Alexander UlrichDIE LINKE - Handelspolitik und Handelsabkommen TTIP und CETA
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wirtschaftsminister hat zwar reichlich überzogen, ist aber nicht auf die Argumente derer eingegangen, die dazu aufrufen, am 10. Oktober hier in Berlin zu demonstrieren. Das ist eine weitere Chance, die Sie vollkommen verpasst haben.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Wiese [SPD]: Sie bringen seit zwei Jahre keine Argumente hier!)
Wir, die Linke im Bundestag, fordern den Bundestag auf, den CETA-Vertrag abzulehnen. Wir fordern auch die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die TTIP-Verhandlungen mit den USA abgebrochen werden. Diese Verträge widersprechen in jeder Form unserer politischen Idee. Sie sind auch ein Angriff auf die Demokratie, auch auf die Demokratie, für die wir hier im Deutschen Bundestag streiten.
Herr Gabriel, wenn Sie sagen, diese jungen Menschen müssen es ausbaden: Ja, diese jungen Menschen müssen in ein paar Jahren ausbaden, wenn die Demokratie durch solche Verträge ausgehöhlt wird. Diese Menschen müssen es ausbaden, wenn Umwelt- und Verbraucherschutzstandards abgebaut werden, sie müssen es ausbaden, wenn Arbeits- und Sozialschutz abgebaut wird und wenn die Demokratie bis hinunter zur Kommune ausgehöhlt wird. Das müssen diese Menschen ausbaden, da haben Sie recht.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Beyer [CDU/CSU]: Sie haben sich gar nicht weiterentwickelt!)
Man kommt nicht umhin, hier auch noch etwas zum Herrn Pfeiffer zu sagen. Herr Pfeiffer, ich muss Ihnen sagen, das Niveau in diesem Bundestag kann nicht mehr unterboten werden, wenn Sie hier stehen.
(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Da haben Sie recht! Wenn Sie reden!)
Sie haben sich aufgeregt über eine Empörungsindustrie. Ich möchte einmal nennen, wer sich darin alles wiederfindet. Nahezu alle DGB-Gewerkschaften, BUND, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Campact – haben Sie erwähnt –, Naturfreunde, Oxfam, Attac, Brot für die Welt, Foodwatch, NABU – alle diejenigen erklären Sie hier zur Empörungsindustrie.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf!)
Sie haben beklagt, dass zu wenige Bürgerinnen und Bürger die Dokumente von der Europäischen Kommission abrufen. Man würde sich wünschen, dass jeder Bürger in diesem Land Ihre Rede abruft.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn dann würden die sich wirklich empören. Dann würde klar sein, was hier eigentlich gewollt ist. Was Sie hier gemacht haben, ist tatsächlich eine pauschale Herabwürdigung zivilgesellschaftlichen Engagements.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Politiker wie Sie sind mit daran schuld, dass sich immer mehr Menschen von der Demokratie verabschieden. Denn alle Gründe, die diese Menschen bewegen, die diese Organisationen bewegen, am 10. Oktober auf die Straße zu gehen, werden von Ihnen und auch von Herrn Gabriel überhaupt nicht wahrgenommen. Das können wir nicht akzeptieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu Campact. Vielleicht sollten Sie sich trotzdem einmal die Mühe machen. Es gibt drei Vorsitzende. Die Strukturen kann man alle auf der Webseite einsehen. Sie finanzieren sich ausschließlich durch Spenden und Förderbeiträge, also viel transparenter als teilweise die CDU.
(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist auch nur der einzige Zweck: Spenden zu akquirieren!)
Deshalb haben die, glaube ich, es nicht verdient, von Ihnen so angegriffen zu werden.
Dann haben Sie die Demokratie angesprochen. Ich möchte Ihnen sagen: TTIP und CETA höhlen die Demokratie aus. Ich möchte vier Beispiele nennen. Zum einen der Investorenschutz: Mit dem Vorschlag für einen internationalen Handelsgerichtshof, wie von Herrn Gabriel eben gesagt, soll zwar etwas Bewegung in die Sache hineinkommen. Aber an dem Grundproblem, dass ausländische Investoren durch besondere Tatbestände und ein paralleles Justizsystem systematisch bevorteilt werden, ändert das rein gar nichts. Zudem gelten diese Sachen für CETA überhaupt nicht, und ob die USA überhaupt mitspielen und so etwas akzeptieren, was Malmström und Gabriel vorschlagen, ist auch noch völlig unklar. Es wird jetzt so dargestellt, als wäre das Thema bereinigt. Gar nichts ist bereinigt. Von der US-Seite hört man ja, dass sie überhaupt nicht bereit sind, darüber zu diskutieren.
(Zuruf von der SPD)
Zweites Beispiel: Die regulatorische Kooperation. An die Stelle des bewährten Vorsorgeprinzips der EU soll künftig das wenig bewährte US-Regulierungssystem treten. Dort ist das Regulieren so bürokratisiert, dass es am Ende überhaupt nicht mehr stattfindet. Nicht einmal die jahrzehntelangen Versuche, Asbest zu verbieten, waren dort erfolgreich.
Drittens: Stillstand- und Sperrklinkenklauseln. Die Vertragsparteien sollen sich verpflichten, das gegebene Liberalisierungsniveau nicht mehr anzuheben und künftige Liberalisierungen in alle Ewigkeit festzuschreiben. Damit würde eine politische Einbahnstraße geschaffen, die alle künftigen Regierungen bindet. Das kann ein riesiges Problem werden, wenn zum Beispiel Privatisierungen wieder rückgängig gemacht werden sollen. Derzeit wollen viele Kommunen ihre Stromversorgung rekommunalisieren. Mit TTIP und CETA wäre das nicht mehr ohne Weiteres möglich.
(Ulli Nissen [SPD]: Wo steht das?)
Viertens: die Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung. Durch marktradikale Regeln bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Subventionierungsverbote, Marktzugangsverpflichtungen etc. soll den Kommunen jeglicher Gestaltungsspielraum genommen und ein massiver Privatisierungsdruck vor Ort aufgebaut werden. Allein in Deutschland haben sich schon fast 300 Kommunen gegen TTIP ausgesprochen. Auch viele CDU- und SPD-Kommunalpolitiker sind dabei.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch der Städtetag, die kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen haben TTIP scharf kritisiert.
Das Beispiel passt hier ganz gut: Ich war bei einer Veranstaltung, da haben sich sogar die deutschen Bierbrauer – Herr Kauder ist Botschafter des deutschen Bieres; ich weiß nicht, ob er es immer noch ist – über TTIP und CETA beschwert, weil sie Angst haben, dass das deutsche Reinheitsgebot durch Fracking gefährdet wäre.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)
Herr Kauder, wenn Sie nicht auf uns hören, auf die Empörungsindustrie, dann hören Sie zumindest auf Ihre Bierbrauer. Vielleicht wäre das ein guter Fortschritt.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Gabriel, ich möchte Ihnen dringend widersprechen, wenn Sie sagen, dass das nur ein deutsches Problem ist. Wir haben jetzt fast 3 Millionen Unterschriften. Die europäische Bürgerinitiative ist ein großer Erfolg. Herzlichen Glückwunsch dafür! Macht noch weiter mit! Es sind 3 Millionen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In 23 von 28 Ländern sind die Länderquoren überschritten. Das ist also weit mehr als nur eine deutsche Protestbewegung. Es ist eine europäische.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In vielen Ländern, auch in Spanien, Frankreich, Österreich und den Niederlanden, sind Kommunen, die sich gegen TTIP aussprechen. Wenn Sie, Herr Gabriel, das alles ignorieren, dann ist das ein Sargnagel für die europäische Demokratie, für die europäische Sozialstaatlichkeit. Machen Sie diesem Spuk endlich ein Ende! Ihre Partei war schon einmal so weit, nur Sie nicht.
(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Jetzt ist aber genug!)
Sie müssen Ihre Rede jetzt beenden.
Ja, ich komme zum Ende.
Die Forderungen der Empörungsindustrie, wie Herr Pfeiffer es nennt, sind vollkommen gerechtfertigt. Wir teilen sie uneingeschränkt. Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger auf: Lesen Sie die Rede von Herrn Pfeiffer, lesen Sie die Rede von Herrn Gabriel, und kommen Sie am 10. Oktober um 12 Uhr an den Hauptbahnhof in Berlin! Empört euch!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner in der Debatte: Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5891203 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Handelspolitik und Handelsabkommen TTIP und CETA |