01.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 127 / Tagesordnungspunkt 6

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EU-Operation EUNAVFOR MED

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Parlament heute früh wie auch vorhin während der Menschenrechtsdebatte beeindruckend erlebt, wie sich unser Parlament die Frage der Flüchtlinge im Inland zu Herzen nimmt. In der jetzigen Debatte geht es darum, wie wir als Europäische Union mit der Flüchtlingslage an den europäischen Grenzen umgehen. 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union engagieren sich in der Mission EUNAVFOR MED, diese stellen neun Schiffe und zwölf Luftfahrzeuge zur Verfügung. Das ist ein Zeichen europäischer Solidarität, aber es ist eben auch nur ein Teil der notwendigen Strategie, die wir brauchen.

Herr Dr. Neu, ich weise eindeutig zurück, was Sie hier angesprochen haben. Wenn Sie den Operationsplan genau lesen,

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Habe ich gelesen!)

dann werden Sie feststellen, dass eine Abweisung der Schiffe nicht vorgesehen ist.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht wahr!)

Es kann aber sein, dass Sie den nötigen Annex nicht lesen durften, weil Sie die notwendige Sicherheitsüberprüfung nicht haben. Aber das möchte ich nicht unterstellen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich möchte das trotzdem sehr ernsthaft aufgreifen. Im Jahr 2003 hat die Europäische Union in ihrer Sicherheitsstrategie gefordert, dass wir in den nächsten Jahren – also ausgehend von 2003 – alles daransetzen müssen, dass in der südlichen Nachbarschaft der Europäischen Union ein Ring gut regierter Staaten entsteht, die stabil sind und mit denen wir vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist uns nicht gelungen. Wir müssen deshalb unsere außen- und entwicklungspolitischen Strategien deutlich besser aufeinander abstimmen.

Ein Ansatz ist die Mission EUNAVFOR MED, bei der es in der ersten Phase um die Aufklärung der Schleppernetzwerke ging, und bei der es jetzt darum geht, die Schlepperboote und das Netzwerk der Beobachter der Schlepper auf dem Mittelmeer auszuheben. Das kann aber nur ein allererster Schritt sein. Wir müssen deshalb alles daransetzen, zusammen mit dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen León und auch mit seinem Nachfolger als EU-Sonderbeauftragter zu erreichen, dass in Libyen eine Einheitsregierung entsteht. Die Bundesrepublik Deutschland, aber auch Marokko haben wesentliche Verdienste daran, dass die beiden Parteien in Tripolis und in Bengasi bereits miteinander sprechen, und wir hoffen, dass das Ziel bis zum Jahresende erreicht ist.

Das, was wir mit dem Festsetzen der Schlepperboote machen, ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen natürlich auch in den libyschen Hoheitsgewässern agieren können, und wir sollten das, was die Europäische Union im Jahr 2013 begonnen hat, fortsetzen, nämlich eine Grenzsicherungsmission nach dem Vorbild der Mission EUBAM, also eine zivil organisierte Grenzsicherungsunterstützungsmission, etablieren, die die Grenzen Libyens unterstützt. Warum ist das nötig? In Libyen sind etwa 1 Million Menschen in Flüchtlingslagern. Es hilft uns wenig, wenn wir immer nur die Flüchtlinge aufnehmen, die den harten Weg über das Mittelmeer wagen. Wir müssen neben der Fluchtursachenbekämpfung – ich komme nachher darauf zurück – im nördlichen Afrika Einrichtungen schaffen, in denen die Flüchtlinge sichere Aufenthaltsorte bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das bekommen wir eben nur hin, wenn wir das Mandat der libyschen Regierung erhalten, auch an Land aktiv zu werden. Ich denke, dass dies im Rahmen einer GASP-/GSVP-Polizeimission durchaus leistbar ist.

Ich möchte dafür werben, dass wir alles daransetzen, auch unserer Öffentlichkeit zu erklären, dass wir die Ursachenbekämpfung angehen, aber auch die ärgste Not lindern müssen, indem wir die Flüchtlinge aus den Schlepperbooten befreien und auf den Boden der Europäischen Union bringen. Das steht auch eindeutig so im Operationsplan.

Ein letzter Punkt, der mir am Herzen liegt, ist unser Umgang mit Afrika. Wir werden im November wieder einen gemeinsamen Gipfel der Europäischen Union mit der Afrikanischen Union auf Malta haben. Kernpunkt dieses Treffens werden folgende Fragen sein: Wie schaffen wir in der Subsahara gute, sichere Zonen? Wie bekämpfen wir dort Flüchtlingsursachen? Und – das sollte das Thema der Europäischen Union sein –: Wie befähigen wir die Afrikanische Union, auf ihrem Kontinent Verantwortung wahrzunehmen, gute Regierungsführung durchzusetzen und – mindestens genauso wichtig – für die Flüchtlinge gute Lebensbedingungen in den jeweiligen Flüchtlingseinrichtungen zu schaffen? Denn dort – das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit dazu – werden wir uns wesentlich deutlicher engagieren müssen.

Es geht auch um die Unterbindung von Terrornetzwerken, denen in Libyen Tür und Tor geöffnet wurde. Es geht auch darum, dass wir die Ausbreitung von Waffen und von Proliferation, aber auch von ausgebildeten Terroristen eindämmen. Das bedeutet eben, dass wir neben entwicklungspolitischer Zusammenarbeit und außenpolitischen Strategien auch eine gewisse polizeiliche und militärische Begleitung brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir nehmen aber auch sehr ernst, was die Nachbarstaaten sagen. Wir hatten gestern eine Delegation der tunesischen Regierungspartei Nida Tunis zu Besuch bei uns. Von deren Seite wurde die Sorge geäußert, dass sich der Einsatz von EUNAVFOR MED möglicherweise, auch unbeabsichtigt, gegen Fischerboote richten kann. Wir müssen also auch die Betroffenheit der Nachbarländer ernst nehmen. Wir wissen, dass in dem Operationsplan, der letztlich vom Einsatzhauptquartier auf dem italienischen Flaggschiff sowie vom Operationshauptquartier in Rom aus umgesetzt wird, sehr sensibel auf diese Bedingungen eingegangen wird und die teilnehmenden Soldaten auch in diese Richtung sensibilisiert werden.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Diese Mission ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist aber ein notwendiger Schritt, um das Schleppernetzwerk lahmzulegen. Viel wichtiger ist, dass wir eine gemeinsame Afrikastrategie entwickeln und auch als Parlament ein deutliches Zeichen der Unterstützung an die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten und an die Entwicklungshelfer im nördlichen Afrika senden. Wir wollen einen ganzheitlichen Einsatz. Alle müssen zusammenarbeiten. Wir als CDU/CSU-Fraktion unterstützen diese Mission deshalb.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Bevor Agnieszka Brugger vom Bündnis 90/Die Grünen als nächste Rednerin das Wort hat, habe ich eine Kurzintervention zugesagt. Herr Dr. Neu hat die Möglichkeit zu einer Kurzintervention.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Frau Dağdelen war es! – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Warum das denn? Warum denn Frau Dağdelen?)

– Okay, Frau Dağdelen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5891586
Wahlperiode 18
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EU-Operation EUNAVFOR MED
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