an, wo sie gebraucht werden: bei Pflegebedürftigen, deren Familienangehörigen und den Pflegekräften. Die Leistungen dienen vor allem der besseren häuslichen Versorgung. Ausgebaut wurden auch die Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie die Tages- und Nachtpflege, und es gibt zusätzliche Mittel für die Verbesserung des Wohnumfeldes.
Die beiden Pflegestärkungsgesetze bedeuten in der Summe eine so massive Aufstockung in unserem Sozialleistungssystem, wie es das noch nie gegeben hat. Das kann man nicht oft genug betonen. Wir haben zu Beginn der Legislaturperiode mehr Qualität, mehr Geld, mehr Betreuung und mehr Hände für gute Pflege in unserem Land versprochen, und wir haben Wort gehalten.
Meine Damen und Herren, das Gesamtbild wird aber erst dadurch komplett, dass wir die bedeutenden Verbesserungen mit einer großen Anzahl weiterer Maßnahmen flankiert haben. Wir senken den Schlüssel für die Betreuungskräfte. Wir reduzieren überflüssige Bürokratie. Pflege muss am Bett ankommen. Wir reformieren den Pflege-TÜV grundlegend. Wir brauchen möglichst bald eine Bewertungspraxis, die sich an der Ergebnisqualität, das heißt an der Pflegequalität, in der jeweiligen Einrichtung orientiert. Wir wollen ferner noch in dieser Wahlperiode ein neues Pflegeberufegesetz verabschieden; denn wir brauchen Anreize, um noch mehr Menschen als bisher für die Pflege zu motivieren.
In diesem Kontext ist sicherlich positiv zu vermerken, dass die Altenpflege in Deutschland im laufenden Jahr mit über 29 000 Ausbildungsplätzen so viele angeboten hat wie nie zuvor. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass wir bald auch vermehrt junge Flüchtlinge ausbilden können, zumal die Altenpflege mit der Ausbildung von Menschen aus Drittstaaten bereits positive Erfahrungen gemacht hat. Dabei versteht sich von selbst, dass die Beherrschung der deutschen Sprache auch für den Umgang mit alten und pflegebedürftigen Menschen eine Grundvoraussetzung ist.
Unabhängig davon müssen sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege weiter verbessern; denn leider gilt nach wie vor, dass gerade viele jüngere Menschen nicht dauerhaft im Beruf bleiben. Zuvörderst sind die Arbeitgeber in der Pflicht, anständige Tariflöhne zu zahlen, um den Pflegeberuf attraktiv zu machen. Die brauchen dann aber auch die Rückendeckung bei den Kostenträgern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, viele Senioren und pflegebedürftige Menschen haben Probleme mit der Einnahme mehrerer Medikamente. Nicht immer sind die Therapien optimal aufeinander abgestimmt. Häufig gibt es unerwünschte Wechselwirkungen. Mit dem E-Health-Gesetz werden wir dafür sorgen, dass gerade ältere Patienten, die mehrere Wirkstoffe einnehmen, einen verbrieften Anspruch auf einen übersichtlichen Medikationsplan erhalten. Das heißt, ein Arzt muss die Medikamente auf Wechselwirkungen prüfen und die Therapien möglichst optimal aufeinander abstimmen.
Um die medizinische Versorgung für die Heimbewohner in Deutschland zu verbessern, werden wir außerdem im Palliativ- und Hospizgesetz die Voraussetzungen für Verträge zwischen Heimträgern und Ärzten schaffen. Bislang sind die Heimbewohner gerade von fachärztlicher Versorgung häufig ausgeschlossen. Auch ist es immer schwierig, Ärzte zu motivieren, nachts und am Wochenende in Einrichtungen zu gehen. Diese Versorgungslücke wollen wir schließen, indem wir die Ärzte für eine Rufbereitschaft besonders vergüten. Das hilft, dass Pflegebedürftige nicht unnötig in Krankenhäuser eingewiesen werden müssen. Das hilft den Patienten, aber auch den Pflegemitarbeitern.
Wir haben in dieser Debatte eine Gesamtschau des Pflegestärkungsgesetzes gesehen. Ich komme zu dem Schluss, dass wir in dieser Wahlperiode in diesem Bereich einen großen Wurf und eine Runderneuerung geschaffen haben. Ich denke, wir können in diesem Haus darauf stolz sein, dass wir in dieser Legislaturperiode so viele positive Dinge für die Pflege, für die Pflegebedürftigen, für die Familienangehörigen und für die Mitarbeiter in der Pflege auf den Weg gebracht haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Mechthild Rawert für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Koob [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5852227 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 125 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der pflegerischen Versorgung |