Aydan Özoğuz - Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Thomas de Maizière sagte am Anfang: Nur gemeinsam geht es. – In Wahrheit verbirgt sich dahinter viel mehr, als wir hier immer sonst so mit dem Überparteilichen meinen. Ich finde, bei Herrn Rehberg ist das eben schon ein Stück weit angeklungen. Es ging bei diesem Paket natürlich auch um eine Vereinbarung zwischen Parteien, aber tatsächlich handelt es sich dabei in erster Linie um eine Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen. Alle mussten an einen Tisch, mehrfach. Wenn man das Ergebnis mit dem schlechten Asylkompromiss von 1993, wenn ich das einmal sagen darf, vergleicht, dann kann man feststellen: Wir haben in der Asylpolitik jetzt einen riesigen Schritt gemacht, der unser Land voranbringen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist die schlimmste Verschärfung seit 1993 im Asylrecht! Können Sie nicht lesen?)
– Das sehe ich nicht so.
Ich bin sehr froh, dass wir eine dauerhafte strukturelle Finanzierung haben,
(Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind die Beauftragte für das Thema! Sie müssen lesen können!)
dass wir davon weg sind, Herr Beck, dass wöchentlich Menschen zusammenkommen müssen, um darüber zu verhandeln, wie man es finanzieren kann, wenn so viele Asylbewerber kommen, und wie wir solche Dinge wie Sprachkurse von Anfang an auch für Asylbewerber zur Selbstverständlichkeit machen. Wenn Menschen jetzt zu uns kommen, können wir sagen, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben, indem wir dafür sorgen, dass sie nicht monatelang und jahrelang nur herumsitzen müssen und nichts tun, sondern Deutsch lernen und Zugänge zu unserer Gesellschaft finden. Selbst dann, wenn sie eines Tages wieder gehen sollten, weil zum Beispiel in ihrem Land wieder Frieden herrscht, ist das für alle Beteiligten eine sehr gute Sache.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Richtig!)
Aber, wie Herr Mayer zu Recht sagte, wird nicht jeder bleiben können. Das ist hier schon mehrfach angeklungen. Das ist auch ein Teil der Wahrheit, der Ehrlichkeit. Ich möchte nur eines dazusagen, weil mir das manchmal in den Debatten aufstößt: Es ist aus einem deutschen Wohnzimmer, wo man gemütlich sitzt, leicht, ein Wort wie Wirtschaftsflüchtling in den Mund zu nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sollten uns überlegen, welche wirtschaftliche Not sich oftmals dahinter verbirgt, wenn Menschen alles aufgeben, wenn sie ihre Kinder nehmen und sich auf den Weg machen, auch wenn sie bei uns kein Asyl bekommen können. Deswegen ist es richtig, dass wir legale Zugangsmöglichkeiten schaffen wollen und denjenigen, die kommen, um zu arbeiten, um hier zu leben und um ein Teil von uns zu werden, eine Möglichkeit dazu eröffnen. Da wird das Ventil einmal aufgemacht und eine solche Tür geöffnet. Das war, wie ich glaube, längst überfällig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich glaube, es ist ganz wichtig, hier auch zu betonen, dass sich Fremdheit nur durch Begegnung ändern kann. Wenn ich jetzt in der Kürze der Zeit auf die vielen Ängste und Sorgen in unserer Bevölkerung nicht mehr Bezug nehmen kann, so ist mir doch besonders wichtig, auf einen Punkt hinzuweisen: Wenn man das, was all die Ehrenamtlichen und auch all die Hauptamtlichen leisten, die wahrlich genug Überstunden machen – ich denke nur an die Sozialarbeiter, die Extraschichten an den Wochenenden einlegen, damit immer jemand da ist und eine Ordnung und eine Struktur hineinkommen –, wirklich ernst nehmen will, dann muss man auch auf das hören, was sie sagen.
Beim ersten Ehrenamtsempfang im letzten Jahr, den ich mit Ihrer aller Hilfe geben durfte – Sie haben ja die Ehrenamtlichen vorgeschlagen –, haben wir von allen Seiten gehört, dass Strukturen benötigt werden, dass man jemanden braucht, den man fragen kann, bei dem man auch einmal eine Information bekommen kann. Ich freue mich, dass es jetzt gelungen ist, mit den Wohlfahrtsverbänden einen entsprechenden Anfang zu machen. Die Haushälter haben hier Gott sei Dank ein Auge zugedrückt, sodass ich noch ein bisschen mehr Geld als sonst ausgeben konnte, um Schulungen durchführen zu können,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
um Strukturen schaffen zu können, sodass auch Ehrenamtliche entsprechende Anlaufstellen haben. Dabei hilft uns übrigens sehr der deutsche Fußball. Die Sportvereine beginnen jetzt damit. Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, werden die Begegnungen ein Stück weit unterstützt. Ich glaube, das hilft, Fremdheit abzubauen.
Herr Präsident, ich möchte nur noch einen Satz sagen, der mir sehr wichtig ist, und bin dann gleich am Ende meiner Redezeit. Viele Abgeordnete in diesem Haus, und zwar aus allen Fraktionen, bekommen in diesen Tagen viele Verleumdungsversuche übergestülpt. Das sind sehr bösartige Verleumdungen. Ich weiß nicht, wie häufig mittlerweile vorgeschlagen wurde, Strafanzeige zu stellen. Manchmal überlegt man sich, ob man sie noch unterschreiben soll. Wir sollten hier, wie ich finde, jedenfalls auch einmal sagen: Gerade in einer solchen Zeit müssen wir alle zusammenstehen, müssen gemeinsam gegen Hetze und völkische Ideologien vorgehen und dürfen so etwas überhaupt nicht in die Debatte hineintragen lassen, auch wenn das leider oft versucht wird.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Fragen Sie einmal Herrn Seehofer!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Klaus-Dieter Gröhler hat nun für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5890688 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise |