Kerstin GrieseSPD - Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, haben in unserem Land eine Seite geweckt, von der wir gar nicht wussten, dass es sie gibt. Das Engagement und die Hilfsbereitschaft, mit denen sich tagtäglich Zehntausende von Menschen in Deutschland um Flüchtlinge kümmern, sind ungeahnt groß und leidenschaftlich. Ohne diese tatkräftige Hilfe der vielen Freiwilligen wäre es gar nicht gelungen, Flüchtlinge so gut willkommen zu heißen.
(Beifall bei der SPD)
Auch unsere Stadtverwaltungen, die Kitas, die Schulen – ich habe großartige Schulklassen besucht, in denen die Kinder Deutsch lernen –, die Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und die Polizei leisten Großartiges, um allen Geflüchteten ein Dach über dem Kopf und eine erste Versorgung zu bieten. Deshalb als Allererstes ein herzliches Dankeschön dafür.
(Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD])
Jetzt kommt es darauf an, dass auch die staatlichen Strukturen funktionieren, dass Unterkünfte und Versorgung bereitstehen, dass die Registrierung der Flüchtlinge schneller erfolgt, dass die Verfahren beschleunigt werden, damit die Menschen wissen, ob sie bleiben können oder nicht, und damit diejenigen, die bleiben dürfen, sofort die deutsche Sprache lernen können und die Chance haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Auch dafür stellen wir mit diesem Gesetzentwurf die Weichen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
Wir nehmen die große Herausforderung an und wollen jetzt Bedingungen schaffen, damit aus Flüchtlingen gute Nachbarn und Kollegen werden.
Sprache und Arbeit, das sind die wichtigsten Schlüssel für die Integration. Gute Sprachkenntnisse sind die Voraussetzung dafür, dass jemand arbeiten kann, ein Einkommen erzielen kann. Das ist auch für unsere Sozialsysteme wichtig. Deshalb ist unser vordringlichstes Anliegen, dass Flüchtlinge frühzeitig die deutsche Sprache lernen können. Wir sorgen jetzt dafür, dass die Integrationskurse auch für Menschen, die sich im Asylverfahren befinden und eine gute Bleibeperspektive haben, sowie für Geduldete geöffnet werden. Das heißt, es wird in Zukunft möglich sein, viel früher Deutsch zu lernen. Die Zahl der Sprachkurse wird erheblich erhöht. Die Mittel dafür werden erhöht. Zusammen mit den berufsbezogenen Deutschkursen wird ein Gesamtprogramm Sprache entwickelt. Zusätzlich werden Mittel der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt. All das ist wichtig. Wir müssen schon jetzt dafür sorgen, dass die deutsche Sprache schnell gelernt werden kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sprache ist der erste Schritt in die Arbeitswelt. Darüber hinaus brauchen wir mehr Vermittler in den Jobcentern und Arbeitsagenturen, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir gleichzeitig nicht die Menschen aus den Augen verlieren, die schon bei uns leben und Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir werden und wollen uns weiter intensiv um Langzeitarbeitslose kümmern; denn wir wollen nicht, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Heinz Wiese (Ehingen) [CDU/CSU])
Deshalb ist es auch so wichtig – das ist ja völlig klar –, dass der gesetzliche Mindestlohn gilt –
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
egal, ob jemand hier geboren ist oder zu uns geflohen ist. Wer das infrage stellt, schürt Probleme, die es noch gar nicht gibt. Erst letzte Woche sagte eine Betriebsrätin zu mir, dass es gerade jetzt ein Segen ist, dass wir den Mindestlohn haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesagentur für Arbeit wird mit diesem Gesetz schon viel früher denjenigen, die eine gute Bleibeperspektive haben, helfen können, eine Arbeit zu finden. Das Programm „Early Intervention“ wird flächendeckend ausgebaut zu einem Programm, bei dem die Qualifikationen der Flüchtlinge erfasst werden, um mit ihnen gemeinsam überlegen zu können, wie sie sich weiterbilden und einen Arbeitsplatz finden können.
Wenn wir all das schaffen, liegt eine große Chance in den Flüchtlingen, die zu uns kommen. Wir erleben junge Leute – 50 Prozent der Flüchtlinge sind unter 25 Jahren –, die etwas lernen wollen, die unbedingt arbeiten wollen. Wir erleben Kinder, die unglaublich schnell Deutsch lernen und sich mit ihren Mitschülern anfreunden. Ich sage ganz klar: Wenn wir das gut machen – und wir wollen das gut hinkriegen –, dann ist das eine große Chance. Da nimmt auch niemand einem anderen den Arbeitsplatz weg; vielmehr brauchen wir mehr Menschen, die bei uns leben und arbeiten wollen.
Ich will auf einen Punkt hinweisen, der auch in diesem Gesetz geregelt wird und den noch keiner genannt hat; er findet sich in der Änderung der Beschäftigungsverordnung. Wir wissen, dass Flüchtlinge aus den Ländern des Westbalkans in den weitaus meisten Fällen kein Asyl bekommen, weil sie nicht verfolgt sind. Insofern brauchen wir endlich für diejenigen aus dem Balkan, die hier arbeiten wollen, eine legale Möglichkeit der Arbeitsmigration, damit sie keine Asylanträge stellen. So kann die Menge der Verfahren reduziert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin sehr froh, dass wir eine entsprechende Regelung gefunden haben. Wer künftig einen Arbeitsoder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann und in den letzten beiden Jahren nicht als Asylbewerber in Deutschland Leistungen erhalten hat oder – und das ist wichtig; das ist eine wichtige Botschaft an die Menschen in den Flüchtlingsunterkünften – wer in diesem Jahr gekommen ist – bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes –, der kann künftig mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland arbeiten oder eine Ausbildung machen und dafür ein Arbeitsvisum beantragen. Das ist gerade für die Menschen aus dem Westbalkan ein wichtiger Schritt zur legalen Arbeitsmigration.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn es uns gelingt, dass Asylverfahren deutlich schneller entschieden werden, dass die deutsche Sprache schnell erlernt werden kann, dass Qualifikationen erfasst und Praktika und Ausbildung angeboten werden, dann können wir diese Herausforderung meistern. Ich will nicht verschweigen, dass das viel Anstrengung und auch viel Geld kosten wird. Aber es ist gut angelegtes Geld in die Zukunft unseres Landes. Und angesichts dessen, was ich in Schulen und Flüchtlingsunterkünften mit den Ehrenamtlichen und Verantwortlichen erlebt habe, bin ich optimistisch, dass wir diese Herausforderung meistern wollen und meistern können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Einen schönen Tag von meiner Seite aus und auch noch weiterhin einen schönen Tag Ihnen und den Gästen auf der Tribüne!
Der letzte Redner in dieser Debatte ist Johannes Kahrs.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5890760 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise |