Stephan MayerCDU/CSU - Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Was wir heute auf den parlamentarischen Weg bringen, ist die umfassendste Reform unseres deutschen Asylrechts seit dem Asylkompromiss in den 90er-Jahren. Dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren sehr zügig bis Mitte Oktober durchführen wollen, zeigt, wie schwierig die Situation und wie dringend der Handlungsbedarf ist.
Ich möchte zu Beginn ausdrücklich und mit großer Überzeugung all den unzähligen, all den Tausenden von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfern in ganz Deutschland danken, die sich tagein, tagaus – teilweise bis zur Belastungsgrenze und manche auch darüber hinaus – in der jetzigen Flüchtlingssituation engagieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte all den Polizisten, den THW-Helfern, den Feuerwehrleuten und den Mitarbeitern der karitativen Einrichtungen und der Rettungsorganisationen ganz herzlich danken. Es ist herausragend, was in Deutschland derzeit passiert und wie viel Solidarität und Empathie gegenüber den Flüchtlingen und Asylbewerbern an den Tag gelegt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte aber auch ausdrücklich dem Bundesinnenminister und seinen hochmotivierten und versierten Mitarbeitern danken. Denn was jetzt unter hohem zeitlichen Druck und auch mit großer Expertise erarbeitet wurde, verdient großen Respekt und hohe Anerkennung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Flüchtlingssituation ist derzeit mit Sicherheit das größte Problem unserer Zeit. Es befinden sich zur Stunde über 60 Millionen Menschen auf unserem Globus auf der Flucht. Das ist die höchste Zahl seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Für Deutschland ist eine andere Zahl von entscheidender Bedeutung. Jeden Tag kommen zwischen 5 000 und 10 000 Flüchtlinge in unser Land, die meisten über die bayerisch-österreichische Grenze, und man kann nicht umhin, klar zu konstatieren: Das ist insbesondere für die südbayerischen Kommunen bzw. die Landkreise eine enorme Belastung und eine riesige Herausforderung.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Stimmt!)
Wir hatten allein im September mehr Flüchtlinge in Deutschland zu verzeichnen als im gesamten letzten Jahr, und schon im gesamten letzten Jahr war es die vierthöchste Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber aller Zeiten.
Eines muss klar sein: Wenn die Zahlen weiterhin auf diesem hohen Niveau bleiben, dann wird Deutschland über kurz oder lang überfordert sein. Was die Registrierung, Antragstellung und Antragsbearbeitung anbelangt, ist dies eine riesige Herausforderung, und die Unterbringung sowie die Integration in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt sind auch für ein starkes und wohlhabendes Land wie Deutschland auch bei größter Anstrengung auf die Dauer nicht zu leisten, wenn die Zahlen auf diesem hohen Niveau bleiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, allein im September sind mehrere zehntausend Flüchtlinge und Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Sie wurden nicht registriert. Sie wurden nicht kontrolliert. Ich möchte in aller Deutlichkeit feststellen: Damit besteht auch ein großes Sicherheitsrisiko.
Es ist deshalb das Gebot der Stunde, dass wir zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehren. Jeder Flüchtling und jeder Asylbewerber muss schnellstmöglich, wenn er deutschen Boden betritt, registriert und überprüft werden. Das ist im deutschen Interesse.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für mich ist eines entscheidend: Deutschland und Europa haben nicht nur Verpflichtungen gegenüber schutzbedürftigen Menschen – dies haben wir sehr wohl auch –, wir haben insbesondere auch eine Verpflichtung gegenüber unserer heimischen Bevölkerung, ein funktionierendes Gemeinwesen und sichere und soziale Lebensbedingungen zu gewährleisten. Es sind vor allem die Menschen in unserem Land, denen wir verpflichtet sind.
Eines ist auch klar: Wenn Deutschland an Leistungs- und Integrationskraft einbüßt, ist letzten Endes niemandem geholfen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nur ein starkes Deutschland kann Flüchtlinge im Inland unterstützen und dazu beitragen, dass Flüchtlinge ihre Herkunftsregionen erst gar nicht verlassen müssen. Deshalb ist nicht nur die Innenpolitik gefordert, sondern zuvorderst auch die Außen-, Europa- und Entwicklungspolitik. Ich bin unserem Entwicklungshilfeminister Gerd Müller sehr dankbar,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
dass er sich nachdrücklich dafür einsetzt, die Bedingungen vor Ort in den Anrainerstaaten deutlich zu verbessern. Unser Bundesminister Gerd Müller weist immer wieder darauf hin: Jeder Euro, der im Herkunftsland bzw. im Anrainerland investiert wird, ist zehnmal so effektiv investiert, als wenn er in Deutschland investiert würde.
(Widerspruch des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deshalb ist es ein wichtiger Schritt, dass wir hier mehr tun. Hier ist nicht nur Deutschland gefordert, sondern hier ist die gesamte Europäische Union in der Verantwortung.
Wir geben mit diesem Gesetz zur Beschleunigung des Asylverfahrens ein wichtiges Signal an all die Menschen, die nicht schutzbedürftig sind, sich nicht nach Deutschland aufzumachen. Ich möchte der insbesondere vonseiten der Linken – leider auch in dieser Debatte – aufgestellten stereotypen Behauptung widersprechen, dass wir zwischen schlechten und guten Flüchtlingen differenzierten. Das stimmt nicht. Jeder Mensch ist gleich viel wert, und jeder Mensch hat natürlich Anerkennung und Respekt verdient. Aber es kommt entscheidend darauf an, ob jemandem der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird oder nicht. Es geht nicht um eine Differenzierung in schlechte und gute Flüchtlinge, sondern darum, ob jemand überhaupt Flüchtling oder anerkannter Asylbewerber ist oder ob er es nicht ist. Wenn er es nicht ist – das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, dann muss er Deutschland wieder verlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Ich bin unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck sehr dankbar, dass er in seiner Rede am vergangenen Sonntag in Mainz deutlich gesagt hat, dass wir es mit einem epochalen Ereignis zu tun haben, „dessen Ausmaß und Tragweite wir noch schwer erfassen können“, und dass unsere Möglichkeiten endlich sind. Dieser Satz ist keine Selbstverständlichkeit, aber er ist unbestreitbar wahr. Nicht nur Juristen wissen: Unmögliches ist nie geschuldet. – Ich möchte noch eines offen sagen: Wer mit Ignoranz darauf reagiert, dass sich Ängste in der Bevölkerung manifestieren, und wer die Probleme in der Bevölkerung negiert, gefährdet letzten Endes den inneren Frieden und auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Eines muss auch klar sein: Es gibt kein Recht – auch nicht für anerkannte Flüchtlinge –, sich den Staat der Schutzgewährung nach Günstigkeitserwägungen auszusuchen. Der Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge ist in allen Staaten der Europäischen Union, in allen Staaten der Genfer Flüchtlingskonvention im Grundsatz möglich und zumutbar. Es geht deshalb insbesondere in den nächsten Wochen und Monaten darum, dass wir Rechtsstaatlichkeit in der gesamten Europäischen Union wiederherstellen, dass sich alle Mitgliedsländer der Europäischen Union an die europäische Asylrechtsgesetzgebung halten, an die Dublin-Verordnung, die Schengen-Verordnung und die Eurodac‑Verordnung; auch das gehört dazu.
Das Gesetz dient insgesamt drei primären Zielen. Es geht darum, die Asylverfahren zu beschleunigen, die Unterbringung zu erleichtern und gleichzeitig die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu forcieren. Auch hier werden wir als Bund darauf achten, wie die Länder mit dieser Aufgabe umgehen; ich sage das hier in aller Offenheit. Es wird in Zukunft verboten sein, Abschiebungen im Vorfeld anzukündigen. Sehr geehrter Herr Minister Pistorius, wir werden einen intensiven Blick insbesondere auf Niedersachsen werfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben mindestens zweimal Abschiebungen im Vorfeld angekündigt und haben selbst vor wenigen Jahren den Paradigmenwechsel beim Abschiebungsrecht ausgerufen. Es wird darauf ankommen, dass sich alle politischen Ebenen, angefangen von der Kommune über die Länder bis zum Bund, entsprechend konzertieren und zusammenarbeiten.
In diesem Sinne bringen wir mit dem heutigen Gesetzentwurf ein sehr weitreichendes und wichtiges Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag auf den Weg. Ich möchte zum Abschluss nicht verhehlen: Es handelt sich zwar um einen essenziellen Zwischenschritt. Aber es wird uns nicht erspart bleiben, hier in diesem Haus sehr schnell über weiter gehende Maßnahmen zu diskutieren und sie dann auch zu verabschieden.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Rüdiger Veit das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5888830 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise |