Thomas HitschlerSPD - Aktuelle Stunde zu Atombomben in Rheinland-Pfalz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn vor allem: Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken! Den Enthusiasmus, den Sie heute vorzuspielen versuchen, hätte ich mir ein Stück weit damals gewünscht, als wir darüber diskutiert haben, syrische Chemiewaffen zu vernichten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Falls ich mich richtig erinnere, haben Sie damals dagegengestimmt, und heute spielen Sie sich so auf, als ob Sie die größten Abrüster wären. Ein Stück weit Ehrlichkeit in der politischen Debatte wäre hier schon nicht schlecht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Kolleginnen und Kollegen, vor knapp sechs Wochen jährten sich die Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Vor 70 Jahren wurden die beiden einzigen Kriegseinsätze dieser Waffen befohlen. Die beiden Bomben, als Indiz einer Zeit, in der Krieg und Gewalt alltäglich waren, wurden mit den Codenamen „Little Boy“ und „Fat Man“ versehen. Der Krieg im Pazifik endete wenige Tage nach dem Abwurf über Nagasaki, nachdem er für fast vier Jahrzehnte in der Region gewütet hatte. Die beiden Atombomben lösten zwei parallele Entwicklungen aus, deren Gegensätzlichkeit so wohl nur in der Absurdität des Kalten Krieges existieren konnte.
Zum einen rüsteten beide Blöcke atomar massiv auf – bis zu einem Punkt Ende der 80er-Jahre, als die Arsenale von Ost und West zusammen über 60 000 Sprengköpfe angehäuft hatten. Es existierten genug Atomwaffen, um die Menschheit als Spezies auszulöschen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehrfach!)
– Mehrfach! – Zum anderen etablierte sich auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs die Angst vor den Langzeitfolgen eines atomaren Angriffs. Atomwaffen zerstören nämlich noch lange, nachdem die Asche aus dem Himmel geregnet ist und die Trümmer weggeräumt sind – schleichend, grausam und tödlich. Diese Angst führte zu Rüstungsbegrenzungen und schließlich zu Abrüstungsabkommen. Heute existiert weltweit nur noch ein Bruchteil der Nuklearwaffen von damals. Aber selbst das ist noch viel zu viel.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es reicht immer noch aus!)
Meine Damen und Herren, es besteht weltweit wohl nur bei wenigen Themen ein derart breiter Konsens wie bei dem Schrecken von Atomwaffen. Die aktuelle Regierungskoalition hat sich, wie im Übrigen auch Ihre Vorgängerin, dem Ziel der weltweiten atomaren Abrüstung verschrieben. Bereits 2010 hat sich die Mehrheit des Bundestages in einem Beschluss für weltweite atomare Abrüstung und einen Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen ausgesprochen. Diese Aussage hat weiterhin Gültigkeit. Sie wurde im Übrigen von Koalitions- und Oppositionsfraktionen gemeinsam getragen.
In dieser Legislaturperiode haben wir im gemeinsamen Koalitionsvertrag vereinbart, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen wird, entsprechende Verhandlungen zwischen den USA und Russland zu unterstützen; denn so groß die Fortschritte im Bereich der Abrüstung auch sein mögen, so benötigen sie doch stets Gegenseitigkeit, um nachhaltig zu sein. Bei aller Absurdität des Kalten Krieges war es doch auch das Gleichgewicht des Schreckens, das den Einsatz von Nuklearwaffen verhindert hat. Aber, Kolleginnen und Kollegen, ich will dahin nicht wieder zurück. Niemals wieder!
Einseitige Kritik hilft an dieser Stelle nicht weiter. Nukleare Abrüstung muss immer globale Abrüstung bedeuten: in den USA, in Europa, Russland, China, Pakistan, Israel, Nordkorea und Indien. Das muss auch das Ziel dieser Bundesregierung sein – immer und jederzeit. Investitionen in einen Bundeswehrstandort bewusst falsch zu verstehen und als Aufhänger für Kritik an den USA zu nutzen, ist der Bedeutung dieses Themas allerdings unwürdig.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich bin Bundestagsabgeordneter aus Rheinland-Pfalz, und ich bin Verteidigungspolitiker. In dieser Doppelfunktion war ich in Büchel, dem Luftwaffenstandort, um den sich derzeit viele Gerüchte ranken. Dort habe ich unser Taktisches Luftwaffengeschwader 33 besucht und gesehen, wie groß der Investitionsbedarf in Büchel tatsächlich ist. In den letzten fünf Jahren wurden bereits 19 Millionen Euro in dringend notwendige Baumaßnahmen investiert. Der anstehende Investitionsbedarf in Höhe von 112 Millionen Euro betrifft neben dem bereits Geschehenen diverse Neubauten, Unterkunftsgebäude, Wartungshallen, Büros und, und, und.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch was anderes!)
Jedem sollte klar sein, dass Flugzeuge schlaglochfreie Pisten brauchen, um starten und landen zu können.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch aber nicht die Debatte!)
Die Start- und Landebahn ist dabei nur ein Teil. Sie befindet sich durch die letzte Winterperiode in einem sehr schlechten Zustand.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann repariert sie halt!)
Deshalb wurde bereits im April mit Sofortmaßnahmen begonnen, um den sicheren Flugbetrieb bis zur Grundinstandsetzung in voraussichtlich drei Jahren sicherzustellen. In drei Jahren, Kolleginnen und Kollegen! Selbst dem verschwörerischsten Verschwörungstheoretiker sollte klar sein, dass wir von langfristigen Planungen sprechen, die mit aktuellen Modernisierungsdebatten wenig zu tun haben.
Meine Damen und Herren, wir tragen Verantwortung gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten. Wir müssen dafür sorgen, dass sie gut untergebracht sind und ordentlich arbeiten können. Das sind wir ihnen als Arbeitgeber nämlich schuldig. In den anstehenden Haushaltsberatungen werden wir uns deshalb dafür einsetzen, dass gerade dem Bereich Infrastruktur und Sanierung die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die dieser Bereich verdient.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es jetzt gar nicht!)
Kolleginnen und Kollegen, so unterschiedlich wir einzelnen Mitglieder des Bundestages auch sind, so denke ich doch, dass niemand unter uns das Prinzip der nuklearen Abrüstung infrage stellt.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
Bundestag und Bundesregierung haben bei vielen Gelegenheiten deutlich gemacht, dass sie eine Welt ohne Nuklearwaffen anstreben. Hinter jedem Betonmischer an einem Bundeswehrstandort aber eine einseitige Aufrüstung zu vermuten, ist nicht zielführend.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5885846 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 126 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Atombomben in Rheinland-Pfalz |