Eckhardt RehbergCDU/CSU - Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Beck, lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Zu klären, ob es sich um Syrer handelt, ist nicht ganz so einfach, wie Sie meinen. Wenn Sie sich einmal vor Ort kundig machen, dann erfahren Sie: Ein hoher Prozentsatz hat keinen Pass. Wenn Sie sich mit Dolmetschern unterhalten, die die Anhörungen durchführen, dann sagen diese Ihnen: Ein hoher Prozentsatz gibt vor, Syrer zu sein, spricht aber nicht den Dialekt, der in den entsprechenden Regionen in Syrien eigentlich heimisch ist. Deswegen muss man, wenn jemand sagt: „Ich komme aus Syrien“, schon prüfen, ob er auch wirklich aus Syrien kommt. Auch das gehört zu einem geordneten Asylverfahren und zur Realität in diesem Land. Das muss auch benannt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Abg. Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Ja, Herr Pistorius, all das ist eine nationale, gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich glaube, wir als Bund, also die Bundesregierung und der Bundestag, stellen uns dieser Aufgabe und werden uns dieser Aufgabe stellen. Wir werden das für dieses und auch für das kommende Jahr leisten können, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen. Der Grund dafür ist, dass wir eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben. Deswegen können wir es uns auch leisten, in diesem Jahr eine Rücklage in Höhe von 5 Milliarden Euro zu bilden. Diese wird nicht nur aus den Erlösen der Digitalen Dividende und Zinsminderausgaben gespeist, sondern sie ist so strukturiert und konstruiert, dass auch zukünftig bei Entlastungen des Bundeshaushaltes oder bei Minderausgaben Geld dort hineinfließen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bund hat für 2015 eine finanzielle Entlastung der Länder um insgesamt 2 Milliarden Euro zugesagt. Dieses Geld, Herr Minister Pistorius, geht in diesem Jahr ungebunden und unkonditioniert in die Länderhaushalte, wie auch die 3,67 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Herr Minister Pistorius, wenn Sie von einer nationalen, gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sprechen, dann muss ich Ihnen dazu sagen: Es liegt jetzt in der Verantwortung der Länder, dass das gesamte Geld, das der Bund zur Verfügung stellt, bei den Kommunen ankommt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist jetzt Ihre Verantwortung und die Ihrer Kollegen in den einzelnen Ländern, dafür zu sorgen, dass das nicht zur Sanierung der Landeshaushalte verwendet wird, sondern bei den Kommunen ankommt.
Welche Situation haben wir in den Ländern? Bei den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg ist das relativ unproblematisch. Dann gibt es drei Länder, die, weil sie ihren Kommunen die vollen Kosten erstatten, das Geld im Landeshaushalt vereinnahmen könnten: Das sind der Freistaat Bayern, das Saarland und mein Heimatbundesland Mecklenburg‑Vorpommern. Herr Kollege Pistorius, ich muss Ihnen sagen: Nach meinen Informationen bleiben die Kommunen in Niedersachsen auf 40 Prozent der Kosten sitzen.
(Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Ja! – Zurufe von der SPD: Stimmt nicht! – Falsch!)
Deswegen erwarte ich, dass in all den Bundesländern, die den Kommunen nicht die vollen Kosten erstatten, dafür gesorgt wird, dass dieses Geld des Bundes zukünftig bei den Kommunen ankommt und damit eine Vollkostenerstattung vorgenommen wird. Das muss man erwarten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Rüdiger Veit [SPD])
Ich erwarte weiterhin von den Ländern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch die 350 Millionen Euro, die in diesem Betrag für unbegleitete Jugendliche enthalten sind, den unbegleiteten Jugendlichen zugutekommen. Ich erwarte weiter von den Ländern, dass auch die 339 Millionen Euro, die für die Kinderbetreuung ungebunden in die Länderhaushalte gehen, für die Kinderbetreuung in den Ländern ausgegeben werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stichwort „sozialer Wohnungsbau“: Wir als Bund stellen nicht nur mietzinsfrei Bundesimmobilien zur Verfügung, sondern wir gehen noch einen Schritt weiter: Wir werden auch die Herrichtungs- und Erschließungskosten übernehmen, und zwar rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres. Und hinsichtlich der 500 Millionen Euro, die wir noch zusätzlich zu den Kompensationsmitteln für den sozialen Wohnungsbau dazugeben, ist zu sagen: In den 2,5 Milliarden Euro an Entflechtungsmitteln sind schon 518 Millionen Euro für die Förderung von sozialem Wohnraum enthalten. Das heißt, es handelt sich um 500 Millionen Euro und 518 Millionen Euro, also insgesamt über 1 Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau vonseiten des Bundes. Aktuell verwendet aber keines der 16 Bundesländer die in den Entflechtungsmitteln für die Förderung von sozialem Wohnraum vorgesehenen Mittel zweckgerichtet und zweckentsprechend für den sozialen Wohnungsbau.
(Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Und an dieser Stelle, Herr Pistorius, müssen Sie sich von mir anhören: Wir erwarten, dass die 78,3 Millionen Euro, die Niedersachsen zustehen, für den sozialen Wohnungsbau verwendet werden und für nichts anderes.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Höchste Zeit!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben darüber hinaus das Thema Regionalisierungsmittel abgeräumt. Vorausgegangen war eine lange Debatte. Ich fand es allerdings dreist, dass Ministerpräsident Kretschmann aus Baden‑Württemberg auf die Frage, warum das Thema der Regionalisierungsmittel mitverhandelt wurde, geantwortet hat – Zitat –:
Wir müssen ja immer aufpassen, dass der Bund uns die Gelder, die er uns an der einen Stelle zusätzlich gibt, uns an anderer Stelle nicht wieder abzieht.
Das war am 26. September 2015, also gerade einmal 48 Stunden nach dem Gipfel bei der Bundeskanzlerin. Ich finde, so kann man nicht miteinander umgehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dabei gibt es in Baden‑Württemberg für die Kommunen keine Vollkostenerstattung.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja, eben!)
Gerade einmal drei Viertel der Kosten werden erstattet.
Wir als Deutscher Bundestag sollten von daher die Botschaft senden: Ja, der Weg dahin war nicht ganz einfach, aber wir haben uns dieser Herausforderung gestellt und überweisen die entsprechenden Mittel an die Länder. – Mir persönlich – das sage ich ganz ehrlich – wäre eine Zweckgebundenheit lieber gewesen. Das ist nur mit einer Grundgesetzänderung möglich, und ich gestehe zu, dass das schwierig und kompliziert gewesen wäre.
Wir werden im Zuge der Haushaltsberatungen natürlich auch die Mittel in den Haushalt 2016 einstellen, die der Bund zu tragen hat: Leistungen für den SGB‑II‑Aufwuchs, 4,5 Millionen Euro für das Auswärtige Amt, Personalmittel für 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei und mehr Geld für Sprach- und Integrationskurse. Dieser Herausforderung werden wir uns stellen.
Ich glaube – das ist meine feste Überzeugung –, wenn hier jeder, aber auch wirklich jeder, seine Zusagen einhält, dann werden wir gesamtstaatlich der nationalen Verantwortung gerecht. In den letzten Wochen und Monaten haben die Länder gefordert, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht werden muss, und heute können wir das Fazit ziehen, dass er seiner nationalen Aufgabe gerecht geworden ist. Die Länder müssen dieser Aufgabe aber in gleicher Art und Weise gerecht werden. Sie tragen nach unserem föderalen System die Verantwortung für ihre Kommunen und müssen jetzt hier und heute ihrer gesamtstaatlichen, ihrer nationalen Aufgabe gerecht werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir so als Gesamtstaat die Problematik und den Ausnahmezustand beim Thema „Flüchtlinge und Asylbewerber“ bewältigen werden können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will nur eine kurze technische Zwischenbemerkung machen: Da wir die vereinbarte Redezeit von 96 Minuten bereits erkennbar überschritten haben und noch vier weitere angemeldete Redner zu Wort kommen, werde ich jetzt weder Zwischenfragen noch Kurzinterventionen zulassen. Mir ist schon klar, dass es noch sehr viel weiteren Diskussionsbedarf gibt. Aber wir können mit Blick auf die weitere Tagesordnung unsere selbst festgelegten Redezeiten nicht beliebig sprengen.
Nächste Rednerin ist die Staatsministerin Özoğuz für die Bundesregierung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5890687 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise |