25.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 125 / Tagesordnungspunkt 23

Hilde MattheisSPD - Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen

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Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Zahlen sind hier schon viele genannt worden. 800 000 bis 1 Million Menschen suchen bei uns Schutz, Unterkunft und auch gesundheitliche Versorgung. Hinter jeder Zahl steht ein Mensch, mit all seinen Ängsten, mit all seinen Bedürfnissen und vor allen Dingen auch mit der Hoffnung, hier bei uns gut unterzukommen und Hilfe zu bekommen.

Viele Ehrenamtliche leisten diese Hilfe. Ich bin froh, dass wir durch die Einigung von gestern Abend auch im Gesundheitsbereich einige Maßnahmen auf den Weg bringen, die ich „Basisvereinbarungen“ nenne, Basisvereinbarungen, bei denen wir – neben den Problemen der Erstunterkunft und der weiteren Unterkünfte, den Versorgungsnöten wie ausreichend Essen, ausreichend Kleidung und Bewegungsmöglichkeiten – auch den wichtigen Punkt der gesundheitlichen Versorgung im Blick haben. Diesen Blick, der sich in vier Punkten zusammenfassen lässt, möchte ich gerne beleuchten.

Als ersten Punkt will ich die Gesundheitskarte ansprechen. Ich finde, dazu ist schon einiges Richtiges gesagt worden. Die Gesundheitskarte ist ein Instrument, das Zugänge erleichtert, nicht Leistungen ausweitet. Lassen Sie uns die Gesundheitskarte also nicht als Instrument missbrauchen, um irgendwelche Aggressionen zu schüren, sondern sie als das gebrauchen, was sie tatsächlich ist. Sie ermöglicht ohne Bürokratie niedrigschwellige Zugänge zu einem Leistungssystem, das nach dem Asylbewerberleistungsgesetz klare Leistungsansprüche umreißt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das kann man gut oder schlecht finden; aber sie ist ein Instrument. Von daher, glaube ich, sollten wir uns hier einig sein: Wir begrüßen das Instrument der Gesundheitskarte und sagen: Ja, in den Fällen, die Sie, Frau Vogler, gerade beschrieben haben, muss es möglich sein, diese niedrigschwelligen Zugänge zu ermöglichen. – Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt betrifft die Ausweitung der Schutzimpfungen. Wir haben erlebt, dass im letzten Winter die Masern ausgebrochen sind. Daher brauchen wir geeignete Möglichkeiten, um die Impfquote zu erhöhen. In der Umsetzung wird sich zeigen, wo wir weitere Hilfestellung leisten müssen.

Der dritte wichtige Punkt ist: Lasst uns, bitte schön, all diejenigen, die eine Qualifikation im Gesundheitsbereich haben und bereits in ihrem Herkunftsland aktiv einen entsprechenden Beruf ausgeübt haben, auch hier bei uns einspannen. Wir sollten diese Menschen bitten, bei uns Hilfe zu leisten, damit wir keine Dolmetscherprobleme haben und wir eine Unterstützung bekommen, was den direkten kulturellen Zugang anbelangt. Das fände ich gut. Vielleicht sollte man das sogar ausweiten. An den Universitäten gibt es ja viele Arabisch sprechende Studierende. Vielleicht besteht die Möglichkeit, auch sie einzubeziehen. Auch auf dieser Seite gibt es ein großes ehrenamtliches Engagement.

Sie heben In Ihrem Antrag einen vierten Punkt heraus, der uns natürlich alle beschäftigt: Ja, es gibt keine Teilung von Körper und Seele. Die Menschen kommen mit körperlichen, aber auch mit seelischen Problemen zu uns. Hier denken wir natürlich insbesondere an die Kinder und Minderjährigen, die unsere Unterstützung brauchen. Dabei sollten wir uns auf den Sach- und Fachverstand der Psychotherapeuten und Psychiater verlassen, die uns Vorschläge gemacht haben, und zwar auch über die Kassenzulassung hinaus.

Wir alle haben sicherlich in gewisser Weise Kontakt zu den entsprechenden Zentren – ich selbst bin Mitglied im Förderverein des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm – und wissen, welch wichtige Arbeit sie leisten. Sie sind für die Bewältigung der vor uns stehenden Herausforderungen ein wichtiger und zentraler Baustein. Da es aber nur circa 24 dieser Zentren gibt, erreichen sie womöglich nicht alle Flüchtlinge. Deswegen ist es wichtig, auch die Angebote der Kammern anzunehmen, die uns vorschlagen: Lasst uns doch ein E-Learning-Programm auflegen, mit dem wir Ehrenamtliche schulen, sodass sie psychische Probleme erkennen, wenn sie vorliegen. – Die 2 Millionen Euro, die dafür aufzuwenden sind, sind angesichts der vorhandenen Problematik sicher als überschaubar zu bewerten. Die Kammern schlagen auch vor: Lasst uns wesentlich stärker eine Therapieform anwenden, die die Menschen nicht über Sprache, sondern über Augenbewegungen erreicht. – Das kann man in dieser Phase für die Problembewältigung sicherlich aufgreifen.

All das muss nun gebündelt und organisiert werden. Uns als SPD beschäftigt dies sehr stark, weil wir den Bereich der Gesundheit als sehr wichtig für die Befindlichkeit, den Austausch und die Integration der Menschen in unsere Gesellschaft ansehen. Wir wollen, dass die Organisation über die Taskforce etwas konzentrierter gestaltet wird. Man darf sich zum Beispiel bei der Lösung der Problematik, woher man fahrbare Röntgengeräte für den Einsatz in den Ländern bekommt, nicht auf Privatinitiativen verlassen; das muss vielmehr zentral gesteuert werden. Deshalb haben wir den Anspruch an die Bundesebene, auch an das Bundesinnenministerium, dass die Taskforce des Bundes diese Dinge ein Stück weit stärker und zentraler organisiert. Daneben müssen die Taskforces der Länder für die Weitergabe an die entsprechenden Stellen sorgen; denn das Ehrenamt muss unterstützt werden. Wir müssen auf politischer Ebene für die entsprechende Organisation und die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Emmi Zeulner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5854474
Wahlperiode 18
Sitzung 125
Tagesordnungspunkt Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen
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