02.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 128 / Tagesordnungspunkt 18

Thomas FeistCDU/CSU - Berichte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir bei den vorherigen Reden einmal die Zeit genommen, auf die Tribünen zu schauen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE])

– Doch, ich kann gleichzeitig hören und schauen. Wenn Sie das nicht können, müssen Sie es einmal trainieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Kollege Gysi kann das auch. Schauen Sie es sich einmal ab von ihm! – Ich habe die Konzentration in den Gesichtern der jungen Menschen gesehen – ich würde es zumindest freundlicherweise als Konzentration interpretieren –, wenn von Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik gesprochen wurde. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, was für ein sperriger Ausdruck! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Bei mir im Wahlkreis muss ich jedes Mal erklären, was das ist. Da Plenarsitzungen sozusagen das Schaufenster des Parlaments sind, würde ich das auch an dieser Stelle gerne einmal versuchen: Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist gewissermaßen der sichtbare Teil der Außenpolitik. Während Diplomaten meistens hinter verschlossenen Türen agieren und später mit irgendeinem Ergebnis herauskommen, werden die Ergebnisse in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sichtbar gemacht.

Da wir am Vortag des 25. Jahrestages der deutschen Einheit sind, möchte ich das gern einmal aus einer persönlichen Sichtweise heraus illustrieren. Ich habe mein halbes Leben in einem Land verbracht, das es nicht mehr gibt. Es hieß Deutsche Demokratische Republik oder, wie Erich Honecker immer nuschelnd gesagt hat, „Deutsche Kratische Plick“.

(Heiterkeit)

In diesem Land hatten wir zwar Westfernsehen – ich bin in Leipzig groß geworden, nicht im Tal der Ahnungslosen – und konnten uns informieren; natürlich wurden wir über den schwarzen Kanal von Karl-Eduard von ­Schnitzler, bei uns liebevoll „Sudel-Ede“ genannt, auch immer informiert, wie schrecklich „da drüben“ alles ist. Aber wirklich interessant war, was sich mit Kultur verbunden hat; denn Kultur spricht jeden Menschen an. Sie spricht die Sinne an, die Vernunft und die Emotionen. Genau dafür bieten wir Orte an, beispielsweise mit den weltweit vorhandenen Goethe-Instituten, aber auch mit anderen Einrichtungen. Dadurch erreichen wir nicht nur den Verstand, sondern auch die Herzen der Menschen. Deswegen ist Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik eine gute Art der Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gab und gibt zum Glück noch heute in Leipzig das Polnische Informations- und Kulturzentrum. Nun kann man sich über Polen auch über Bücher informieren; das machen viele sicher auch. Sie lesen und schauen im Internet – das hatten wir damals noch nicht –, was da so los ist. In diesem Informations- und Kulturzentrum gab es genau das, was mich als jungen Menschen damals interessiert hat, zum Beispiel Musik von Czeslaw Niemen, elektronische Musik oder die sogenannten Lizenzplatten von den Sex Pistols.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Sex Pistols?)

– Ja, kennst du die noch, Michaela? Super Musik! – Darüber hinaus gab es – das organisieren auch unsere Goethe-Institute – Veranstaltungen. Die Veranstaltungen, die das Polnische Informations- und Kulturzentrum durchgeführt hat – das waren meistens irgendwelche wilden Free-Jazz-Konzerte, was vielleicht nicht jedermanns Musik ist –, boten die Möglichkeit, mit Menschen aus anderen Ländern zusammenzukommen, mit Künstlern, mit Kreativen, mit Verrückten. Das war eine tolle Sache. Deswegen ist das, was wir hier machen, wirklich gut.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD] – Claudia Roth (Augsburg) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, bei Verrückten fühle ich mich angesprochen!)

– Claudia, ich habe die Toten Hosen nicht erwähnt. Ton Steine Scherben sind auch gut gewesen.

Außerdem gab es zu DDR-Zeiten gar nicht weit von hier, Unter den Linden, ein französisches Kulturzentrum, gar nicht weit weg von der Berliner Mauer. Ich hatte damals als zweite Fremdsprache – Russisch war ja für alle als erste Fremdsprache verpflichtend – nicht Englisch, sondern Französisch gewählt.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Gute Wahl!)

Nun, mit wem konnte man in der DDR Französisch sprechen? Mit niemandem! Deswegen war es unheimlich wichtig, dass es hier in Berlin ein französisches Kulturzentrum gab, wo es Bücher gab, wo man sich auch einmal eine Schallplatte kaufen konnte. Das war sozusagen unser Blick in die Welt, und zwar ein Blick, der nicht von irgendwelchen Klischees geprägt war; der war echt.

Es ist daher wichtig, dass wir mit den Goethe-Instituten weltweit Möglichkeiten für einen solchen Blick in die Welt schaffen. Ich gebe dem Kollegen Bergner recht: Wir müssen schauen, wie man das in Zukunft noch ein bisschen ausgeglichener gestalten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber etwas Gewachsenes abzusägen, ist sehr schwierig; das muss man schon sagen. – Für Menschen die Möglichkeit zu schaffen, sich auszutauschen, das ist eine tolle Sache, und das ist Außenpolitik. So verstehe ich die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Sie ist Außenpolitik nah am Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Claudia Roth (Augsburg) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist außenpolitisch wichtig, wenn Menschen mit klangvollen Namen von A nach B reisen, sich tief in die Augen schauen und sich die Hände schütteln. Das ist alles gut; ich habe nichts dagegen. „ Nah am Menschen“ heißt aber, dass wir jungen Menschen die Möglichkeit geben, in diese Begegnungen einzusteigen; denn die jungen Menschen von heute sind diejenigen, die morgen oder übermorgen Verantwortung übernehmen müssen. – Gemeint seid auch ihr auf der Tribüne.

Wir haben einen Antrag vorgelegt, in dem es darum geht, im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik den Jugendaustausch zu verstärken. Ich finde, das ist eine gute und sinnvolle Sache. Leider gibt es verschiedene Stellungnahmen von Kulturorganisationen, die das gar nicht gut finden. Sie sagen: Wieso? Jetzt wollt ihr uns vorschreiben, was wir machen sollen, in welche Richtung wir gehen sollen? – Dazu kann ich nur sagen: Liebe Kulturorganisationen, fragt, bevor ihr das nächste Mal eine solche Kritik äußert, vorher die Menschen, die diesen Antrag geschrieben haben, die sich damit beschäftigt haben. Natürlich haben wir das Feld der freien Jugendarbeit und des Jugendaustausches, wo eigene Ideen einfließen können. Dafür ist aber ein anderes Ministerium zuständig. Bei uns geht es darum, mehr jungen Menschen im Bereich der auswärtigen Politik die Möglichkeit zu geben, an diesem Austausch teilzunehmen, und zwar bezogen auf die Schwerpunkte, die wir gesetzt haben. Die Östliche Partnerschaft ist angesprochen worden; aber es gibt auch andere. Die jungen Menschen sollen verstärkt die Möglichkeit erhalten, durch Partizipation, durch eigenes Erfahren zu lernen, wie wichtig das ist. Warum ist das wichtig? Jetzt komme ich noch einmal ganz kurz auf die Bücher zurück: Aus Büchern kann man viel über ein Land lernen – mittlerweile kann man sich auch im Internet informieren ; aber die Begegnung von Menschen kann durch Bücher nicht ersetzt werden. Genau diese Begegnung von Menschen ermöglichen wir durch den Jugendaustausch im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Deswegen ist es richtig, dass wir als Parlament diesen Titel aufstocken wollen. Ich bitte alle herzlich dabei um Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

– Es ist immer schwer, Beifall zu spenden, wenn der Redner keine Pause macht. Ich verstehe das; aber so ist das nun einmal, wenn es einen mitreißt. Frau Kollegin Schmidt, Sie wissen ja selber, wie das ist.

Ich möchte auf die deutschen Auslandsschulen zurückkommen, um deutlich zu sagen, wie wichtig sie sind. Die deutschen Auslandsschulen sind mitnichten Schulen, die exklusiv die Beschulung von Deutschen im Ausland übernehmen, sondern sie sind offen für junge Menschen aus diesen Ländern. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese deutschen Schulen in Zukunft besser ausstatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wichtig ist auch, dass die Lehrer – über sie ist schon mehrfach gesprochen worden – so vergütet werden, dass sie es attraktiv finden, im Ausland zu unterrichten. Die Lehrer bleiben ja nicht immer dort. Sie kommen zurück. Angesichts der Entwicklungen in Europa und in unserem Land sind das genau die Lehrkräfte, die wir brauchen. Sie haben einen breiten interkulturellen, interreligiösen Hintergrund und können deswegen eine bessere Beschulung von Kindern und Jugendlichen hier vor Ort ermöglichen. Deswegen ist es wichtig, dass wir in diesem Bereich tätig sind.

Frau Präsidentin, mit Verlaub, an dieser Stelle möchte ich gerne unserer Staatsministerin danken: Ich finde Ihr Engagement sehr gut. Es gab schon andere Staatsministerinnen, die sich nicht so engagiert eingesetzt haben. Mit Ihnen wissen wir eine verlässliche Partnerin an unserer Seite. Bitte richten Sie das auch dem Außenminister aus. Wir kämpfen für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Wenn Sie das im Ministerium auch machen, kann gar nichts schiefgehen.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5897091
Wahlperiode 18
Sitzung 128
Tagesordnungspunkt Berichte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta