Markus KurthDIE GRÜNEN - Renten in Ostdeutschland
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schimke, das Geeier vonseiten der Union, das man nach 25 Jahren deutsche Einheit noch immer und immer wieder hört, wenn es um einen einheitlichen Rentenwert in Ost und West geht, ist wirklich nur noch schwer zu ertragen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
„Das wird geprüft“ oder „Dann werden wir mal sehen“, das alles sind wachsweiche Formulierungen. In der Zeitung kann ich derweil lesen, dass der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Herr Sellering, auf Eckhardt Rehberg, der ebenfalls aus Mecklenburg-Vorpommern stammt, losgeht und dass sich die beiden streiten. Bei dieser Gelegenheit ist eines klar festzustellen – das wird gerne vergessen –: Die einzige Fraktion hier im Deutschen Bundestag, die eine sofortige Angleichung der Rentenwerte Ost und West will und konsequent bei neuen Ansprüchen auf die Höherwertung verzichten will, die einzige Fraktion, die eine Angleichung und damit den Vollzug der deutschen Einheit im Rentenrecht will, ist Bündnis 90/Die Grünen und niemand sonst, noch nicht einmal die Linke. Das darf man nicht vergessen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind in den letzten 25 Jahren viel differenzierter geworden. Es gibt auch zwischen Nord und Süd, zwischen Schleswig-Holstein und Bayern große Lohnunterschiede. Regionale Ausgleichsmechanismen könnte man beispielsweise auch innerhalb Brandenburgs begründen. Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man sich die Unterschiede bei Lohn und Tarifbindung zwischen Potsdam und Templin oder anderen Städten in der Uckermark vor Augen führt. Wir sehen, dass wir im Bereich der Tariflöhne – erst kürzlich war dies im Tarifarchiv der Hans‑Böckler‑Stiftung zu lesen – bei der Ost-West-Angleichung gut vorangekommen sind. Der Lohn- und der Rentenunterschied zwischen Ost und West besteht, weil im Osten Deutschlands die Tarifbindung so gering ist. Das ist der Kern des Problems. Das Rentenrecht kann an dieser Stelle nicht alle Probleme lösen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Bartsch, wenn sich der Antrag Ihrer Fraktion nur auf die beiden Gruppen beschränkte, die Sie beispielhaft als Härtefälle angeführt haben, würden wir ihm zustimmen; denn die aus der DDR Geflüchteten hatten bestimmte Zusagen, quasi Rechtsgarantien bekommen, die ihnen nachträglich aberkannt wurden. Das ist der entscheidende Punkt, Frau Schimke. Es geht nicht darum, jede individuelle Ungerechtigkeit mit dem Rentenrecht zu nivellieren; das geht selbstverständlich nicht. Aber in diesen Fällen ist Personen etwas zuerkannt worden. Diese haben sich auf eine bestimmte Lebensplanung verlassen
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)
und haben bereits Jahre vor dem Mauerfall beispielsweise in Köln und Dortmund gearbeitet. Es ist absolut nachvollziehbar, dass an dieser Stelle etwas geschehen muss. Herr Bartsch, wenn Sie sich beispielsweise auf diesen Punkt konzentriert hätten, würden wir dem Antrag Ihrer Fraktion zustimmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das gilt auch für die in der DDR geschiedenen Frauen. Wir weisen schon seit vielen Jahren auf die besondere Härte in diesen Fällen hin. Wir sind der Meinung, dass dort Regelungsbedarf besteht. Die in der DDR Geschiedenen kämpfen seit Jahren um ihr Recht. Wir schätzen ihre Zahl auf Hundertausende. Viele von ihnen leben leider in bitterer Armut.
Dann gibt es noch zwei Berufsgruppen, die nach meiner Auffassung Besonderheiten aufweisen, darunter die in der Braunkohle Beschäftigten. Dabei handelt es sich, wie Sie zu Recht gesagt haben, um eine sehr geringe Anzahl.
Aber Sie beschränken sich nicht auf die Gruppen, bei denen dies nachvollziehbar und begründbar ist, sondern, Herr Bartsch, Sie nehmen auch noch andere Gruppen dazu, die bestimmte Sonderansprüche in der DDR hatten, die aber keine Entsprechung im westdeutschen Rentenrecht, im SGB VI, haben. Ich nenne auch einmal Beispiele, die zeigen, wo man das nicht nachvollziehen kann. Das ist etwa bei den Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern der Fall, die Sonderrentenansprüche gehabt haben. Man würde wiederum Privilegierungen einführen, und das ist in der Tat nicht sachgerecht. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag an dieser Stelle enthalten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Mutige Enthaltung!)
– Nein, nein.
Was die aus der DDR Geflüchteten anbelangt, muss man auch noch einmal eines sagen. In der letzten Legislaturperiode haben Linke, SPD und Grüne gemeinsam ihren politischen Willen bekundet, an dieser Stelle etwas zu machen. Jetzt hat es im Petitionsausschuss eine Petition gegeben. Und was stellen wir fest? Die SPD hat ihre Position um 180 Grad geändert, lässt diese Petition abschließen und lässt Grüne und Linke in ihrem Einsatz für die aus der DDR Geflüchteten im Regen stehen. Ich finde es unmöglich, wirklich, dass Sie an dieser Stelle Ihr Fähnlein so sehr nach dem Wind hängen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wir werden – das ist im Moment das parlamentarische Verfahren – das im Petitionsausschuss natürlich noch einmal aufrufen. Sie können sicher sein: Früher oder später werden wir parlamentarische Initiativen zu diesem Punkt starten – vielleicht kann man das, beschränkt auf diesen Punkt, Herr Bartsch, auch einmal gemeinsam in diesem Parlament machen –,
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Gern!)
und dann werden Sie Farbe bekennen müssen in der Frage, ob Sie den aus der DDR Geflüchteten diese vernünftige und ihnen zustehende Rente zugestehen. Das werden Sie dann entscheiden und hier bekennen müssen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Machen wir zusammen! Können wir gerne zusammen machen!)
Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5897182 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Renten in Ostdeutschland |