25.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 125 / Tagesordnungspunkt 24

Antje TillmannCDU/CSU - Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Man sollte meinen, dass wir heute das Erbschaftsteuergesetz schon in zweiter und dritter Lesung beraten. Wir diskutieren über dieses Thema seit dem 26. Februar dieses Jahres: zuerst über die Eckpunkte, dann über den Referentenentwurf, jetzt über den Gesetzentwurf. In zahlreichen verschiedenen Veranstaltungen sind wir immer wieder aufeinandergetroffen und haben über dieses Thema diskutiert.

Sie haben der Rede meines Kollegen Binding entnehmen können, dass es zwischen den Koalitionsfraktionen durchaus noch Einigungsbedarf gibt. Aber solange das in einer konstruktiven Stimmung ausgetragen wird, ist mir das recht. Wir haben noch einiges zu bereden. Das sollten wir auch tun. Sie können sich sicher sein, dass wir über dieses Thema verantwortungsbewusst diskutieren und einen Kompromiss finden werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die erforderliche Neuregelung haben nicht wir uns ausgedacht. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht – das ist mehrfach gesagt worden – uns ins Buch geschrieben, dass Betriebsvermögen nur aus zwei Gründen anders besteuert werden darf als Privatvermögen: zum einen, um mittelständische Strukturen in Deutschland aufrechtzuerhalten, und zum anderen, um Arbeitsplätze zu sichern.

Herr Kollege Pitterle, Sie erwecken den Eindruck, als wollten wir den Tennis spielenden Nichtstuer begünstigen; das tun wir eben nicht. Vielmehr geht es um den Arbeitnehmer und um die Arbeitnehmerin. Um deren Arbeitsplatz zu erhalten, schaffen wir bestimmte Begünstigungen bei der Besteuerung von erworbenen Betriebsvermögen.

Ich finde das Verhalten der Linken ausgesprochen wenig konkludent; denn wenn in einer Stadt das größte mittelständische Unternehmen pleitezugehen droht, dann sind Sie die Ersten, die mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern demonstrieren, Sie sind die Ersten, die Steuermittel für Auffanggesellschaften fordern, Sie sind die Ersten, die sagen, der Staat muss dieses Unternehmen retten. Wir gehen den anderen Weg. Wir bringen das Unternehmen erst gar nicht in Schwierigkeiten. Damit sind die Arbeitsplätze gesichert. Ich glaube, unser Weg ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der viel sicherere und der nervenschonendere.

(Beifall bei der CDU/CSU – Richard Pitterle [DIE LINKE]: Sagen Sie doch einen einzigen Fall!)

Auch Sie, lieber Kollege Binding, haben vermutlich überhaupt keine Probleme, Arbeitsplätze durch Subventionen zu sichern bzw. entstehen zu lassen. In den Kommunen werden Grundstücke vergünstigt zur Verfügung gestellt. Es gibt eine GFAW-Förderung. Wir subventionieren die Schaffung von Arbeitsplätzen. – Das alles sind Steuergelder. Aber an der Stelle, an der wir mit einem Teil von Steuergeldern Arbeitsplätze, die schon da sind, bestehen lassen wollen, haben Sie Probleme? Ich kann nicht nachvollziehen, inwiefern das eine besser sein soll als das andere. Wir glauben, es ist sehr viel leichter, einen bestehenden Arbeitsplatz zu erhalten, als einen neuen zu schaffen.

(Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Das haben wir doch beschlossen! Das ist aber sehr missverständlich formuliert!)

Deswegen beschreiten wir mit dem, was wir tun, den richtigen Weg. Wir begünstigen wirklich nur das Betriebsvermögen.

Dass der Eindruck erweckt wird, dass der Unternehmenserbe demnächst keine Steuern zahlt, ist doch völlig irre.

(Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Die meisten zahlen keine!)

Es wird keinem einzigen Unternehmenserben gelingen, nur Betriebsvermögen zu erben. Er wird natürlich auch Privatvermögen erben, und das wird er ganz normal versteuern. Nach der Neuregelung wird er auch nichtbegünstigtes Betriebsvermögen, sogenanntes Verwaltungsvermögen, erben. Auch das wird er ganz normal versteuern, sogar noch stärker als vorher, weil das Verfassungsgericht die Grenze für unschädliches Verwaltungsvermögen von 50 Prozent auf 10 Prozent reduziert hat.

(Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Dann müsste das Aufkommen aber viel höher sein!)

Selbstverständlich wird er das Verwaltungsvermögen versteuern.

Aus diesem Grund sind wir dankbar, dass es von der Vorlage des Eckpunktepapiers bis zum jetzt vorliegenden Gesetzentwurf einige Veränderungen gegeben hat:

Hinsichtlich der Lohnsummenprüfung steht im Gesetzentwurf jetzt eine Zahl von drei Mitarbeitern. Das war ursprünglich anders vorgesehen. Man wollte den Wert des Betriebsvermögens zugrunde legen. Wir sind froh, dass wir jetzt wieder die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugrunde legen, weil das für die Unternehmen weniger bürokratisch ist, als das Betriebsvermögen zu berechnen. Ich bin auch froh, dass es eine Gleitklausel gibt: zwischen 4 und 15 Mitarbeitern.

Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob das, was hier zur Freigrenze gesagt wird, draußen ankommt, und umgekehrt. Zur Erhöhung der Freigrenzen auf 26 Millionen Euro bzw. auf 52 Millionen Euro sagen interessanterweise alle Verbände: Das ist ein reiner Placeboeffekt. Nicht ein einziges Unternehmen wird unter diese Grenzen fallen. – Sie haben Bilder an die Wand gemalt, nach denen die meisten Unternehmen demnächst 52 Millionen Euro erbschaftsteuerfrei übergeben können. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit. Die werden wir in den Anhörungen finden. Wir werden uns auch mit diesem Punkt sehr intensiv befassen.

Lothar Binding, in einem bin ich mit Ihnen einer Meinung: Über den Ton der Verbände, die uns im Moment aus meiner Sicht in ausgesprochen unangemessener Weise beschimpfen, obwohl wir uns wirklich Mühe geben – ich sage das für die CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich –, eine Lösung zu finden, die die besonderen Beschränkungen bei Familienunternehmen widergespiegelt, bin ich sehr verärgert.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, die Angesprochenen wissen das. Die sollen sich das ruhig einmal zu Herzen nehmen.

Abschließend möchte ich einen Appell an die Mitglieder des Bundesrates richten: Wir erleben heute den Beginn einer Debatte über eine Ländersteuer. Die Erbschaftsteuer ist ausschließlich Länderaufkommen. Sie wird von den Ländern verwaltet. Ich sehe hier keinen Ländervertreter, der mitberät. Das mag daran liegen, dass heute der Bundesrat tagt. Die Meinungen im Bundesrat über diese Steuer gehen aber noch weiter auseinander als die Meinungen von Lothar Binding und mir, als die Meinungen von SPD und CDU/CSU. Das muss sich ändern. Es ist Aufgabe der Länder, ihre Steuer zu reformieren. Ich erwarte, dass in den nächsten Wochen ein abgestimmter Vorschlag der Ministerpräsidentinnen und der Ministerpräsidenten vorgelegt wird, damit wir dieses Gesetz gemeinsam reformieren und verfassungskonform gestalten können, damit wir die Arbeitsplätze sichern können. Das ist ausdrücklich unser Ziel.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dabei haben wir natürlich auch die Bürokratie im Auge. Frau Paus, diesbezüglich teile ich Ihre Auffassung: Eine Aufbewahrungs- und Nachweispflicht von 30 Jahren scheint mir für die Betriebe gar nicht so problematisch zu sein. Die werden die Belege schon aufbewahren können. Aber die armen Finanzbeamten, die bei jeder Erbschaftsteuererklärung demnächst in den Keller wandern, um 30 Jahre alte Akten herauszusuchen, bedauere ich sehr. Auch darauf werden wir einen Schwerpunkt legen.

Wir wollen ein Gesetz, das möglichst wenig Bürokratie verursacht, das zu einer gerechten Besteuerung führt, das Arbeitsplätze sichert, das Unternehmensübertragungen möglich macht und das natürlich auch sicherstellt, dass ein gewisser Beitrag zum Allgemeinwohl geleistet wird. Ich bin sicher, das werden wir schaffen. Die Debatte hat heute erst begonnen. Wir haben noch Zeit, um endgültige Lösungen zu finden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Cansel Kiziltepe von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5854666
Wahlperiode 18
Sitzung 125
Tagesordnungspunkt Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz
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