Arno KlareSPD - Internationale Luftverkehrsabkommen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Behrens, ich fange mit dem Umweltschutz an, weil Sie gesagt haben, das Wort „Umweltschutz“ käme in dem Vertragswerk gar nicht vor.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Die Überschrift ist geändert worden!)
Die Überschrift heißt „Umwelt“. Dann geht es weiter: „Die Vertragsparteien erkennen die Bedeutung des Umweltschutzes ...“ usw. In dem ersten Absatz kommt das Wort „Umweltschutz“ sogar zweimal vor. Aber wir müssen jetzt nicht darüber reden; es ist einfach so, wie ich es sage.
(Zuruf von der CDU/CSU: So weit ist der gar nicht gekommen! Er hat nur die Überschrift gelesen!)
Man muss, glaube ich, ein wenig tiefer in dieses Vertragswerk auch im juristischen Sinne einsteigen, um es einordnen zu können.
(Zuruf von der CDU/CSU: Zumindest einmal lesen!)
Welchen Hintergrund hat das? Das Ganze findet im Rahmen des Vertrages, der 1944 geschlossen worden ist und die Internationale Luftfahrtorganisation begründete, statt; die Bundesrepublik Deutschland konnte natürlich erst 1956 beitreten. Dieser ICAO-Vertrag enthält drei Grundsätze, die sehr wichtig sind: einmal das Grundprinzip der Souveränität aller Staaten ausgedrückt in dem Begriff der Lufthoheit – hier ist ausdrücklich nicht die über Stammtische gemeint –, zweitens die Chancengleichheit, damit alle, die den Luftraum nutzen, die gleichen Regeln haben, und drittens – das ist daraus abgeleitet – die sogenannte Diskriminierungsfreiheit. Das heißt, wenn ich in einem Luftraum die Souveränität habe wie die Bundesrepublik Deutschland im Luftraum über dieser Republik, dann müssen alle Fluggesellschaften, die Flughäfen in unserem Lande anfliegen, die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Darum geht es im Kern.
Es gibt in dem Vertrag, von dem Herr Wichtel gerade geredet hat und der schon seit 2007 existiert, eine Formulierung, die man sich genau anschauen muss. Bitte genau hinhören! In der vorherigen Debatte sind Dichter zitiert worden; das ist jetzt allerdings juristische Prosa.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
In Artikel 7 unter der Überschrift „Anwendung von Rechtsvorschriften“ – so einen Satz können nur Juristen hinbekommen; ich hoffe, ich trage ihn jetzt korrekt vor – heißt es:
Die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften einer Vertragspartei
– das sind wir –
betreffend den Einflug in ihr oder den Ausflug aus ihrem Gebiet der im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge oder betreffend den Betrieb und den Verkehr dieser Luftfahrzeuge innerhalb ihres Gebietes gelten für die Luftfahrzeuge, die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei verwendet werden, und sind von diesen Luftfahrzeugen beim Ein- oder Ausflug und innerhalb des Gebietes der ersten Vertragspartei zu befolgen.
Ich weiß, dass man diesen Satz mit 0,5 Promille nicht mehr vortragen kann.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Der Kern des Satzes lautet:
Die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften einer Vertragspartei ...
– also von uns –
sind zu befolgen.
Das heißt, es gibt einen Bereich, in dem wir souverän sind und in dem wir Gesetze erlassen können, die eindeutig zu befolgen sind. Sie stellen das gerade in Abrede und erwecken den Eindruck, als könne das ausgehebelt werden. Damit würde der Basisvertrag, nämlich der ICAO-Vertrag, null und nichtig. Er ist aber der Rahmen, der vorgegeben wird,
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Ja, der Rahmen!)
und jedes Luftverkehrsabkommen, das abgeschlossen wird, hat in seiner Eingangsformel eine Bezugnahme auf diesen Vertrag. Jedes!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Insofern stimmt das, was Sie sagen, nicht. Es gilt weiterhin die Lufthoheit, die Souveränität unseres Landes, und bei Umweltschutzmaßnahmen der sogenannte ausgewogene Ansatz, der „balanced approach“. Das bedeutet, es gibt ein Kriterienviereck, nach dem man sich zu richten hat. Alle Kriterien sind gleichermaßen wichtig. Es ist manchmal schwer, sich das vorzustellen; aber es ist so. Es geht um Flugsicherheit, um ökologische Ziele, um ökonomische Ziele und um flugbetriebliche Ziele. Sie sind gleichermaßen bedeutend und haben bei der Abwägung das gleiche Gewicht.
Außerdem gibt es eine Kaskade, wie zum Beispiel ökologische Ziele wie Lärmminderung einzuhalten sind:
Am Anfang steht die Lärmreduktion an der Quelle. Jeder Fluglärmaktivist, aber auch jeder Aktivist auf der Gegenseite sagt genau das: Es muss an der Quelle beginnen.
Dann gibt es lokale Maßnahmen wie die in einem Flächennutzungsplan im Bereich der Raumordnung, aber auch beim passiven Lärmschutz.
Lärmreduktion am Boden bedeutet, man muss andere Flugverfahren und bei Flughäfen andere Anflugsysteme haben. Auch das ist lärmreduzierend.
Als letzter Schritt, als Ultima Ratio sozusagen, wenn man das Ziel mithilfe der ersten drei Kriterien nicht erreichen kann, kommen Betriebsbeschränkungen ins Spiel.
Das ist der „balanced approach“. Er ist völkerrechtlich verbindlich und muss angewendet werden. Aber die Maßnahmen, mit denen man das Ziel erreicht, unterliegen dem nationalen Recht, das durch keinen anderen Vertrag ausgehebelt wird, auch nicht durch den, der hier in Rede steht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zusammengefasst muss man sagen: Es gelten der „balanced approach“ und die Lufthoheit. Genau dies ermöglicht uns, diese Regelungen zu treffen. Ihre Interpretation ist juristisch schlicht falsch.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber politisch richtig! – Stephan Kühn (Dresden) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagt ein Nichtjurist!)
Ich möchte noch auf eines hinweisen – es wäre vielleicht nicht ganz unwichtig gewesen, wenn Sie das erwähnt hätten; das hätte ich eigentlich erwartet –: Zum ersten Mal überhaupt ist in einem Luftverkehrsabkommen eine soziale Dimensionierung vorgenommen worden; das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es wird nämlich ein Artikel 17 a eingefügt, in dem auf die soziale Dimension des Abkommens abgehoben wird. Eine ganz wichtige Formulierung ist, dass offene Märkte, um die es hier geht, und hohe arbeitsrechtliche Normen zusammengehören. Das steht in dem Vertrag, über den wir heute zu entscheiden haben, drin.
Von den Gewerkschaften, die im Luftverkehrsbereich aktiv sind, weiß ich, dass sie das begrüßen und sagen: Endlich ist die soziale Dimension wirklich einmal in einem Vertrag formuliert worden. – Das gab es bisher in keinem einzigen Luftverkehrsabkommen. Das gibt es erst jetzt, nämlich in diesem Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Insofern kann ich Ihnen nur empfehlen, diesem Vertrag zuzustimmen.
Ich hatte zwei Aufgaben:
Erstens. Ich wollte Sie überzeugen, Herr Behrens. Ich weiß, dass ich Sie nicht überzeugt habe. Sie werden nicht zustimmen; das weiß ich. Aber vielleicht kann ich Sie ja dazu bringen, dass Sie sich enthalten.
Meine zweite ganz schwere Aufgabe betrifft Herrn Rimkus. Es gibt eine Art Running Gag zwischen uns. Ich habe mit Herrn Rimkus vereinbart, dass wir uns in unseren Reden immer gegenseitig erwähnen. Das ist mir jetzt gelungen.
Ich danke, dass Sie mir zugehört haben.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zum Glück haben Sie das noch innerhalb Ihrer Redezeit geschafft. Sonst wäre ich dazwischengegangen.
Als nächster Redner hat der Abgeordnete Stephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Bitte.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5892560 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Internationale Luftverkehrsabkommen |