Klaus BarthelSPD - Handelspolitik und Handelsabkommen TTIP und CETA
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich so viel Zeit hätte wie der Kollege Pfeiffer, dann müsste man sich auch einmal über Kampagnen unterhalten. Es gibt schließlich noch andere, zum Beispiel die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft,
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
in die jedes Jahr 10 Millionen Euro etwa von den Metallarbeitgeberverbänden fließen. Da müssten wir in der Tat mehr Transparenz herstellen.
Die Frage ist doch: Warum sind Millionen Menschen bereit, solche Kampagnen zu unterstützen?
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Weil ihnen etwas Falsches vorgesagt wird!)
Selbst wenn die Bundesregierung und die Befürworter von TTIP mit allem recht hätten, was sie sagen, müsste man sich doch fragen, warum offensichtlich so viele Menschen Ängste und Bedenken haben.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, mit dieser Frage müssen wir uns inhaltlich ernsthaft auseinandersetzen.
Da wir schon über Kampagnen reden, komme ich auf das Thema von vorhin zurück – das sollten wir vielleicht nicht ganz ausblenden –: Wer über Fluchtursachen und deren Bekämpfung reden will, der darf natürlich beim Thema Handelspolitik nicht schweigen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vieles spricht in der Tat für eine Neuorientierung unserer Außenwirtschafts- und Handelspolitik, für einen multilateralen Ansatz, für eine Nachbarschaftspolitik und für faire Regeln statt Liberalisierung. Deswegen halte ich die Teilnahme an der Demonstration am 10. Oktober dieses Jahres mit vielen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sowie mit vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern für sinnvoll.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Man muss aber schon lesen, was in dem Aufruf steht. Darin steht wesentlich mehr und etwas ganz anderes als das, was von den Grünen und den Linken vorgetragen wird. Dort heißt es zum Beispiel: Wir treten für internationale Abkommen ein, die die Umwelt- und Sozialstandards erhöhen, statt sie zu senken. Wir treten für Abkommen ein, die Arbeitsstandards wie die Kernarbeitsnormen festschreiben. Wir treten für eine Stärkung der Daseinsvorsorge, für kulturelle Vielfalt ein. Das heißt also: Wir sind für eine Gestaltung durch Verträge und Abkommen; denn wenn wir die nicht haben, dann bestimmen die Märkte, was in dieser Welt passiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dem werden die hier vorgelegten Anträge bei weitem nicht gerecht; denn darin wimmelt es von Widersprüchen. Um ein Beispiel zu geben, möchte ich aus dem neuen Antrag der Grünen zitieren. Ich weiß nämlich nicht, ob Sie das Zeug lesen, was Sie hier vorlegen.
Bevor Sie zitieren: Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Dröge?
Ja.
Gut.
Herzlichen Dank, Herr Barthel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich beginne mit dem Punkt, mit dem Sie geendet haben, nämlich mit der Frage, ob wir „das Zeug lesen“, was wir hier vorlegen. Sie haben gesagt, wir Grüne würden uns entgegen dem, was im Aufruf zur Demo am 10. Oktober steht, nicht für gute Abkommen, für internationale Regelungen, für hohe Umweltschutzstandards, für ILO-Kernarbeitsnormen, für die ISO aussprechen. Unter Ziffer 2 des Beschlussteils unseres Antrags steht genau das. Ich gebe zu: Wir haben uns Mühe gegeben, und der Antrag ist daher etwas lang;
(Barbara Lanzinger [CDU/CSU]: Ja!)
das ist leider so. Aber man muss diesen Antrag auch einmal lesen, wenn man ihn berät. Wir haben in sechs Punkten ausgeführt, wie man Handelspolitik vernünftig gestalten könnte. Es sind konstruktive Vorschläge, wie eine bessere Handelspolitik aussehen kann. Von Ihrer Fraktion habe ich dazu noch keinen Antrag im Deutschen Bundestag gesehen. Deshalb meine Frage: Haben Sie diesen Antrag überhaupt gelesen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Ich freue mich sehr, Kollegin Dröge, dass Sie es mir ermöglichen, aus Ihrem Antrag zu zitieren, ohne dass es auf meine Redezeit angerechnet wird. Das wollte ich nämlich ohnehin machen, um die Widersprüche, von denen ich geredet habe, aufzuzeigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: 1 : 0!)
