Michelle MünteferingSPD - Berichte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie auch die Kinderzeichnung gesehen, die ein syrisches Kind der Polizei geschenkt hat? Auf der einen Seite, unter syrischer Flagge, bewaffnete Terroristen, abgetrennte Gliedmaßen; unter deutscher Flagge ein Weg, ein Haus, eine Zuflucht. – Es ist nicht ganz klar, wie alt das Kind war, das das gezeichnet hat, ob es Mohammed oder Fatma hieß. Aber wie auch immer, wir wissen: Es zeigt die Realität.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, das ist die Wirklichkeit von Millionen Menschen. Viele von ihnen suchen Schutz, auch bei uns. Um helfen zu können, brauchen wir alle Kräfte. Meine Vorrednerinnen haben es gesagt: Der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Denn die Kulturdiplomatie als tragende Säule deutscher Außenpolitik hat eine besondere, eine eigene Kraft.
Unser verstorbener Kollege Philipp Mißfelder, den ich in unseren Reihen vermisse, hat vor gar nicht allzu langer Zeit an diesem Pult gesagt: Die AKBP ist das Zaunkönigtum des Deutschen Bundestages. – Ich weiß nicht, wie viele Hobbyornithologen unter uns ihn damals verstanden haben, aber das stimmte: Der Zaunkönig ist winzig klein, sein Gefieder recht unscheinbar, aber sein Gesang ist laut und über Hunderte Meter weit zu hören, im Sommer wie im Winter.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ja, so ist das auch mit unserer Arbeit im Ausschuss.
Liebe Kollegen, die AKBP ist nicht weniger als die „sanfte Macht“ der Außenpolitik, das, was wir durch die Beziehungen von Künstlern, Wissenschaftlern und der Zivilgesellschaft an Verständigung und Veränderung bewirken können. Sie kann helfen, kulturell, religiös oder weltanschaulich bedingte Konflikte zu bewältigen, und auch zu ihrer Prävention beitragen. Deswegen ist klar, dass wir sie brauchen. Fluchtursachen bekämpfen wir am besten, wenn wir Menschen nicht nur ein Bett, ein Dach und etwas zu essen geben, sondern wenn wir ihnen auch eine Perspektive geben: auf ein sicheres Leben, auf Bildung und auf Arbeit – in ihren Heimatländern, aber auch denjenigen, die bei uns bleiben.
Es ist gut, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier diesen Bereich fördert, und zwar weit mehr als seine Vorgänger. Da wir im Unterausschuss als Zaunkönige für die gemeinsame Sache arbeiten, bin ich sehr froh, dass auch Frau Böhmer und alle anderen Kolleginnen und Kollegen beim Finanzminister noch einmal kräftig vorsingen werden.
Die Flüchtlingsfrage zeigt, wie die Trennung von innen und außen aus der Zeit gefallen ist. Willy Brandt hat schon in meinem Geburtsjahr 1980 gesagt:
Die Globalisierung von Gefahren und Herausforderungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert eine Art „Weltinnenpolitik“ ...
Daran arbeiten wir heute noch.
Wenn sich also wie heute die Trennung von innen und außen, von „hier bei uns“ und „dort bei den anderen“ so sehr aufhebt, dann muss auch die AKBP den Blick nach innen richten. Unsere Mittler können dabei helfen. Sie haben Kompetenz und Erfahrung. Sie können bei Sprachvermittlung und Integration helfen. Sie kennen kulturelle Vielfalt und wissen um die Bedeutung unserer Werte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber einiges müssen wir noch verbessern – das muss an dieser Stelle in einer solchen Debatte gesagt werden –: Wir müssen unsere Mittler besser koordinieren und ihre Kompetenzen eben auch im Inland stärker nutzen. Ich will zwei Beispiele nennen, um deutlich zu machen, wie das gehen kann.
Erstes Beispiel. Auch in meinem Wahlkreis Herne‑Bochum II haben wir Asylsuchende aufgenommen und dazu Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW errichtet. Wie viele von Ihnen war auch ich vor Ort, habe mit Ehrenamtlichen, mit Betroffenen und mit Anwohnern gesprochen. Mir ist aufgefallen: Wir schicken die Kinder in den Kindergarten, die Jugendlichen in Aufnahmeklassen in die Schule. Für die jungen Erwachsenen haben wir meistens Tischtennisplatten. Aber wir wissen doch: Wo die jungen Männer nix zu tun haben, gibt es Kloppe; das war schon immer so. Darüber müssen wir uns auch nicht wundern.
Deswegen: Nutzen wir doch, was da ist: Smartphones, die jeder hat, mit Onlineangeboten, damit alle die Möglichkeit haben, unsere Sprache und auch etwas über unser Land, über Deutschland, zu lernen. Der Langenscheidt-Verlag zum Beispiel hat als privates Unternehmen sein Deutsch-Arabisches Wörterbuch frei zur Verfügung gestellt; das ist gut. Auch unsere Mittler steigen ein: Die Deutsche Welle hat eine Internetseite geschaltet, und das Goethe-Institut will nun auch eine App bereitstellen.
All das ist gut und prima. Aber nicht jeder darf jetzt für sich allein loslegen, sondern das muss koordiniert werden. Das AA, das Auswärtige Amt, dem ich für seine Arbeit ganz ausdrücklich danke, ist bereits auf dem Weg, die Akteure zusammenzuholen. Mein Rat: Fragen Sie auch einmal die Menschen, die es betrifft. Diese werden Ihnen sagen, sie müssen nicht nur eine Zahnbürste kaufen gehen, sondern sie müssen auch auf der Behörde mit dem Amtsdeutsch zurechtkommen.
Zweites Beispiel. Der DAAD und das Deutsche Archäologische Institut arbeiten in Kairo zusammen. Dabei ist etwas Außergewöhnliches entstanden. Während die Terroristen von Daesch, von ISIS, in ganz Arabien jahrtausendealte Kulturgüter zerstören, haben sie begonnen, junge Menschen auszubilden, und zwar gleichermaßen an einer deutschen und an einer ägyptischen Universität. Sie lernen von Experten, wie man Kultur erhalten kann, aber auch für die Bevölkerung nutzbar machen kann, und zwar gerade nicht dadurch, dass ausländische Fachkräfte eingeflogen werden, sondern indem junge Menschen vor Ort befähigt werden, ihr eigenes Erbe zu sichern. Das zeigt das Potenzial gemeinsamer Programme.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was wir brauchen, sind gleichermaßen Sprachdolmetscher und Kulturdolmetscher. Tragen wir unseren Teil dazu bei!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat die Kollegin Sigrid Hupach für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5896986 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Berichte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik |