Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf den Besuchertribünen! Die fleißigen Krimizuschauer unter uns werden sich vielleicht erinnern: Kopfgeld , das war der zweite Til-Schweiger- Tatort im Frühjahr dieses Jahres, und er hat genau diese Problematik angesprochen. Im Kern ging es um eine angesehene Staatsanwältin, die vergewaltigt wird und sich anschließend nicht traut, Anzeige zu erstatten. Ihr Grund, verkürzt dargestellt: Das Opfer, also sie selber, könnte im späteren Verfahren der Lüge bezichtigt werden.
Nach der Ausstrahlung wandte sich die stellvertretende Frauenbeauftragte von der Humboldt-Universität Berlin natürlich auch an die Tatort -Redaktion und hinterfragte die Motive; denn schließlich erzeuge auch ein solches Szenario den Eindruck, dass Frauen keine Chance hätten, gegen ihren Vergewaltiger vorzugehen. Zu Recht wurde dadurch eine medial intensiv begleitete Debatte über eine anzustrebende Reform des Strafgesetzbuches ausgelöst. Das Thema wurde noch einmal öffentlich gemacht – und das ist auch gut so, auch vor dem Hintergrund, dass die Zahl der bei der Polizei angezeigten Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung im Jahre 2014 gestiegen ist.
Als Gesetzgeber haben wir bereits einige Änderungen im Bereich der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung vorgenommen, um Opfer besser zu schützen, aber auch, um die Täter adäquat verurteilen zu können. Seit Januar 2002 werden auch Fälle der sexuellen Nötigung innerhalb der Ehe erfasst. Bereits vor fast 20 Jahren wollte dieses Haus die Strafbarkeitslücken schließen. In der Praxis hatten sich nämlich Fälle gezeigt, in denen das Opfer dem körperlich überlegenen Täter ausgeliefert war und angesichts seiner hilflosen Lage eine Verteidigung für sinnlos hielt. In der Rechtsprechung hat sich also die Ausgestaltung der gesamten Vorschrift, insbesondere des reformierten § 177 Absatz 1 Nummer 3 StGB, als zu eng erwiesen.
Neben der zuvor genannten Lücke werden aus meiner Sicht auch weitere als strafwürdig angesehene Handlungen von den Straftatbeständen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung nicht oder nur unzureichend erfasst, so etwa, wenn das Opfer aufgrund der überraschenden Handlung des Täters keinen Widerstand leisten kann – die Beispiele sind schon genannt worden – oder wenn das Opfer nur aus Furcht keinen Widerstand leistet. Wir als SPD-Bundestagsfraktion treten daher schon seit langer Zeit für eine Stärkung des Opferschutzes ein und diskutieren dies nicht erst seit der bereits angesprochenen Istanbul-Konvention.
(Beifall bei der SPD)
Beispielsweise leisten auch Terre des Femmes oder One Billion Rising auf diesem Gebiet eine wertvolle Arbeit.
Der nun von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf, liebe Grünen, greift ein wichtiges Thema auf; da sind wir uns alle einig. Bei den erforderlichen Änderungen kommt es aus meiner Sicht allerdings darauf an, rechtlich sauber zu arbeiten. Eine Streichung des § 179 StGB erachte ich hier als nicht zielführend; vielmehr sollte dieser eher noch breiter ausgestaltet und um weitere Straftatbestände erweitert werden.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
So hatte es auch der Sachverständige Professor Dr. Jörg Eisele in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Januar 2015 aufgezeigt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es freut mich daher sehr, dass unser Bundesjustizminister Heiko Maas einen eigenen Entwurf vorgelegt hat, der die aus meiner Sicht bestehenden Lücken auch tatsächlich schließt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dieser Gesetzentwurf ist maßvoll und vernünftig. Ich gehe davon aus, dass der Entwurf nunmehr auch zeitnah weitergeleitet wird, liebes Bundeskanzleramt.
Darüber hinausgehende, immer wieder geforderte Änderungen, insbesondere die Forderung, dass die Strafbarkeit allein an das Fehlen eines Einverständnisses zur sexuellen Handlung anzuknüpfen ist, müssten sehr gut abgewogen werden. Ich teile hier die bislang geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, weil zum Beispiel Formulierungen, die neben der sexuellen Handlung nur die Worte „ohne Einverständnis“ enthielten, eine Abweichung von der Unschuldsvermutung erwirken könnten. Dies könnte zu einer Angreifbarkeit der Regelung führen, was sicherlich nicht in unser aller Interesse wäre.
Zusammenfassend möchte ich betonen, dass ich den Gedanken des Gesetzentwurfs zwar lobenswert finde, jedoch der Meinung bin, dass einige Punkte rechtlich anders geregelt werden sollten. Ich freue mich daher auf die weitere Diskussion hier im Hause.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5892192 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung |