Claudia Roth - Handelspolitik und Handelsabkommen TTIP und CETA
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es läuft eigentlich wie immer, wenn wir in den letzten Monaten über TTIP und CETA diskutiert haben. Herr Ernst, ich habe Sie stark im Verdacht, dass Sie Ihre Redemanuskripte sozusagen fünfmal nachnutzen. Das ist zwar sehr effizient, aber es bringt hier kein einziges neues Argument.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das war heute bei Herrn Hofreiter nicht anders als bei Ihrer Rede, Herr Ernst.
Wenn man das auf die Politik ummünzt, müsste man konstatieren: Wenn die Grünen und die Linken an der Macht wären, gäbe es einen völligen Politikstillstand in unserem Land.
(Widerspruch bei der LINKEN – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn seit Jahren haben Sie zu diesem Thema nichts anderes zu sagen als das, was Sie auch heute gesagt haben. Die Grünen wussten ja gestern im Ausschuss nicht einmal so richtig, wo der Antrag abgeblieben war, über den wir heute diskutieren. Offensichtlich ist Ihre Fraktion nicht so gut organisiert. Wenn man sich den Antrag einmal anschaut, Frau Dröge, dann sieht man, dass das ein Sammelsurium von Unterstellungen ist. Dazu hat auch der Minister Stellung genommen.
Wir dürfen doch nicht der Illusion aufsitzen – das schüren vor allem die Grünen in diesen Diskussionen –, dass Deutschland der Verhandlungsführer ist und dass das, was wir in Deutschland an Systemen und Standards haben, das ist, was die Welt braucht. Da sind viele sehr gute Dinge dabei; da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Aber ignorieren Sie ganz einfach, dass auch in anderen Ländern mitgedacht wird, dass sich auch andere Länder Standards geben, dass sie sich Regelungen geben, die sie für gut befinden, die aber nicht den deutschen entsprechen? Diese ignorante Politik betreiben Sie im Prinzip seit Jahren. Sie sind der Auffassung: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.
(Lachen bei der LINKEN)
Das setzen Sie bei diesen Verhandlungen natürlich genauso fort.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist doch auch die Rede vom letzten Mal!)
Noch einmal zu dem Aufruf. Bei der letzten Rede ist ja offensichtlich geworden, dass es heute nicht darum geht, sachliche Argumente auszutauschen, sondern dass Sie heute Ihren Demonstrationsaufruf verstärken wollen.
Herr Lämmel, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Dr. Schmidt?
Nein, danke. Ich brauche jetzt keine Zwischenfrage.
(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Kommen wir zu der Demonstration, die Sie am Wochenende planen. Campact ist ein Unternehmen, das gegen Geld Kampagnen organisiert; ganz einfach. Die haben das Prinzip der Marktwirtschaft erkannt. Wer Geld gibt, bekommt seine Kampagne organisiert. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass eine solche Vereinigung demokratisch legitimiert wäre, meine Damen und Herren. Das muss man einmal deutlich sagen.
Ich meine, man muss sich natürlich auch die Frage stellen, wieso sich eine so große mitgliederfinanzierte Organisation wie der Deutsche Gewerkschaftsbund mit seinen Mitgliedsorganisationen in das Bündnis „TTIP und CETA stoppen!“ begibt.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja, allerdings! – Barbara Lanzinger [CDU/CSU]: Genau!)
Ich frage mich ganz ernsthaft, Herr Ernst, wieso eine solche Organisation ohne demokratischen Beschluss ihrer Mitglieder entscheidet,
(Klaus Barthel [SPD]: Müsst ihr einmal die Beschlüsse nachlesen!)
sich einem solchen Bündnis anzuschließen.
(Klaus Barthel [SPD]: Doch, gibt es! Es gibt Beschlüsse, Herr Lämmel! – Ulli Nissen [SPD]: Haben Sie denn eine Mitgliederbefragung gemacht?)
Damit entzieht sich der Deutsche Gewerkschaftsbund vollkommen einer unabhängigen Diskussion, weil er sich einseitig festgelegt hat. Damit ist doch klar: Wenn wir mit Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes diskutieren, dann müssen wir nicht darüber reden, wie bessere Regelungen aussehen könnten oder welche Befürchtungen die Mitglieder haben. Vielmehr ist klar: Der DGB ist gegen TTIP, und damit ist die Welt für sie zu Ende.
(Klaus Barthel [SPD]: Quatsch!)
Genau das ist das Problem an der ganzen Sache.
Zu der Bürgerbewegung. Sie sprachen von 3 Millionen Unterschriften. Aber auch Sie wissen, dass Europa 500 Millionen Einwohner hat. Dann können Sie ja einmal rechnen. 3 Millionen, das ist zwar schon ganz gut. Aber wir wissen auch, wie auf den Straßen Unterschriften gesammelt werden.
