Volker BeckDIE GRÜNEN - Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, diese Debatte ist zu ernst für parteipolitisches Klein-Klein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja, wer hat denn angefangen, Herr Beck?)
– Dieser Beitrag war wirklich nicht hilfreich.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das war Ihre Fraktionsvorsitzende!)
Es ist gut, dass wir durch den Gipfel von Bund und Ländern eine dauerhafte Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme erreicht haben. Das war unabdingbar, damit Länder und Kommunen ihre Aufgaben wahrnehmen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind uns auch einig, Herr Minister, bei dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung. Wir brauchen schnellere Entscheidungen, damit die Menschen wissen, ob ihnen hier Schutz gewährt wird oder ob sie nicht dauerhaft hierbleiben können. Aber zu diesem Thema enthält Ihr Gesetzentwurf schlicht gesagt nicht eine einzige Bestimmung.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben Ihnen dazu mehrere Vorschläge unterbreitet – nichts davon haben Sie aufgegriffen –: pauschale Anerkennung der Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, dem Irak und Somalia, wo wir eine Anerkennungsquote von fast 100 Prozent haben,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
die Abarbeitung der Altfälle, Schluss mit der Wiederaufnahme von Verfahren von anerkannten Flüchtlingen. Das hätte tatsächlich etwas gebracht.
Stattdessen setzen Sie nur auf eines – das hat der Minister gestern im Plenum auch gesagt –, auf Abschreckung. Sie wollen signalisieren, dass es keinen Sinn hat, hierherzukommen. Das kann man auch anders tun; das haben wir im Kosovo gezeigt. Man kann den Menschen die Rechtslage erklären, anstatt sie, wenn sie hier in Deutschland sind, zu schikanieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Mit dem Fokussieren auf die Erstaufnahmeeinrichtungen, in die Sie alle Flüchtlinge sechs Monate und die Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten dauerhaft stecken wollen, produzieren Sie sehenden Auges sozialen Sprengstoff.
(Stephan Mayer (Altötting) [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Das ist nur die Maximaldauer!)
Menschen, die der Residenzpflicht, einem Arbeitsverbot und dem Bezug von Sach- statt Geldleistungen unterliegen und denen die Leistungen gekürzt werden – das konzentriert Armut, Elend, Benachteiligung und Ausgrenzung an bestimmten Orten. Das konzentriert zu sehen, wird unsere Bevölkerung schwer irritieren. Dort wird die Stimmung kippen, weil die Helfer dort nicht helfen wollen, weil sie sich an dieser Veranstaltung nicht beteiligen wollen. Deshalb ist es hochgefährlich, was Sie hier auf den Weg bringen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Von der Sache hier ist die Einstufung des gesamten Westbalkans als sichere Herkunftsstaaten einfach nicht vertretbar. Ich war vor zwei Wochen in Serbien. Warum sind die Roma aus dem Kosovo geflohen und leben in Serbien immer noch als „unsichtbare Roma“ – ohne Papiere, in wilden Siedlungen ohne jede Infrastruktur? Weil es im Kosovo so sicher ist? Nein, weil ihre Dörfer nicht mehr existieren, weil sie nicht sicher zurückkönnen. Da können wir doch mit einer solchen rechtspolitischen Entscheidung keinen Blankoscheck für diese Länder ausstellen; das ist zynisch und unverantwortlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Herr Kollege.
Die Civil Rights Defenders von Serbien haben für dieses Jahr 24 Übergriffe auf Journalisten im „sicheren Herkunftsland“ Serbien in ihrem Bericht festgestellt, den sie kürzlich in Belgrad vorgestellt haben. Sicher? – Das ist eine Chimäre.
Ich bin dafür, dass wir solche Entscheidungen mit Verantwortungsgefühl für die Menschenrechte treffen.
(Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Deshalb stimmen Sie im Bundesrat ja auch zu!)
Deshalb kann ich diesen Vorschlägen nicht zustimmen, zumal sie in der Sache nichts bringen.
Herr Kollege.
In Serbien sind die Zahlen nicht gesunken, sondern gestiegen. Der Kosovo war kein sicherer Herkunftsstaat. Da sind die Zahlen durch eine Aufklärungskampagne gesunken. Das zeigt: Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten ist keine Remedur des Problems, richtet aber in anderen Bereichen enormen Schaden an.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das wird den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg sehr freuen!)
Ich muss alle Beteiligten noch einmal bitten, auch wenn es bei diesem Thema besonders schwerfällt, sich an die Redezeiten zu halten. Ich stelle ungerne dann das Mikrofon aus. Aber es kann nicht jeder individuell entscheiden, wie lange er am liebsten reden möchte. Das wäre schön, aber es geht leider nicht.
Nächster Redner ist der Kollege Stephan Mayer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5888773 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise |