Roderich KiesewetterCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Atombomben in Rheinland-Pfalz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir sind eben leider Zeuge einer Rede geworden, in der der Wunsch vor die Wirklichkeit gestellt wurde. Es ist schon absolut bedauerlich, dass die Ukraine als Beispiel für nukleare Abrüstung angeführt wird. Es war doch gerade die Ukraine, die 1994 um den Preis ihrer Unabhängigkeit die Nuklearwaffen an Russland übergeben und 20 Jahre später ihre Souveränität verloren hat. Ich glaube, wäre die Ukraine Nuklearmacht geblieben, müssten wir den hybriden Krieg, den wir dort gerade erleben, nicht erleben.
Mir geht es aber um Sachlichkeit in der Diskussion. Ich möchte deutlich hervorheben, dass gegenseitige Rückversicherung und Abrüstung an sich kein Selbstzweck sind. Ziel unserer Außenpolitik ist, dass wir auf der einen Seite Verlässlichkeit im Bündnis bieten und auf der anderen Seite sowohl Sicherheit nach innen als auch Sicherheit im Bündnis nach außen leisten können. Das können wir durch eine Bundeswehr im Bündnis.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und mit Atomwaffen!)
Das machen wir durch sehr stark orientierte Entwicklungszusammenarbeit und einen vernetzten Ansatz, der in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
Ich möchte herausstellen, dass uns Russland zurzeit in drei Bereichen nuklear bedroht:
Erstens. Russland macht Volltruppenübungen und übt die Verlegung von Kurzstreckenraketen, von sogenannten Iskander-Raketen; davon hat Russland mehr als 4 000 Stück. Solche Übungen gab es auf deutschem Boden letztmals in der 80er‑Jahren. Heute, 30 Jahre danach, wird dies auf russischem Boden wieder praktiziert.
Zweitens. Russische strategische Bomber verletzen den Luftraum der Europäischen Union. Wir wissen nicht, was sie transportieren. Sie sind aber nuklearfähig. Das findet umgekehrt nicht statt.
Drittens. Russland übt derzeit mit etwa 50 000 bis 60 000 Soldaten die schnelle Verlegung über weite Strecken und dabei auch die Anwendung von Nuklearwaffen. Auch das gab es zuletzt in den 80er-Jahren und wird heute nicht mehr gemacht.
Wir müssen also schon die Kirche im Dorf lassen und sehr deutlich sagen, dass die nukleare Bedrohung von Russland ausgeht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD] – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Von Russland geht sie aus? Das ist ja ein Witz!)
Für uns Deutsche ist die nukleare Teilhabe ein Thema, auf das ich gerne noch etwas Zeit verwenden möchte. Wir haben es im Jahr 2010 fast parteienübergreifend geschafft – Agnieszka Brugger war seinerzeit dabei –, einen Antrag auf nukleare Abrüstung im Bundestag durchzusetzen. Damals war aber nicht von einem einseitigen Abzug von Nuklearwaffen die Rede, sondern davon, dass wir im strategischen Konzept der NATO eindeutige Hinweise auf einen Abbau der Bedeutung von Nuklearwaffen verankert haben wollten. Das ist uns gelungen; das ging von diesem Bundestag aus. Wir können heute noch froh darüber sein, dass wir das geschafft haben. Die Entwicklung seit 2010 ist aber eine andere; die Bedrohung unserer östlichen Grenze – insbesondere der souveränen Ukraine – ist sehr sichtbar.
Der zweite Punkt ist: Wir wollen das strategische Konzept der NATO weiterhin mit beeinflussen. Das geht nicht, indem wir einseitig sagen: „Wir verzichten auf nukleare Teilhabe“, sondern das geht, indem wir konzeptionell mitarbeiten und an den politischen Dokumenten der NATO mitwirken. Das ist eine Besonderheit. Die Bundesrepublik Deutschland ist neben Frankreich, Großbritannien und den USA einer von vier Staaten, die daran mitwirken. Wir haben hier also eine ganz besondere Rolle.
Der dritte Punkt ist – er sollte dem Kollegen von der Linken etwas mehr zu Herzen gehen; da waren Sie sehr oberflächlich, Herr Kollege Ulrich –:
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Fünf Minuten sind kurz!)
Dadurch, dass wir als Bundesrepublik Deutschland an der nuklearen Teilhabe festhalten, verhindern wir, dass die Staaten in Osteuropa die NATO-Russland-Grundakte aufkündigen. In der NATO-Russland-Grundakte von 1997 ist eindeutig festgehalten: keine Stationierung von Nuklearwaffen in diesen Staaten. – Warum wollen wir das? Wir wollen keine Zone neuer Unsicherheit schaffen, sondern wir wollen, dass die Verlässlichkeit des amerikanischen Nuklearschirms konstant bleibt und wir nicht durch einen einseitigen Verzicht eine Diskussion innerhalb der NATO entfachen, wer dann in Europa die deutsche, die belgische, die niederländische, die italienische oder die türkische Rolle übernimmt. Ich glaube, hier muss uns sehr stark an Stabilität gelegen sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein letzter Punkt: Es handelt sich um eine Modernisierung. Wie uns Parlamentariern es über die Medien zugänglich gemacht worden ist, haben die vorhandenen Nuklearwaffen ein bestimmtes Alter. Wer setzt denn auf Abschreckung oder auf verlässliche Rückversicherung, wenn die Waffen veraltet sind und dadurch möglicherweise sogar eine schädliche Wirkung in ihrem Umfeld entfalten? Das bedeutet, die Modernisierung stärkt die transatlantische Zusammenarbeit und unsere eigene Verlässlichkeit im Rahmen der nuklearen Teilhabe.
Ich möchte bewusst sehr sachlich unterstreichen – und dafür habe ich eine Reihe von Argumenten genannt, auf denen man aufbauen kann –: Mittelfristig halten wir alle am Ziel einer abnehmenden Bedeutung von Nuklearwaffen fest. Aber Russland belehrt uns zurzeit eines Besseren.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Kiesewetter. – Nächste Rednerin in der Debatte: Agnieszka Brugger für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5885647 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 126 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Atombomben in Rheinland-Pfalz |