Ulla SchmidtSPD - Berichte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Berichte, über die wir heute diskutieren und die Gott sei Dank wieder von einem Außenminister vorgelegt wurden, für den diese dritte Säule der Außenpolitik eine ganz wichtige Bedeutung hat, legen das Hauptaugenmerk auf die Krisen- und Konfliktprävention.
Ich glaube, gerade angesichts der derzeitigen Situation gilt: Eigentlich war Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nie so aktuell wie heute. Wenn wir berücksichtigen, dass sich laut UNHCR rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht befinden – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr –, zeigt das sehr deutlich, wie in einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint, die soziale Kraft der Kultur in der Frage der Krisen- und Konfliktprävention eine immer größere Bedeutung erhält. Denn viele der Krisen, die wir heute als humanitäre Krisen erleben, sind ja, wie es der Bundesaußenminister immer sagt, auch Krisen der Humanität, also der Menschlichkeit, die in Gefahr ist aufgrund von Terrorismus, ideologischem Radikalismus und auch aufgrund der Situation, dass in immer mehr Staaten jede zivile Ordnung auseinanderbricht und dass gerade in den Krisenregionen dem staatlichen Gewaltmonopol überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir in diesen Bereich der auswärtigen Politik investieren. Denn all das, worüber wir heute im Hinblick auf Fluchtursachen, worüber wir im Hinblick auf Hilfe beim Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen in den verschiedenen Ländern, worüber wir im Hinblick auf die Vermittlung von Werten diskutieren, ist von großer Bedeutung, und hier muss mit und von unseren Mittlerorganisationen sehr viel geleistet werden. Für uns, die Mitglieder des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, war immer wichtig, dass wir mithilfe unserer Mittlerorganisationen dafür sorgen, dass in den Flüchtlingslagern und in all den bedrohten Regionen keine verlorene Generation aufwächst, und dass wir zugleich in Bildung, in Kultur, in die Vermittlung von Werten investieren, dass wir den jungen Menschen die Chance geben, überhaupt wieder an Demokratie zu glauben und dafür einzutreten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte heute einmal den Blick auf die deutschen Auslandsschulen richten. Sie sind seit jeher eine tragende Säule der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Sie haben Tag für Tag damit zu tun, mit unterschiedlichen Biografien umzugehen, die Menschen in den Herkunftsländern kennenzulernen, Kindern die Chance zu geben, Werte zu entwickeln, an Demokratie zu glauben. Sie sind im Grunde genommen Orte der Begegnung, der Vielfalt, und sie sind oft Orte des Beginns des interkulturellen Austauschs. Weil sie so dafür prädestiniert sind, diese unterschiedlichen, heterogenen Aufgaben zu meistern, müssen wir in die Auslandsschulen investieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viele von Ihnen haben sich bei Ihren Besuchen in den verschiedenen Ländern immer wieder vor Ort von der hervorragenden Arbeit der Auslandsschulen überzeugen können. Sie haben sich davon überzeugen können, wie dort Schülerinnen und Schüler mit den verschiedensten persönlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Hintergründen miteinander und voneinander lernen, wie dort mithilfe der Lehrerinnen und Lehrer diese Schülerinnen und Schüler zu weltoffenen, toleranten, selbstbewussten jungen Erwachsenen herangebildet werden und wie die Auslandsschulen über ihre Arbeit vor Ort mit den verschiedenen Kulturen verwachsen.
Ich habe heute Morgen mit der Kollegin Müntefering darüber gesprochen, welche Chancen sich für unsere Auslandsschulen bieten, auch innerhalb Europas, insbesondere in Osteuropa. Denken wir an die Diskussionen, die wir derzeit über eine gerechte Behandlung der Flüchtlinge und eine wirklich europäische Flüchtlings- und Asylpolitik führen. Unsere Schulen können dazu beitragen, dass dort Menschen heranwachsen, die mit ihren Familien dafür eintreten und vielleicht in manchen Punkten einen Sinneswandel in der Gesellschaft herbeiführen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil die Schulen so gut sind, haben wir im Ausschuss und hier im Parlament entschieden, dass sie auch im Bereich der inklusiven Bildung Aufgaben wahrnehmen sollen. Wir wollen bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention vorangehen. Wir wollen, dass von unseren Auslandsschulen vor Ort das Signal ausgeht: Ja, auch für behinderte Menschen, für behinderte Kinder ist Teilhabe ein Menschenrecht; denn dieses Menschenrecht ist unteilbar.
Schließlich wollen wir auch, dass über die Auslandsschulen unsere hervorragenden Erfahrungen im Bereich der dualen Berufsbildung vermittelt werden können.
Ich füge aber hinzu: Wenn wir all das wollen, wenn wir die Möglichkeiten der Auslandsschulen nutzen wollen und wenn wir die Qualität der Ausbildung in diesen Schulen beibehalten wollen, dann müssen wir investieren; denn gute Schulen brauchen hervorragende Lehrerinnen und Lehrer.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dem entspricht nicht, dass die Auslandsschulen seit Jahren an Attraktivität einbüßen. Mittlerweile liegen die Lehrerinnen und Lehrer an Auslandsschulen 23 Prozent hinter der Gehaltsentwicklung von Bundesbeamten im Ausland zurück. Wir erleben derzeit, dass Lehrerinnen und Lehrer sagen: Ich würde das gerne machen, aber ich kann doch meine Familie, meine Kinder nicht schlechterstellen, nur weil ich eine wichtige Aufgabe wahrnehmen möchte. – Ich bitte Sie alle darum, dass wir gemeinsam daran arbeiten. Wir müssen die Besoldung der Lehrerinnen und Lehrer an die Besoldung aller anderen ins Ausland entsandten Beamten und sonstigen Kräften anpassen. Wir müssen die seit 1999 geltende Abkopplung ihrer Besoldung beenden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass wir ausreichend Geld zur Verfügung haben, damit die Auslandsschulen die Aufgaben, die sie im Bereich der Inklusion und hinsichtlich der Förderung der beruflichen Bildung wahrnehmen sollen, erfüllen können. Wir müssen aber auch die Chance haben, mit entsprechenden Mitteln die Schulen zum Beispiel in Erbil im Nordirak oder in Kabul zu unterstützen,
(Beifall des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dort, wo es noch keine Auslandsschulen gibt, kleine Schulen zu unterstützen, damit dort langsam Auslandsschulen aufgebaut werden können. Ich bitte Sie dafür um Unterstützung. Im Ausschuss werden wir darüber noch reden. Ich glaube, wir müssen jetzt investieren.
Wir brauchen zusätzliches Geld im Haushalt. Dafür werbe ich bei Ihnen allen. Sie wissen, in der Kulturpolitik ist es immer so: Mit wenig Geld kann man viel erreichen, aber durch Entzug von wenig Geld kann man vieles kaputtmachen. Wir jedoch sollten in die Zukunft investieren.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun erhält die Kollegin Tank für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Berichte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik |