25.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 125 / Tagesordnungspunkt 26

Susann RüthrichSPD - Kinder- und Jugendrechte

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem überwiegenden Teil der Kinder in Deutschland geht es gut. Sie wachsen geborgen auf und bringen sich ein. Ein Beispiel aus der vergangenen Woche: Ich habe die Kinder zweier Grundschulklassen aus meiner Region dazu eingeladen, mir ihre Stadt aus ihrer Sicht zu zeigen. Was wir da hörten, war: Es geht uns gut, wir fühlen uns wohl in unserer Stadt, wir fühlen uns wohl mit unseren Eltern, wir fühlen uns wohl in unserer Schule. – Das soll auch so sein, und das freut mich.

(Beifall bei der SPD)

Die Kinder sagten aber auch: Wir hätten noch ein paar Vorschläge. Es geht nämlich noch besser. – Hier schlugen sie einen Fußgängerüberweg und da einen Spielplatz vor. Außerdem hätten sie gern mehr Zeit, und zwar nur für sich.

(Beifall bei der SPD – Michaela Noll [CDU/CSU]: Hätte ich auch gerne!)

Das ist vielleicht ein kleiner Baustein dafür, was wir manchmal ein bisschen abstrakt „Beteiligung“ nennen.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wollen das Recht auf Beteiligung von Kindern stärken. Wir wollen das auch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will, dass das überall passiert: von der Einrichtung über die einzelnen Ebenen bis hin zur internationalen Politik.

Ein gutes Beispiel dafür ist „Plant for the Planet“. Das ist eine Initiative von Kindern und Jugendlichen, die kommunal gestartet ist und mittlerweile weltweit Kinder und Jugendliche organisiert, um sich für Klimaschutz einzusetzen, und sie tun auch selbst etwas, indem sie Bäume pflanzen. Außerdem streiten die sehr engagiert und, wie ich finde, mit sehr guten Argumenten – wir haben uns in der Kinderkommission davon überzeugt – dafür, selber wählen zu können bzw. Kinder an allen sie betreffenden Entscheidungen und Fragen selber zu beteiligen. Das ist kein Fall für: Wenn es nichts kostet und wenn es gerade passt, dann machen wir das gerne. – Nein, es ist ihr Recht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nicht alle Kinder kommen zu diesem Recht – weder zu dem auf Beteiligung noch zum Beispiel zu dem auf beste gesundheitliche Versorgung. Das ist so, wenn ich etwa an Flüchtlingskinder denke, die leider weitestgehend immer noch nicht mit einer Karte einfach zum Arzt gehen können. Auch kommen nicht alle Kinder zu dem Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dabei denke ich etwa an den Umgang mit intergeschlechtlich geborenen Kindern oder an Kinder mit Behinderung. Mich macht es richtig traurig, dass auch Deutschland die Kinderrechtscharta noch nicht vollständig umsetzt. Da müssen wir aber hin.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur wie? Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, schlagen verschiedene Hebel vor. Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ist einer. Dafür haben Sie, wie Sie wissen, unsere vollständige Zustimmung. Ich würde liebend gerne endlich in die Debatte einsteigen, welche Formulierung und welche Aspekte wohin geschrieben werden, anstatt dauernd beim Ob aufgehalten zu werden.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen einen nationalen Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung. Wir wollen das auch. Da sind wir dabei. Sie wollen das Wahlalter auf 16 Jahre senken. Gern, das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Sie können gerne in den Bundesländern, wo Sie mitregieren, damit anfangen:

(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Haben wir schon! – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir schon: in Schleswig-Holstein!)

zum Beispiel in Baden-Württemberg und in Hessen. Da haben wir noch ein bisschen vor uns.

Da, wo die Jugendlichen von „Plant for the Planet“ hinkommen wollen, wären wir damit immer noch nicht. Die schlagen zum Beispiel – ich finde das durchaus überzeugend – ein Wahlregister vor, in das sich Menschen unter 18 Jahre eintragen lassen können. Sie müssen dazu nur ihren persönlichen freien Willen bekunden. Dann sollte ihnen dieses hohe Gut auch nicht vorenthalten werden.

Die unabhängige Monitoringstelle muss dankenswerterweise nicht mehr gefordert werden. Es gibt sie seit Juli. Wir werden sie nach Kräften unterstützen und wünschen der Leiterin, Frau Kittel, die wir alle aus guter Zusammenarbeit mit der National Coalition kennen, und ihren Kolleginnen und Kollegen bestes Gelingen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie fordern des Weiteren einen Kinderbeauftragten. Wir alle kennen die Petition dazu. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Der Bundestag befasst sich noch damit. Hier und jetzt einen Beschluss dazu zu fassen, würde dem Verfahren vorgreifen. Ich nehme trotzdem zu ein paar Punkten daraus Stellung.

Viele der Problembeschreibungen der Petenten teilen wir. Sie gehen in Ihren Anträgen ja auch darauf ein. Diese Probleme abzustellen, muss unser gemeinsames Ziel sein. Wir wollen aber natürlich nicht, dass der Kinderbeauftragte im Rahmen einer Symbolpolitik – so nach dem Motto: klingt gut, dann haben wir ja immerhin etwas gemacht – in die Landschaft gestellt wird. Nein, wir müssen uns natürlich um die in der Petition beschriebenen Aufgaben kümmern. Die nennen Sie ja auch in Ihrem Antrag.

Schauen wir uns die also im Einzelnen an: Die Monitoringstelle gibt es schon. Weiter fordern Sie, Gesetze auf ihre Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche hin zu prüfen. Das ist der Jugend-Check. Der wird gerade im Ministerium erarbeitet. Er steht im Koalitionsvertrag. Ich wünsche mir, dass er nicht nur im Familienministerium, sondern in allen Häusern angewendet wird.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ein Beschwerdesystem. Das nennt sich Petitionsausschuss. Wenn wir den mit einem Beschwerdesystem nur zu Kinderthemen ausstatten würden, um die Zugänge kindgerecht zu machen, hätten wir eine Beschwerdestelle.

Es gibt die Kinderkommission. Sie bringt die Belange von Kindern ins Parlament – und damit in die Gesetzgebung – ein. Das Einstimmigkeitsprinzip, Herr Müller, macht uns in der Kinderkommission stark. Da wollen wir nicht ran.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch, wir könnten mehr, wenn wir ein eigenes Antragsrecht, eigene Mitbefassungen und die Ressourcen dazu hätten und wenn wir als KiKo-Mitglieder im Zweifel die Kinderpetitionen bearbeiten würden.

Sie sprechen die Öffentlichkeitsarbeit an. Das macht das Ministerium. Und Sie wollen Beteiligung. Richtig! Aber das zum Beispiel ist ja gerade die Stärke von Kinder- und Jugendverbänden. Dort engagieren sich die Kinder und Jugendlichen.

(Beifall bei der SPD)

Und es ist unsere Aufgabe, die dann auch entsprechend zu hören und auszustatten.

Meine Schlussfolgerung ist demzufolge: Ja, wir stärken die Kinderrechte. Wir haben Instrumente neu geschaffen, und wollen die ausbauen, die es schon gibt. An den ganz dicken Brettern bohren wir gemeinsam weiter, bis wir es geschafft haben. Die Kinderrechte werden irgendwann im Grundgesetz stehen; da bin ich mir ganz sicher.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5854987
Wahlperiode 18
Sitzung 125
Tagesordnungspunkt Kinder- und Jugendrechte
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