01.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 127 / Tagesordnungspunkt 11

Matthäus StreblCDU/CSU - Armuts- und Reichtumsberichterstattung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es heißt, der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung müsse „qualifiziert“ werden, dann meinen die Antragsteller, die Fraktion Die Linke, natürlich Qualifizierung ausschließlich in ihrem Sinn.

In dem Antrag ist gleich zu Beginn im Hinblick auf die Bundesregierung die Rede davon – ich zitiere  –:

Damit liegt die Zuständigkeit für die Beschreibung und die Bewertung von Armut und Reichtum in den Händen der Instanz, die die politische Verantwortung für die soziale Spaltung trägt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, bei einer solchen Formulierung sind Zweifel angebracht, ob wirklich eine sachliche Auseinandersetzung gewünscht wird. Ein weiteres Beispiel soll genügen, um diese Zweifel zu stärken: Der Bundesregierung werden „Verschleierungsabsichten“ unterstellt, und die bisherigen Berichte stellen demnach „dem jeweiligen Regierungshandeln ein Armutszeugnis aus“.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben wir eben noch zweimal gehört!)

Wer den Antrag liest, muss sich fragen: In welchem Land leben die Linken eigentlich? Sie behaupten, der flächendeckende Mindestlohn sei gescheitert und „ein Desaster für das Niedriglohnland Deutschland“. An keiner Stelle des Antrags wird die Situation in Deutschland auch nur annährend so beschrieben, wie sie sich tatsächlich darstellt. Dass ein solcher Antrag kurz vor dem 25. Jahrestag der Wiedervereinigung im Bundestag behandelt werden muss, entbehrt im Übrigen nicht einer gewissen Ironie.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]:  Wieso?)

Es wird behauptet, die Große Koalition unternehme nichts gegen Armut. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine gute Arbeitsmarktpolitik ist doch wohl das beste Mittel gegen Armut. Das behaupte ich jedenfalls. Von 2013 bis zum September 2015 ist die Arbeitslosenquote von 6,9 Prozent auf 6,2 Prozent zurückgegangen. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im September 2,7 Millionen Menschen arbeitslos gegenüber 2,8 Millionen im Vergleichsmonat des Vorjahres. Insgesamt haben wir 43 Millionen Erwerbstätige und 31 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, so viele wie noch nie.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon haben die Armen nichts, da sie arm sind!)

Der schon genannte Mindestlohn wird ebenfalls dazu beitragen, die Wohlstandsschere ein wenig zu schließen. Er wird ja von einer Mindestlohnkommission entsprechend fortgeschrieben werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt des Antrags kommen. Es wird suggeriert, dass der größte Teil der Menschen in Deutschland in bitterer Armut lebt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Wo steht denn das? Das ist doch Unsinn!)

– Es ist so herauszulesen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, Herr Kollege!)

Die Antragsteller werfen der Bundesarbeitsministerin vor, sie wolle mit ihrer Definition des Armutsbegriffs Armut in Deutschland wegdefinieren. So der Vorwurf gegenüber der Bundesarbeitsministerin. Hier muss die Frage erlaubt sein, was unter Armut bzw. unter Reichtum überhaupt zu verstehen ist. Der Hamburger Zukunftsforscher Opaschowski hat beispielsweise erst kürzlich in der Rheinischen Post gesagt – ich zitiere –:

Die Frage nach dem Reichtum wird immer wieder reduziert auf eine Geldfrage.

Man macht es sich in der Tat zu einfach, wenn man nur das Einkommen betrachtet und den Menschen sagt: „So, Ihr seid arm“ oder: „Ihr seid reich“.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auch das Vermögen!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, 2014 lag die vom Statistischen Bundesamt errechnete Armutsgefährdungsschwelle für Alleinstehende in Deutschland bei 917 Euro. Für Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren betrug sie 1 926 Euro. Dabei gibt es regionale Unterschiede, wie wir wissen. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel gilt die genannte Familie mit 1 615 Euro im Monat als armutsgefährdet, dagegen in Baden-Württemberg schon bei 2 119 Euro im Monat.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch! Das stimmt gar nicht!)

Der Antrag der Linken weist die bisherigen Armuts- und Reichtumsberichte als „schönfärberisch“ zurück. Allerdings ist jetzt, werte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, durch die Einbeziehung vieler gesellschaftlicher Gruppen sichergestellt, dass der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht frei von sprachlichen Tricks sein wird, die die Situation beschönigen könnten. Es wird ein ehrliches Bild der Lage in Deutschland geben. Die von Ihnen verlangte unabhängige Kommission ist daher völlig überflüssig. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass Sie von der Fraktion Die Linke deren Ergebnisse auch nicht anerkennen würden, wenn sie Ihren vorgefassten Meinungen nicht entsprächen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist echt unter Ihrem Niveau!)

Vielleicht werden Sie Ihren Antrag wieder und wieder einbringen, wie wir es von Ihnen gewohnt sind. Zustimmungsfähig würde er dadurch auch nicht werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erhält jetzt der Kollege Markus Paschke, SPD‑Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)

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Electoral Period 18
Session 127
Agenda Item Armuts- und Reichtumsberichterstattung
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