(Ulli Nissen [SPD]: Ach ja? Wie denn?)
Meine Damen und Herren, ich nehme bei verschiedensten Gelegenheiten an Diskussionen über TTIP und CETA teil. Eines fällt immer wieder auf: Wenn man einmal die Chance hat, eine Stunde oder zwei Stunden über TTIP und Freihandel zu diskutieren, dann kommen hinterher 80 Prozent der Leute zu mir und sagen: Ja, das muss uns doch einmal jemand erklären. – Genau das ist das Problem an Ihren Kampagnen: Sie verkürzen das Thema auf fünf Hauptsätze und sagen dann: Hier bitte unterschreiben. – Das ist Ihre Art, Unterschriften zu sammeln, und das ist Ihre Art, Kampagnen zu betreiben. Deswegen ist die Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern natürlich sehr groß.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie auch inhaltlich mal etwas dazu sagen?)
Denn eines ist ganz klar: Zu versuchen, ein Freihandelsabkommen mit fünf Kernsätzen zu beschreiben, kann nicht gelingen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen, meine Damen und Herren, sind Sie diejenigen, die die große Verunsicherung in Deutschland verbreiten und nichts dazu beitragen, die Diskussion auf ordentliche Füße zu stellen.
Ich meine, als sich Europa und die Vereinigten Staaten auf den Weg gemacht haben, ein Freihandelsabkommen zu schließen, wussten wir von vornherein, dass das ein holpriger Weg ist. Dass es nicht leicht wird, wenn die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt versuchen, so ein großes Abkommen auf den Weg zu bringen, war allen klar. Sie sagen jetzt: Verhandlungen abbrechen! Keinen Schritt weiter! – Aber Sie wissen doch selber, dass Verhandlungen dazu da sind, unterschiedliche Positionen möglicherweise zu einer gemeinsamen Position zu bringen. Sonst könnten wir ja überall in der Welt aufhören, zu verhandeln. Wenn es nach Ihren Verhandlungsprinzipien ginge, bräuchten wir auf europäischer Ebene über nichts mehr zu verhandeln, und dann bräuchten wir letztendlich auch in der WTO nicht weiter zu verhandeln.
Nun zu den Grünen und ihren Unterstellungen. Sie sagen, Sie befürchten, dass wir das im Rahmen der EU nie schaffen werden. Ja, auch ich denke, dass die Grünen nie wieder an die Macht kommen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich kann mich täuschen; aber ich denke das. Ich befürchte, dass Ihnen das angesichts dessen, was Sie so machen, nicht mehr gelingt. Wieso versuchen Sie, die Leute für dumm zu verkaufen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso lassen Sie keine Zwischenfragen zu?)
anstatt Ihre Positionen einzubringen und zu sagen: „Wir möchten gerne, dass in diesem Abkommen die und die Punkte berücksichtigt werden“?
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie da sagen, ist wirklich völlig neben dem Thema!)
Der Minister hat deutlich gemacht: Die Einrichtung eines Handelsgerichtshofes war ein Vorschlag, den Europa eingebracht hat. Wir müssen uns doch nicht verstecken! Sie suggerieren immer, die Amerikaner zögen uns über den Tisch. Na ja, meine Damen und Herren von den Linken und den Grünen, was denken Sie eigentlich, wie blöd die Leute in Brüssel sind und wie blöd das deutsche Parlament ist,
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Tja, das ist die Frage!)
das letztendlich über dieses Vorhaben abstimmen muss?
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie nicken doch alles ab, was die Amerikaner uns vorgeben!)
Das gesamte Verhandlungsergebnis wird in den Deutschen Bundestag kommen. Hier wird darüber diskutiert. Letztendlich wird es dann eine Abstimmung geben, und dann wird man sehen, ob es dafür eine Mehrheit gibt oder nicht.
Herr Ernst, im Gegensatz zu Campact und solchen Hilfsorganisationen, die nicht demokratisch legitimiert sind, ist der Deutsche Bundestag das gewählte Gremium des deutschen Volkes, in dem letztendlich diese Entscheidungen getroffen werden müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja gruselig!)
Insofern kann ich nur sagen: Ihre Stimmungsmache wird letztlich nicht dazu führen, dass Sie erfolgreich sind.
Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Darin sind wir uns hier im Hause auch völlig einig. Wir müssen noch viel in die Verhandlungen einbringen, und es wird diejenigen, die am Verhandlungstisch sitzen, sicherlich noch manche Nerven kosten, bis sie zu einer Vereinbarung kommen. Wir können nur hoffen, dass wir in einem absehbaren Zeitraum zum Abschluss kommen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ein Grauen!)
Vielen Dank, Herr Lämmel. – Nächste Rednerin in der Debatte: Katharina Dröge für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5891257 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Handelspolitik und Handelsabkommen TTIP und CETA |