Das ist ein schönes Geschenk.
In ein und demselben Absatz heißt es dort einerseits, Sie seien für „robuste ökologische und soziale Standardsetzung“, und zwar auf höchstem Niveau. Zwei Sätze weiter heißt es zum Thema „Exportchancen von Entwicklungsländern“ andererseits – ich zitiere –:
Ihre wirtschaftliche Entwicklung könnte dadurch gehemmt werden, dass zwischen Industriestaaten Standards festgelegt werden, die ihre Teilnahme am Markt enorm erschweren.
Das ist ein Widerspruch. Das fällt Ihnen aber gar nicht auf, und Sie lösen das im Antragstext auch nicht auf.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen müssen wir die Abkommen entsprechend ausgestalten!)
Ich mache weiter, Frau Dröge. Sie lehnen Living Agreements und regulatorische Kooperationen ab. Weiter heißt es im Text:
Angesichts zukünftiger Herausforderungen dürfen politische Handlungsspielräume für zusätzliche Regulierungen nicht erschwert werden, um ein Überleben zukünftiger Generationen innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen.
Der nächste Satz lautet dann:
Die Europäische Handelspolitik sollte sich stattdessen die robuste Standardsetzung auf internationaler Ebene zum Ziel setzen ...
Okay. – Aber ich frage Sie: Wie soll das gehen ohne regulatorische Kooperationen, ohne Living Agreements?
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Lösen wir die planetaren Probleme durch nationale Regulierungen? Das frage ich Sie im Ernst.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das überhaupt nicht verstanden! – Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)
– Sie können stehen bleiben. – Auch hier lösen Sie den Widerspruch nicht auf, indem Sie nach Wegen suchen, zum Beispiel die regulatorische Kooperation demokratisch auszugestalten und parlamentarische Beteiligung sicherzustellen und die Regeln und Ziele zu definieren, die mit der regulatorischen Kooperation erreicht werden sollen.
So geht es weiter; Sie hätten stehen bleiben können. Ihr Antrag trieft vor deutscher und europäischer Selbstgerechtigkeit, als hätte es nie Gammelfleisch, die bayerischen Eier, BSE, das Pferdefleisch und VW gegeben. Überall geht es nur darum, unsere Standards zu behaupten. Wäre es denn nicht besser, den jeweils höheren Standard zur gemeinsamen Norm zu machen, anstatt zweimal wirkungslos zu kontrollieren, wie es sich jetzt bei VW herausgestellt hat?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Gleiche gilt leider auch für die Anträge der Linken. Vieles ist überholt. Die Reden, die hier manchmal gehalten werden, hätte man vor einem Jahr hören können. In puncto Streitbeilegung zum Beispiel hat sich die Zeit geändert. Wenn ich zuerst lese, dass wir CETA ablehnen sollen, und einige Zeilen weiter steht, dass wir möglichst schnell eine deutsche Übersetzung auf den Tisch legen sollen, dann frage ich mich: Warum soll man das Abkommen übersetzen lassen, wenn Sie es eh ablehnen?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ähnlich ist es im Antrag der Grünen auf Drucksache 18/2620. Dort steht zuerst, dass wir CETA ablehnen sollen, und anschließend, dass wir das ISDS herausnehmen sollen. Was soll das eigentlich?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Alles in allem gibt es keinen Gestaltungsansatz. Die Anträge bleiben auch hinter dem zurück, was wir gemeinsam – die Sozialdemokraten, die Grünen und die Christdemokraten – im Europäischen Parlament beschlossen haben. Daran aber sollten wir, wie ich finde, im Sinne eines konstruktiven Ansatzes weiterarbeiten.
An unseren Koalitionspartner habe ich die Bitte: Sie sagen ja, dass Sie sich für gute Standards einsetzen und sie erhalten wollen. Aber dann nehmen Sie bitte nicht jede Gelegenheit wahr, erreichte Standards und soziale Leistungen wie zum Beispiel den Mindestlohn infrage zu stellen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das haben wir nicht!)
Ansonsten wird sich das Misstrauen weiter erhöhen.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Kollege Barthel. – Nächste Rednerin: Barbara Lanzinger für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5891109 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Handelspolitik und Handelsabkommen TTIP und CETA |