Gabi WeberSPD - Bundeswehreinsatz EU-Operation EUNAVFOR MED
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Mittelmeer ist ein Grab geworden. Das Bild des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan hat viele Menschen aufgerüttelt. Aber warum erst jetzt? Lampedusa ist doch schon längst eine bittere Mahnung. Die UNO verzeichnete für 2014 rund 3 500 im Mittelmeer ertrunkene Menschen; dieses Jahr sollen es bereits 2 000 sein. Die Menschen begeben sich in die Hände von kriminellen Schleppern, die sie auf seeuntüchtigen Booten auf den Weg nach Europa schicken.
Es sind die Schrecken des syrischen Bürgerkrieges, der Terror des selbsternannten IS-Kalifats, zerfallende Staaten und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, die sie verzweifeln lassen und zum Aufbruch bewegen. Die Not der Menschen ist so groß, dass sie die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer antreten.
Wenn wir heute dem Bundeswehreinsatz im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED zustimmen, dann genehmigen wir eine Operation, die das Geschäft der Schleuser massiv behindern soll, diese in Italien vor Gericht stellen lässt und aufgefundene Flüchtlinge sicher nach Italien geleitet. Ja, diese Operation setzt bei den Symptomen an, aber auch das ist neben der Ursachenbekämpfung notwendig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an dieser Stelle – und hier spreche ich sicher für alle in diesem Hause – den beteiligten Soldatinnen und Soldaten Dank und Anerkennung aussprechen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Rettung von Menschenleben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Rettung Schiffbrüchiger oder in Seenot geratener Flüchtlinge gab es die effektive italienische Operation Mare Nostrum. Solch eine Mission muss durch die EU neu aufgelegt werden; der kleinere Einsatz Triton reicht nicht.
(Christoph Strässer [SPD]: Richtig!)
Gegen die Schleuser selbst vorzugehen, war bisher allerdings zu wenig im Fokus. Das ändern wir mit dem jetzt vorgesehenen Mandat.
Flankierend müssen wir aber auch gegenüber Italien europäische Solidarität leisten. Dieses Land schultert einen Großteil der Flüchtlingswelle über das Mittelmeer. Unsere Partner Italien und Griechenland können das nicht alleine leisten. Es braucht mehr Union an dieser Stelle, und zwar Europäische Union.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In diesen Tagen wird von der Entwicklungspolitik verlangt, sie möge schnelle Lösungen der Flüchtlingsfrage präsentieren. Ich sage es ganz deutlich: Diese Erwartung kann sie nicht erfüllen. Fluchtursachen lassen sich nicht von heute auf morgen bekämpfen. Dazu braucht es einen langen Atem und einen großen Werkzeugkasten. Zu diesem Werkzeugkasten gehört zweifelsohne ein umfassendes Zuwanderungsgesetz, das Flüchtlingen legale Möglichkeiten für einen Neustart in Deutschland bietet. Liebe Kollegen von der Union, reichen Sie uns dazu die Hand.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir beschließen heute einen weiteren Einsatz im Mittelmeer und leisten bereits humanitäre Hilfe. Aber was ist weiter zu tun? Erstens muss eine langfristige Entwicklungspolitik betrieben werden. Soeben wurden von der UNO in New York 17 Entwicklungsziele verabschiedet, die alle Staaten binden, auch uns. Sie verpflichten uns, unsere Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik so zu ändern, dass sie Menschen in anderen Ländern nicht die Lebensgrundlage rauben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die EU-Wirtschaftsabkommen müssen wir daraufhin kritisch überprüfen. Unsere Entwicklungspolitik muss so ausgerichtet sein, dass sie Armut wirklich und nachweisbar bekämpft, Einkommen und Arbeit für die lokale Bevölkerung schafft und insgesamt die lokale Teilhabe aller ermöglicht.
Wir brauchen zweitens die Schaffung von Sicherheit in fragilen oder zerfallenden Staaten. Vor diesem Hintergrund müssen wir internationale Polizeimissionen viel stärker in den Blick nehmen. Diese haben die richtigen Werkzeuge, um organisierter Kriminalität oder Korruption etwas entgegenzusetzen. Dann ist es nicht hilfreich, dass im Haushalt genau dieser Mittelansatz gekürzt wird.
Wir brauchen drittens Steuergerechtigkeit. Entwicklungsländer haben oft eine erschreckend niedrige Steuerquote. Korruption, gesetzliche Lücken und Steueroasen erlauben es den dortigen Eliten, sich ihrer Mitverantwortung für ein gesundes Staatswesen zu entziehen, übrigens genauso wie bei uns an der einen oder anderen Stelle. Entwicklungspolitik muss hier einen Schwerpunkt setzen. Staaten, die über stabile Einnahmequellen verfügen, besitzen mehr Möglichkeiten, ihrer Bevölkerung eine Zukunft im eigenen Land zu bieten.
Wer denkt, ich würde mit dieser Auflistung von Themen abweichen, irrt. Wer glaubt, mit einfachen Lösungen dieser Krise Herr werden zu können, befindet sich auf dem Holzweg. Man muss das eine tun – Bekämpfung der Schleuser, humanitäre Soforthilfe und legale Einwanderungswege – und darf das andere – Staatsaufbau, Schaffung von Lebensperspektiven vor Ort und Gewährleistung individueller Sicherheit – nicht lassen. Lassen Sie uns für beides arbeiten.
(Beifall bei der SPD)
Aber die Durchsetzung dieses Anforderungskatalogs wird Geld kosten. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die deutsche ODA-Quote zügig und in klar messbaren Zwischenschritten in Richtung 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts steigen muss. Ich möchte gerade jetzt an Bundesfinanzminister Schäuble appellieren, nicht vom Ziel einer zeitnahen Einführung der Finanztransaktionsteuer Abstand zu nehmen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Davon, dass die Einführung verschoben werden sollte, war zu meiner Verwunderung unlängst zu lesen. Aber schließlich war diese Steuer die Gegenleistung für die Zustimmung meiner Fraktion zum Fiskalpakt. Wir brauchen die Finanztransaktionsteuer zügig, nicht irgendwann.
Ich schließe damit und bitte Sie um Zustimmung zu dem vorliegenden Mandat.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Alexander Neu von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5891543 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EU-Operation EUNAVFOR MED |